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Edition Goldener Falke

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Edition Golden Falcon

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Edición dorado halcón

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Leseprobe 


auch Engel können weinen


Gewidmet den Engeln der Station E5

im Klinikum St. Marien Amberg:

 

Claudia, Elke, Ingrid, Irina, Johanna, Julia, Justine, Lisa, Marina, Martina, Sabine, Sandra, Steffi.
 

Prolog

Eine Million Dollar auf dem Konto, ein heißer Porsche vor der Haustür, eine geile Braut im Bett, welcher Macho würde nicht davon träumen?

Ich träume von Champagner, Kaviar, und nackten Weibern. Die Realität sieht anders aus: Ich liege als armes Schwein im Krankenhaus.

Die nachfolgende Geschichte ist ein Roman über einen Albtraum. Jede Ähnlichkeit mit Institutionen und Personen (ausgenommen Personen der Zeitgeschichte) wäre deshalb rein zufällig und völlig unbeabsichtigt.

 

 

Wer die vielen Gefahren des täglichen Lebens kennt, wird zugeben, dass der Job eines himmlischen Bodyguards nicht einfach ist. Rund um die Uhr muss der Schutzengel an 365 Tagen im Jahr Leib und Leben seines Schutzbefohlenen beschützen. Wehe er passt nur eine Sekunde nicht richtig auf, schon haben wir das Malheur. Wir müssen zum Doktor, wir müssen in`s Krankenhaus. Wenn unser Schutzengel im Operationssaal aufmerksam über uns wacht, wachen wir im Wachraum auf und können bald auf eigenen Beinen wieder nachhause gehen. Im ungünstigeren Fall werden wir in einer Undertaker-Limousine zum Gottesacker gefahren. Billig ist diese letzte Reise nicht. Undertaker wollen auch leben.

Ich kann sie nicht leiden, diese makaberen Schauspieler. Die zocken Dir mit ihrer unnachahmlichen Leichenbittermine den letzten Dollar ab. Bevor Du wortlos in Dein kühles Grab sinkst, haben diese sprachbegabten Gaukler Deinen Hinterbliebenen das letzte Hemd ausgezogen. Dir ziehen sie das teuerste Hemd aus ihrem Beerdigungskatalog an. Deine Sargkiste ist aus feinstem Edelholz, Du ruhst auf teueren Seidenkissen. Grab-Stein und Grabschmuck kosten ein Vermögen. Damit Du Deinen trauernden Hinterbliebenen in guter Erinnerung bleibst, läuft der Beerdigungs-Unternehmer zur Hochform auf. So hässlich kannst Du im Leben gar nicht ausgesehen haben, dass der pietätvolle Untertaker Dich im Tod nicht hübsch „herrichten“ könnte. Eine saftige Formalinspritze in den kalten Corpus Delicti, ein Pfund Anti-Falten-Creme alla Uschi Glas ins aschfahle Gesicht, ein geweihter Rosenkranz in Deinen gefalteten Händen, lässt Dich aussehen: „Als wenn Du schlafen würdest.“

Mit Pietät und Menschenwürde hat dieses gnadenlose Geschäft längst nichts mehr zu tun. Die Konkurrenz ist hart. Jeder Beerdigungsunternehmer muss schauen, wo er seine Kunden findet. Der eine arrangiert sich mit dem Städtischen-Krankenhaus, der andere mit der Autobahnmeisterei, und der wieder andere muss nehmen was übrig bleibt. Dass auch er mit den Sargschreinern, Friedhofsgärtnern und Grabstein-Metzen ein Abkommen hat ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Unter 30 % Provision läuft da nix.

Wer bedenkt wie teuer sein Begräbnis wird, ärgert sich Zeitlebens über die Beerdigungs-Mafiosos.

Dem lieben Gott und mir, sind diese Leichenbitter suspekt. Um ihnen das Geschäft mit dem Sterben zu verderben hat der Herr des Himmels und der Erde vor einiger Zeit eine völlig neue Gattung von Engeln erschaffen: Die Weiblichen!

Früher waren ja alle Engel männlich. Hey Mann, was liegt so einem geflügeltem Macho an ein paar Toten mehr oder weniger auf Erden? Im Prinzip nix. Gar nix. Also sprach Gott der Herr „weibliche Engel müssen her.“

Seither haben wir sie, die himmlischen Karbolmäuschen. Engelsgleich schweben sie von Krankenbett zu Krankenbett und streichen Balsam auf die Wunden. Aufgeschnitten, zugenäht, blass wie der Tod liegt ihr Patient danieder, fürchtet sich vor dem unerbittlichen Mann mit der Sense und seinem Kompagnon von der Undertaker-Mafia.

Diesen Dunkelmännern haben die Krankenschwestern den Kampf angesagt. Eifrig huschen sie von Bett zu Bett. Manche sind so eifrig, dass sie auch nach Feierabend noch von Bett zu Bett huschen. Dagegen ist nichts einzuwenden denn, der Schwester ihr ausgeglichener Hormonhaushalt kommt auch dem Patienten zugute. Nichts Schlimmeres als eine unbemannte Karbolmaus. Die lässt ihren Frust am Patienten aus.

In einem modernen Krankenhaus sind die Schwestern schön und ausgeglichen. In unserem hochmodernen „Klinikum St. Marien-Gesundheits GmbH & Co KG“ werden sie an höheren Kriterien gemessen. Schönheit und Ausgeglichenheit alleine reicht nicht. Nervenstark, hochbelastbar und immer freundlich müssen sie von Station A bis F sein.

Ich habe das Glück im Unglück, auf der Station E 5 zu liegen. Dort versehen dreizehn himmlische Wesen ihren Dienst. Ich nenne sie meine Engel. Ich weiß warum. Ich habe Erfahrung mit Krankenschwestern.

Schon als ich ein Knäblein im zarten Alter von 9 Monaten war, holte der grässliche Mann mit der Sense nach mir aus. Damals schlich der Unheimliche um das Krankenhaus in Bamberg herum. Elf Kleinkinder wurden in einer einzigen Nacht an Diphtherie operiert. An zehn Kindersärgen weinten die Schutzengel. Sie hatten den Kampf gegen den Sensenmann verloren. Mein Schutzengel hat gewonnen.

Die nachfolgenden Jahre besucht mich der Mann mit der Sense immer dann, wenn zu anderen Kindern das Christkind kommt.

Eine normale Luftröhre ist ungefähr so dick wie ein kleiner Finger, meine künstliche Luftröhre ist nicht dicker als ein Federkiel. Dementsprechend schwillt sie bei jeder Erkältung zu. Bei allen bösen Geistern, nur wer das Gefühl kennt qualvoll erwürgt zu werden, kann sich halbwegs vorstellen was man fühlt, wenn die Luftröhre zuschwillt. Ich liege alleine in meinem Kinderbettstättchen wenn der Sensenmann mich am Hals packt. Ich möchte nach der Mama rufen, aber es kommt nur ein unartikuliertes Krächzen zustande. Lieber Gott im Himmel, ich atme nicht mehr, ich schnappe verzweifelt nach Luft. Ich röchle wie ein Papst, der in der Engelsburg erdrosselt wird. Der unsichtbare Henker drückt meine Luftröhre immer schlimmer zu. Die Todesangst wird panisch. Bevor ich mein junges Leben qualvoll ausröchle, eilt Gott sei Dank, der Hausarzt Dr. Vogel herbei. Ein Wettlauf mit dem Sensenmann beginnt. Dreimal ist der Doktor schneller. Erst spritzt er mir das Serum vom Schaf, dann das vom Rind, und schließlich das vom Pferd. Mehr geht nicht. „Beim nächsten Mal bin ich mit meiner ärztlichen Kunst am Ende, der Bub muss sterben,“ seufzt der Doktor. Der Bub hat keine Lust zu sterben. Er ist noch so jung, und wer weiß was ihm das pralle Leben noch geben kann?

 

Während der ersten zweieinhalb Jahre sind Großvater und Enkel das Dream-Team. Der „Großdada“ hat sich im I. Weltkrieg einen formidablen Lungenschuss eingefangen. Deswegen ist er mit seinen 56 Jahren schwach und ausgezehrt wie ein Greis. Zum tanzen und musizieren fühlt er sich trotzdem nicht zu schwach. Sobald sein Enkel sagt: „Großdada Musik“ spielt er auf der Ziehharmonika. Wenn der Bub sagt: „Großdada tanzen“, tanzt der alte kranke Mann in der Kinderstube herum wie das Rumpelstilzchen. Am lustigsten aber ist, wenn der Bub sagt: „Großdada Schesn`fahren.“ Dann legt sich der gute Mann in den Kinderwagen. Vorne hängen seine langen Beine heraus, hinten schiebt der kleine Knirps.

In den kalten Kriegswintern, wenn Keuchhusten und Rachen-Bräune den Buben quälen, betet der Großdada innbrünstig zu allen Heiligen im Himmel.

 

Im Mai 1945 ist der II. Weltkrieg aus und verloren. Das Ende ist die größte Katastrophe, seit Erschaffung der Welt: 55 Millionen Menschen haben ihr Leben verloren. 6 Millionen Juden, darunter 1 Million Kinder, sind grausam ermordet worden.   

Im „Tausendjährigen Reich“ liegen 1,63 Millionen Häuser in Schutt und Asche, 7,5 Millionen Obdachlose suchen ein Dach über dem Kopf. Den Witwen und Waisen, den Flüchtlingen und Obdachlosen geht es nicht so gut wie mir. Sie haben in den Kriegswirren ihren Schutzengel verloren. Meiner steht mir treu zur Seite.

 

Der Großdada hat sich seinen miserablen Lungenschuß eingefangen, weil er für Kaiser, Gott und Vaterland gekämpft hat. Seine Söhne Michael und Josef kämpfen im II. Weltkrieg für Führer, Volk und Vaterland. Wo die zwei Burschen stecken, und ob sie überhaupt noch leben, weiß niemand. Sie sind als „vermisst“ gemeldet. Das heißt, entweder in Gefangenschaft, oder Tod. Wo mein Papa ist, weiß man. Im Himmel. Das Flugticket hat ihm der Führer geschenkt.

Die Stimmung ist gedrückt. Der Großdada ahnt sein nahes Ende. Er hört den unsichtbaren Mann mit der Sense schon um`s Haus schleichen.

Der 19. Juni 1945 ist ein heißer Sommertag. Die Heuernte muss eingefahren werden. Oma, Mama, Onkel Siggi, Onkel Adolf und ich sind auf der großen Heuwiese, oben am Wehrwolf. Den besten Job habe ich mir ausgesucht. Liege zufrieden im Heu und denke: Der Krieg ist zu Ende. Kein Tiefflieger macht mehr Jagd auf Nazis. In den Tagen vorher haben die übermütigen USAF-Piloten gerne Hasenjagd auf Nazis gemacht. Die Nazis, das sind so Leute, wie wir. Ihre einzigen Waffen sind Heugabel-und Rechen. Wenn ich schon rechnen könnte, wüsste ich, dass mein großer Onkel Siggi, nur zwölf und mein Onkel Adolf, nur sieben Jahre älter sind als ich. Weil ich kein Wunderkind bin, geht mit Mathematik nix in meinem Kindskopf. Ich freue mich nur, dass Ruhe am Himmel eingekehrt ist. War schlimm genug bisher. Auf dem Dorf gibt’s keine Flugabwehr. Wehrfähige Männer gibt‘s auch schon lange keine mehr. Die sind alle gefallen, für Führer, Volk und Vaterland. Wer nicht gefallen ist, sitzt in Kriegsgefangenschaft. Was das genau ist, weiß ich nicht so recht. Ich hab` keine Ahnung von Politik und Geographie. Höre halt nur, dass der Krieg verloren ist.

Bis vor kurzem sind die Tiefflieger über uns hinweggebraust. Heiliger Strohsack. Oft genug hat die Oma im Straßengraben Deckung gesucht. Oft genug hat die Mama meinen Kinderwagen im nächstbesten Gebüsch versteckt. Die Heuwiese am Wehrwolf war der reinste Präsentierteller. Wenn der Krieg nicht vorbei wäre, hätten es die Tiefflieger heute verdammt leicht, uns böse Nazis abzuknallen.

Im Moment knallt nur der Onkel Siggi mit der Peitsche. Er führt das Kuhgespann. Der kleine Onkel Adolf muss genau auf die Befehle seines großen Bruders hören: „Brems` anziehen, Hemmschuh unterlegen.“ Der Nichtökonom wird sich darunter wenig vorstellen können. Der Landmann weiß was gemeint ist. Er beherrscht die Technik einen Heuwagen fachmännisch zu laden. Sabberalot, ein sauber geladener Heuwagen ist ganz schön hoch. Damit die wertvolle Fracht unterwegs nicht verloren geht, wird der „Heubaum“ obenauf gelegt und an beiden Enden fest „zusammen-geraddelt.“ Die Oma wird wie eine Landgräfin auf die Fuhre gesetzt, und ab geht die Post. Auf dem flachen Lande, ist das kein Problem. Bei uns im Steigerwald gibt’s Berge und Täler. Unser höchster Berges-Gipfel ragt zwar nur ein paar Hundert Meter in den Himmel, aber auch er will bezwungen sein. Besonders, wenn`s mit einem Heufuhrwerk bergab geht. Da haben Gespannführer und Bremser allerhand zu tun. Onkel Siggi und Onkel Adolf be-herrschen ihr Handwerk. Die Mama auch. Schiebt meinen Kinderwagen und mich unfallfrei nachhause.

Im Normalfall kommt uns der Großdada schon am Hoftor entgegen. Heute nicht. Der 19. Juni 1945 ist kein Tag wie jeder andere. Er ist schlichtweg ein Scheißtag. Der beschissenste, den ich je erlebt habe. Die Oma nimmt mich am Patsch-Händchen und schaut nach dem Großdada. Der liegt im großen Ehebett, und erzählt die tollste Geschichte aller Zeiten: Dem Hutzeldada seine Scheune ist ihm auf den Kopf gefallen!“

„Um Gottes Willen Jackl, ach Gott, ach Gott mei` Jackela, dem Hutzeldada seine Scheune steht doch noch.“

„Ja dann hat er sie halt wieder aufgebaut.“

 „Heilige Maria Mutter Gottes, der Herr Doktor muss kommen“, seufzt die Oma. Der Herr Doktor kommt nicht, weil es ihn nicht gibt in unserem Kuhdorf. Bei uns gibt es momentan nur den Herrn Pfarrer und die Krankenschwester. Das ist gut für uns Katholiken. Die „Lutherischen“ sind schlechter dran. Die haben lediglich einen Pfarrer. Der wiederum ist besser dran, wie unserer, denn er darf sein Eheweib begatten. Unserer darf allenfalls seiner Köchin Marie die Röcke hochheben. Selbstverständlich streng vertraulich. Fällt nämlich unters Beichtgeheimnis.

Weil kein Doktor da ist, rennt die Mama zum katholischen Pfarrhaus. Der hochwürdige Herr Pfarrer Johann Wild ist einigermaßen ungehalten. Hat soeben seinen Schweinsbraten mit Klöß` und Sauerkraut zu sich genommen. Möchte sein wohlverdientes Mittagsschläfchen halten. Hilft nix. Der Herr Hochwürden muss zum „Sterbehaus“ kommen. Mitten im Dorf steht das Rathaus, nebendran das „Schwesternheim.“ In dem machen die „Töchter vom Orden des allerheiligsten Erlösers“ Ora et Labora. Manches Mal machen sie auch etwas Anderes, aber das gehört jetzt nicht hierher. Die Krankenschwester heißt Sr.Maria Magdalena. Sie verwaltet Sanitätskasten, Jodflaschen, Verbandsmull, Heft-Pflaster und Kopfwehtabletten. Meinem Großdada helfen keine Kopfwehtabletten. Seit ihm den Hutzel-dada seine Scheune auf den Kopf hinauf gefallen ist, redet er wirres Zeug. Die Sr. Maria Magdalena erkennt mit Kenner-Blick, was los ist: „Schlaganfall.“

Der hochwürdige Herr Pfarrer weiß, was er zu tun hat: Sakrament der Beichte, Absolution, Kommunion, letzte Ölung.

Der Großdada lässt alle Zeremonien geduldig über sich ergehen. Er wird absolutiert, kommuniziert und geölt - guckt den Pfarrer verwirrt an, und sagt: „Mein lieber Mann…äh Verzeihung Herr Hochwürden, was würden Sie tun, wenn Ihnen dem Hutzeldada seine Scheune auf den Kopf gefallen wäre?“

„Der Herr hat`s gegeben, der Herr hat`s genommen: In Nomini Patri, et Fili, et Spiritus Sancti, Amen,” sagt Hochwürden, läuft zurück in`s Pfarrhaus, und bereitet die Grabrede vor. Die Sr. Maria Magdalena ist voll austrainiert. Die hockt stunden-lang neben dem Großdada seinem „Sterbebett“ und betet den schmerzhaften Rosenkranz rauf und runter. Dem Großdada geht die Litanei am Arsch vorbei. Der Großdada ist ein Weltkrieg I. Veteran. Er weiß, wie man würdig aus dem Leben scheidet. Freiwillig, oder gezwungenermaßen, wer kann es sich aussuchen?

Ich suche, und finde einen Eukalyptus Bonbon. Der Großdada nimmt ihn, guckt mich glückselig an und sagt: „Vergelt`s Gott mein braver Bub.“ Zu Oma und Kindern sagt er: „Auf Wiedersehen im Himmel.“ Er nimmt meine Hand, schaut mir in die Augen und schläft ein.

Die Sr. Maria Magdalena sagt: „Die Augen sind gebrochen.“ Sie öffnet das Fenster, damit die Seele in den Himmel fliegen kann und zündet die schwarzen Totenkerzen an. Irgendwie wird mir das Ganze unheimlich. Alles schluchzt und betet wild durcheinander. Die „Totenschwester“ wäscht den Großdada von oben bis unten mit Essigwasser und bindet ihn das Kinn hoch. Jetzt sieht er aus, wie einer, der schlimme Zahn-Schmerzen hat. Damit er das Elend rings um sich herum nicht länger ansehen muss, drückt ihm die Totenschwester die Augen zu.

Zwei Tage und Nächte liegt der Großdada in seinem Bett „als wenn er schlafen würde.“

Weil es fürchterlich heiß ist, holt die Mama in der Schloss-Brauerei eine große Wanne mit Eis. Die Fensterläden werden geschlossen, das Eis wird unters Bett geschoben, damit der Schlafende nicht „übergeht.“ Immer wieder stehe ich an seinem Bett. Der Großdada soll endlich aufwachen. Er mag nicht.

Am dritten Tage „riecht“ der Großdada schon wie der arme Lazarus. Zu dem hat unser Herr und Heiland Jesus Christus gesagt: „Steh auf, nimm dein Bett und geh`.“ Der Lazarus ist aufgestanden und von dannen gegangen.

Zu meinem Großdada sagt nicht einmal der Prophet Elias etwas, obwohl er doch der Altmeister der Totenerwecker ist. Der Apollonius von Tyana hat auch schon lange vor Jesus Tote auferwecken können, aber auch er lässt sich nicht blicken.

Anstelle dieser Wundertäter erscheint der Grumbuhl. Der sieht aus, wie er heißt. Verwachsen, verschlagen, hinterlistig. Im Krieg hat er Munitionskisten für die Wehrmacht hergestellt. Seit die Ami`s einmarschiert sind, behauptet er, dass er „Halbjude“ wär.` Jetzt ist er Bürgermeister, Sägewerksbesitzer und Sargschreiner. Kommt mit seinem Zollstock daher, misst den Großdada in Länge und Breite, legt ihn in eine schwarze Kiste, und nagelt sie zu. Jeder Hammerschlag trifft mich mitten in`s Herz hinein.

Der hochwürdige Herr Pfarrer wartet vor der Haustür. Mit ihm seine Ministranten und alles was sich auf den Beinen halten kann. Alte Kameraden, alte Männlein und Weiblein. Die feierliche Prozession hinaus zum Friedhof ist einigermaßen beschwerlich. Fast einen Kilometer muss der Trauerzug zurücklegen. Ganz schön anstrengend für die Sargträger. Für den Totengräber nicht. Der hat schon längst ein Loch gegraben. Der hat seinen Lohn schon versoffen. Ich kenn` ihn, den multifunktionalen Hundling. „Lorzer-Schuster“ heißt er. Er ist Schuhflicker, Gemeindediener, Totengräber und Säufer. Seine Spießgesellen sind die Sargträger. Schon ihr Anblick lässt mich schaudern. Pfui Teufel schauen die Kerle grässlich aus. Von oben bis unten schwarz angezogen. Auf dem Kopf einen Zylinder wie Merlin der Zauberer, im Gesicht eine Leichen-bittereine, als wenn sie Zitronen gelutscht hätten.

Ich kann weinen, schreien und strampeln, soviel ich will, es hilft nix. Die Undertaker begraben meinen Großdada.

Nun gut, weiß was ich zu tun habe. Verraten tu` ich es nicht.

 

Mein Sandkasten steht im Hof. Die Oma denkt, ich sitze da und spiele mit Schäufelchen und Förmchen. Falsch gedacht Oma. Ich habe einen besseren Plan.

Der Weg hinaus zum Friedhof ist ganz schön anstrengend für ein zweieinhalbjähriges Bübchen. Stört mich nicht. Ich nehme meine kleine Sandschaufel und mache mich auf den Weg.

Die Mama und die Oma suchen im ganzen Dorf nach dem Knaben. Als der Abend hereinbricht finden sie ihn am frischen Grab. Die Blumenkränze hat er sorgsam zur Seite geräumt. Weil es „in der schlechten Zeit“ keine Seidenschleifen zu kaufen gibt, hängen Papierfahnen an den Kränzen: „Letzter Gruß“ - „Ruhe sanft“ und solche Sachen stehen darauf. Mir egal. Ich kann nicht lesen. Ich will nur meinen Großdada wiederhaben. Ein ganz schönes Loch habe ich schon gegraben, bis mich die verzweifelten Frauen finden. „Jesses Gott Bub, hör` doch auf, schau es wird gleich Nacht, komm geh mit uns nachhause.“

Widerwillig gehorche ich. Bevor ich mich heimführen lasse gucke ich auf den Erdhügel unter dem die bösen Undertaker meinen Großdada eingegraben haben, und verspreche: „Groß-dada, sei nicht traurig, heute schaffe ich es nicht mehr, aber morgen hole ich dich ganz bestimmt!“

Danach rede ich mit dem lieben Gott. Besser gesagt, mit seinem eingeborenen Sohn. Der hängt in voller Lebensgröße an einem Holzkreuz, mitten auf dem Friedhof. Warum der Sohn des allmächtigen Gottes nicht von seinem Kreuz herabsteigt, und mir hilft, begreife ich nicht. Deshalb schreie ich dem Gekreuzigten ins Gesicht: „Und du willst der liebe Gott sein, der alles kann hä? Nix kannst du. Gar nix. Nicht einmal meinen Großdada kannst du ausgraben.“

 

„So darf man mit dem lieben Gott nicht reden,“ sagt die Oma, „der liebe Gott hat unsere Sünden auf sich genommen, er heilt all` unsere Wunden.“

„Ist er ein Wunderdoktor?“

„Ja, so etwas Ähnliches.“

„Aber meinen Großdada kann er nicht ausgraben!“

„Ja du Lausbub, wo nimmst denn du deine Weisheiten her hä?“

„Die hat mich der Großdada aus der Heiligen Schrift vor-gelesen. Am besten hat mich gefallen, wie die Judenkönige sich in dem Alten Testament drin` abgemurkst haben.“

„Um Gottes Willen Bub`, das Alte Dingsda geht uns nix an. Für uns Christen, ist nur das Neue Testament wichtig.“

„Ja Oma, aber unser Herr Jesus stammt doch aus dem Hause König Davids, hast du schon einmal seinen phänomenalen Baumstamm gesehen?“

„Seinen was?“

„Ja Stammbaum, oder wie das heißt.“

„Ich hab für solche Märchen keine Zeit. Ich muss arbeiten.“

„Oma, wenn ich groß bin, arbeite ich als Zauberkünstler.“

„Hä?“

„Ja so wie der Moses, dann erscheint mir der Gott „Ich-bin-da“ und sagt: Hallo Joseph Detlev, ich bin da.“

„Jesses Bub, der Moses war ein Jud`, der geht uns Christen nix an.“

„Na gut, dann werde ich ein Hirtenknabe, so wie der kleine David und erschlage den Riesen Goliath und schneide 200 Philistern die Vorhaut ab, und dann werde ich König, und wenn mich die drei Könige aus dem Morgenland besuchen, dann sage ich: Grüß Gott Kollegen, habt ihr Gold, Weihrauch und Myrrhe dabei, ich möchte mir ein Pfeifchen anzünden!“

„Du Laushammel bist jetzt sofort ruhig, oder du geht’s ohne Licht in`s Bett.“

„Bitte nicht Oma, lass mich noch ein bisschen die farbigen Bildchen im Großdada seinen Büchern angucken.“

Die Oma kann mir keinen Wunsch abschlagen. Der Herr im Himmel möge es ihr vergelten. Ich liege im Großdada seinem warmen Federbett, und darf den teueren Strom vergeuden. Im Sommer kann man Strom sparen. Da ist es lange hell. Im Winter wird`s kritischer. Da zündet so mancher arme Mann lediglich seine Petroleumfunzel an. Wer es sich leisten kann, füllt seine Wärmflasche und legt sie in`s Bett. Der reiche Bürger besitzt eine Wärmflasche aus Kupfer. Der Mittelstand hat eine aus Zinkblech, der arme Mann macht sich in der Ofenröhre einen Ziegelstein heiß. Wir gehören zu den reichen Leuten. Der Großdada hat ein Vermögen hinterlassen.

Sein Bauernhof ist schön anzuschauen. Sabberalot, gleich zwei große Scheunen, Pferdestall, Viehstall, Schweinestall und Hühnerstall. Ein Schlachthaus mit Metzgerladen, Gesinde-Haus, Backhaus, alles ist da. Bloß kein Großdada mehr. Unter der Tenne stehen seine Luxuslimousinen, Motorräder und Pferde-Droschken. Alles könnte so schön sein…

 

Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß - § 106 UrhG

AUCH AUSZUGSWEISE - VERBOTEN -
 
LESEPROBE

Der 28. April 2007 ist kein Tag wie jeder andere. Das liegt nicht nur am Wetter. Es ist nasskalt im Steigerwald. Trotzdem strömt ein Heer von Gläubigen hin zum altehrwürdigen Kaiserdom in Bamberg. Es ist Ostersonntag. Der fromme Christ feiert an diesem hochheiligen Tag die Auferstehung Jesus Christus. Der war bekanntlich am Karfreitag tot, aber das hat ihn nicht beunruhigt, weil er gewusst hat, dass er am Ostersonntag wieder aufersteht.

Unter den vielen Gläubigen befindet sich ein untersetzter, schwarz gekleideter Herr. Der schwarz gekleidete Herr ist wärmere Gefilde gewohnt. Ist erst vor einigen Tagen aus der Karibik eingeflogen, wird in einigen Tagen wieder seinen Geschäften in Nassau/Bahamas nachgehen.

Heute zelebriert der ehrwürdige Erzbischof Ludwig Schickedanz das Hochamt im Kaiserdom. Da gehört es sich, dass man als honorabler Geschäftsmann in der vordersten Kirchenbank sitzt. Schon gleich gar, wenn der Herr Erzbischof ein persönlicher Freund ist.

Nach der Messe steht der Erzbischof am Domportal, unterhält sich jovial mit dem schwarz gekleideten Herrn. Fritz Panzerschmied heißt er, und so sieht er auch aus. Anfangs 50 und streng katholisch ist er. Das hat an und für sich nichts zu sagen, denn Ehrenmänner werden nicht nach Religion und Konfession bewertet. Der Wert eines Mannes ist seine Ehre. Fritz Panzerschmied ist ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle. Um die Würde seiner Erscheinung zu unterstreichen kleidet er sich so schwarz wie ein Beerdigungsunternehmer. Nur ein bisschen vornehmer. Fritz liebt schwarze Anzüge ungemein. Maßgeschneidert aus feinem Tuch müssen sie sein. Fritz liebt van Laack Seidenhemden, Carnival de Venice Krawatten und Valleverde Lackschuhe. An seinem Handgelenk glänzt eine goldene Rolex Day-Date mit Brillanten, am Ringfinger blinkt ein schwerer Siegelring. Auf den ist Fritz ganz besonders stolz. Der Ring stammt aus dem Erbe seines Großvaters. Potz Blitz, der ehrenwerte Großvater hat auch Fritz Panzerschmied geheißen. Der Name Panzerschmied hat Gewicht im Steigerwald.

Es ist nasskalt vor dem Domportal. Fritz streichelt seinen schwarzen Vollbart. Den pflegt er, seit er zum ersten Mal auf den Bahamas war. Dort ist er dem toten Seeräuber Blackbeard und dem lebenden Fianzgenie Bernhard Cornfeld begegnet. Der Name Cornfeld hat auf der ganzen Welt Gewicht. Dem Erzbischof Schickedanz sagt der Name Cornfeld nichts. Schickedanz gehört zu den Kleinverdienern. Recht viel mehr als 18.000 Euro Monatsgehalt zahlt ihm der Staat nicht. Okay, Kindergeld für drei uneheliche Kinder könnte er im Fall der Fälle geltend machen, aber Schickedanz verzichtet. Hält sich an das Zölibat. Ist zufrieden, dass er Bischofsresidenz, Daimler Benz, Chauffeur und Haushälterin kostenlos benutzen darf. Fritz Panzerschmied kann darüber nur schmunzeln. Bernhard Cornfeld würde sich Tot lachen, wenn er nicht schon lange tot wäre. Na ja, man weiß es nicht. Heute ist Ostersonntag, vielleicht steht der Bernhard von den Toten auf, so wie unser Heiland Jesus Christus? denkt Fritz. Sagen tut er es nicht. Könnte eventuell sein, dass der ehrwürdige Erzbischof den Witz missversteht. Das wäre schlecht für`s Geschäft. Ein fränkischer Geschäftsmann braucht gute Beziehungen zum Klerus. Fritz weiß das. Deswegen gibt er sich betont katholisch, obwohl sein Großvater Halbjude gewesen ist. Schadet nichts. Bernhard Cornfeld war Volljude – und reichster Mann der Welt.
Fritz fröstelt: „Sauwetter Herr Bischof, viel zu kalt für die Jahreszeit. Auf den Bahamas ham` mers besser. So an die 30° Grad“.

 

„Ja, ja das Frühjahr im Steigerwald kann recht unfreundlich sein, wenn Gott will, werden wir dafür einen schönen Sommer kriegen, darf man fragen, ob Ihr dann noch hier seid, oder steht schon wieder Nassau auf dem Flugplan?“


„Mit Verlaub Exzelenz, mich halten keine zehn Gäule in fränkischen Gefilden. Bin nur auf einen Sprung `rübergeflogen, geschäftlich versteht sich“. Ein kurzer Blick auf seine Rolex und Fritz grinst: Herr Bischof, die Pflicht ruft, Termine, Termine.“

Wenn Fritz grinst, hat das nichts mit grinsen zu tun. Fritz kneift die schwarzen Augenbrauen zusammen, sein schwarzer Vollbart und sein schwarzer Anzug verleihen ihm ein diabolisches Aussehen. Erzbischof Schickedanz sieht aus, wie ein Erzbischof auszusehen hat. Gut genährt, prächtiges Ornat, verweichlichte Gesichtszüge, vergeistigtes Lächeln, würde nur noch der Heiligenschein fehlen. Ehrwürden schlägt das Kreuzzeichen und lispelt: „Fritz, der Herr segne und behüte Euch auf allen Wegen, gehet hin in Frieden.“  


Arg weit geht Fritz Panzerschmied nicht. Hat seinen schwarzen Porsche Cayenne ganz in der Nähe vom Domplatz geparkt. Wer sich ein solches Geschoß leisten kann, ist kein armer Mann. Fritz ist nicht arm. Fritz ist vermögend. Sehr vermögend. Besitzt in Nassau/Bahamas eine prächtige Strandvilla, besitzt am Canale Grande in Venedig einen Palazzo, besitzt am Regnitzufer in Bamberg das romantische Sandschlösschen. Was er sonst noch besitzt, geht dem Finanzamt nichts an. Aktienpakete, Wertpapiere, Schmuck und Bargeld in Millionenhöhe. Der schwarze Cayenne ist nicht sein einziges Luxusauto. Zu seinem Fuhrpark gehören ein Dutzend Nobelkarossen. Die laufen alle auf Geschäftskosten. Fritz ist ein Geschäftsmann der Extraklasse. Seine Filialen in Höchstadt, Erlangen und Aspach werfen allerhand Profit ab. Nicht jeder Fremde wird auf Anhieb wissen, wo diese drei Flecken auf der Landkarte zu finden sind. Wer zu den Zeitgenossen gehört die ein Navigationsgerät an Bord haben, tut sich relativ leicht. Wer ohne NAVI auskommen muss, bediene sich einer fränkischen Wanderkarte. Irgendwo im Bermudadreieck, so zwischen Nürnberg, Bamberg und Würzburg findet er den Dreifrankenstein. Von dort aus ist es nicht mehr allzu weit bis Aspach, Höchstadt, Erlangen. Letztgenanntes Städtchen ist stolz auf seine hugenottischen Wurzeln, ist stolz auf die Siemens AG und die Bergkerwa. Siemens beschäftigt in Erlangen über 4.000 „Global Players“ und wenn „der Berg ruft“ stürmt ein Heer freudiger Biertrinker den Gipfel fränkischer Glückseligkeit.

Höchstadt ist stolz auf seine Aischgründer Spiegelkarpfen, Aspach ist stolz auf seine Abrissmafia. Die fetzt alles weg, was früher gut und teuer war. Sägt uralte Bäume um, legt Fachwerkhäuser ein, schüttet Pump-und Laufbrunnen zu, reißt alte Judenhäuser ab, legt das historische Rathaus in Schutt und Asche, baut eine Autobahntrasse mitten durch den Ort. Für den Bürgermeister Fritz Schlitz ist das äußerst praktisch. Der Schlitz, dieses Schlitzohr, ist nämlich hauptberuflich Omnibusunternehmer. Hat bei einem schicksalhaften Crash in der Keuchelheimer Kurve sein linkes Ohr verloren. Seine Busfahrer ersparen sich seit neuestem die scharfen Kurven durch den historischen Aspacher Ortskern. Fritz Panzerschmied ist geborener Aspacher. Sein Großvater war im Dritten Reich Nazi-Bürgermeister und Sägewerksbesitzer, Schreinermeister, Munitions-kistenfabrikant,Sargschreiner,Beerdigungsunternehmer und Vorstand in einem Dutzend Dorfvereinen. Nach dem verlorenen Krieg outet er sich als „Halbjude.“ Fritz`s Vater war „Vierteljude“, Gemeinderat und Sägewerksbesitzer, Schreiner-meister,Sargschreiner, Beerdigungsunternehmer und Vorstand in einem Dutzend Dorfvereinen.

Fritz der kleine „Achteljude“ war ein verwöhnter Pappsack. Andere Dorfkinder wurden von der Hebamme auf die Welt geholt, klein Fritzchen durfte in der privaten Entbindungsstation Dr. Gabilett in Geiselwind das Licht der Welt erblicken. Andere Dorfkinder mussten die Volksschule in Aspach besuchen, Fritzchen nicht. Fritzchen durfte auf die Realschule in Höchstadt gehen, machte die mittlere Reife, könnte Sägewerksbesitzer, Schreinermeister, Sargschreiner, Bürgermeister, Beerdigungsunternehmer werden. Fritz will höher hinaus. Verlagert seine Geschäfte auf eine ganz andere Ebene.

Heute am Ostersonntag prügelt er seine schwarze 550 PS-Karre mit dem Segen des Erzbischofs gnadenlos über die BAS 36. Otto Normalautofahrer benötigt für die 40 Kilometer von Bamberg nach Erlangen eine halbe Stunde. Fritz kann darüber nur diabolisch grinsen, brettert mit nahezu 270 Sachen über die Piste.

Leseprobe  

Ted Kammerer 

Die Rache des Quetzalcoatl

Roman

Dies ist ein Roman – man sollte also nicht nach Wahrheit suchen – nur nach dem Leben, wie es sein könnte…

(H.G.Konsalik) 


Die Rache des Quetzalcoatl 

                                                   

Wie schmeckt ein Maguey-Wurm in Mezcal-Tequilla? Noch nie probiert? Dann lass es Stranger. Und noch etwas: Gehe nie in`s Puff in Caracas – und schon gleich gar nicht in Tijuana/Mehico.

Merkst du was? Die Mexicaner sind zu doof um ein „X“ zu sprechen. Okay, okay, nach drei Flaschen Mezcal Cactus Spiritus Sanctus, sage ich zu meinem Freund Xaver auch Hafer. Das ist aber wieder eine andere Geschichte. Wer sich die `reinziehen möchte, soll sich please in die Warteschlange stellen und mit Cash-Money winken. Im Moment geht es mir nicht um Peso`, sondern mehr so um die fast unglaubliche Story mit dem Göttervogel Quetzal. Caramba, ich liebe rattenscharfe Tacos. Hey Muchachos, wer etwas von Tacos versteht weiß, dass es die in Germany nicht beim Burger King gibt. Hier kommst du nur an mittelprächtige Tacos ran, wenn du für den Uncle Sam arbeitest. Goddamn, wer möchte das schon? Ich nicht. Wenn ich Appetit auf rattenscharfe Tacos kriege, fliege ich bis in die Estados Unidos Mexicanos.

Well Freunde, Amiland wäre näher – und Taco-Bell Fastfoot Schuppen gibt es dort tausende. Mich interessieren sie einen feuchten Kehricht. Ich mag die „Yum- Fastfoot Mafia“ nicht. Alles Bullshit: Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut und Taco Bell gehören dem Yum-Kartell. Wer schnell und billig mampfen möchte, soll den Yum-Junk-Foot `runterwürgen. Ich tu`s nicht. Ich unterstütze keine Ausbeuter. Mir tut das Personal des Taco Bell – genannt „Taco-Hell“ in der Seele leid. Erschwerend kommt hinzu: Der Yum Foot schmeckt, wie schon einmal gegessen. Caramba, wenn ich schon kotzen muss soll es sich rentieren. Dafür ist mir kein Weg zu weit. Wäre ja auch noch schöner. Mein Name ist Walter C.J. Silbervogel. Wer vögeln kann, kann auch fliegen. Für rattenscharfe Tacos-Quesadilla mit Hot Chili-Peperoni-Garlic-Onion-Pepper-Salsa fliege ich gerne nach Mexico. Ich gönne mir die oberaffengeilen Tacodingsda in Nueva Rosita, Nuevo Laredo und Chihuahua. Mein Geheimtipp ist allerdings Tijuana. Dort gibt es nicht nur die absolut rattenschärfsten Tacos, sondern auch die schönsten Weiber unter der Sonne.

Die Carmensita ist schön und scharf. Ich weiß nicht, wie sie bei Tageslicht aussieht. Ich habe sie mir einfach schöngesoffen.

Die Rosita ist schön, und scharf wie ein Rasiermesser. Wie sie wohl bei Tageslicht aussieht?

Die Conchita ist die reinste Beauty-Queen. Etwas Rattenschärferes gibt es auf der Welt nicht. Von Tageslicht und so, will ich jetzt nicht reden. Das sehe ich sowieso selten. Bis ich meinen Fetzenrausch ausgeschlafen habe, ist es stockfinstere Nacht. Verflucht Sacramento Dolores, irgend eine abgefuckte Hure sagt zu mir: „Hey Amigo, du siehst verdammt gut, aber verdammt nackig aus.“

„Hä?“

„Nix hä Caballero, bist du Macho, oder Wichser?“

„Ja du Luder, du ausgeschämtes, ich bin ein Oberpfälzer. Was hast du an mir auszusetzen ?“

„Generalissimo njento, aber Tattoo auf nackte Haut deinige wäre optimalo.“

„Caramba alte Schlampe, nenne mir den besten Onanierer, äh den besten Tätowierer von Estados Unidos Mexicanos und ich lasse mich sofort kastrieren, sorry, ich meine tätowieren“

Caramba, ich lande im Kabuff vom Hombre Petro Fernando Gonzales y Morales. Der Kerl sieht aus wie hundert Jahre Zuchthaus in Alcatraz.

„Buenos Dias Senjor Imbecil grinst das mexicanische Schlitzohr unter seinem Sombrero hervor.

Hätte ich damals gewusst was ich heute weiß, wäre manches anders gekommen. Verdammt, welches Greenhorn kann wissen, das Imbecil Trottel heißt? Ich wusste es nicht. das war mein Fehler. Er war der schlimmste, den ich je in meinem Leben machte.

Der mexicanische Bandito fragt mich scheinheilig: „Hey Gringo, möchtest du es so, oder so?“

„Holla, langsam Freundchen, ganz langsam, wie darf ich deine Worte verstehen?“

„I`m no palavere dedesco Senjor, aber kann ich stechen der beste Tattoo zwischen Tijuana Mehico und San Diego.“

„So, so, kannst du Eseltreiber äh?“

„Yes Sire, kann ich machen beautyfull Picture.”

„Verstehe Pygmäe, du willst mich pigmentieren äh?“

„Tätowieren Sire.“

„Okay, du Maulaffe, was verlangst du?“

„Guckst you der Listpreis, äh Preislist Senjor, steht hier geschreibt: 100 Peso für Normalo, 200 Peso für Capitalista, 300 Peso für Imbecilo.“

„Okay Speedy Gonzales y Morales, ich befehle dir, mache mir das rattenschärfste Tattoo, aber dalli, dalli. Time is Money, ich kann nicht den whole Day mit dir vertrödeln. Auf mich warten die geilsten Weiber von Novo Sibirsk bis Timbooktoo – also gib Gas du Affenarsch, sonst wer`d ich ungemütlich. Hast du schon mal einen ungemütlichen Mann from the Upperpaladine gesehen hä?“

„Madre mia, um Himmels Willen no Senjor.”

„Glück gehabt Affenkopf. Arriba, Arriba, halte keine Maulaffen feil. Steh` nicht blöd in deinem versifften Kabuff herum. Greife zur Nadel und naddle mich.“

„Subitto Senjor, falls hat Mister Dieter Bohlen nix dagegen?“

„Wer fragt dich Esel nach deiner politischen Meinung äh?

„Sorry Sire, war nur eine Frage am Rande des Rio Grande. Vale, vale, okay, okay, wo darf Petro Fernando Morales y Gonzales sein Kunstwerk stechen hinein, und welches sollte es sein Senjor Gilipollas?”

„Ja welches denn du Depp du mexikanischer? Ein Vogel soll es sein. Ein Bird, verstehst mi?!

„Capito Hombre Imbecil, capito. Wo soll Vogel hinfliegen, äh hinkommen?“

„Wie, wo, was, du Anfänger? Einen Vogel tätowiert man seit jeher auf die rechte Wade, oder was moanst, warum die Bayern Wadlstrümpf` tragen hä?“

„Vale, vale, Amigo: Vogel Hans-Jochen SPD, Vogel Rudolf CDU, Vogel Johannes FDP, Vogel Franz Joseph Strauß corrupto Vogel Maxl Strauß Zuchthaus ?“

„Schnauze Arschloch mexikanisches. Mische dich nicht in unsere bayerische Innenpolitik hinein, sonst rufe ich den Beckstein..!

„Erbarmen Senjor, mache ich für dich der beste und schönste Tattoo für kosten wenig Peso. It`s fast completto gratis, vale, vale?“

„Okay, okay, also fang` an du Mausfallenhändler.“

Letzteres hätte ich vielleicht nicht sagen sollen. Shit on it. To little and to late. Der mexikanische Sauhund hat mich verstanden – ich ihn leider nicht. Hinterlistig wie sie sind, die Gonzales y Morales, sagt der Mistkerl so ganz locker zu mir: „Apentas como un Zorro Amigo.“

Hätte ich damals gewusst, dass er damit meinte: „He mein Freund, du stinkst wie ein Esel“ wäre vieles anders gekommen. Na ja, man kann nicht sämtliche Fremdsprachen sprechen. Ein Oberpfälzer schlägt sich auch ohne mulitilingual zu sein durch die Welt. Wer so cool ist wie ich, lässt sich in Tijuana/Mexico einen Vogel auf die Wade telefonieren, oder gravieren, oder wie das heißt, und ist stolz darauf. Wer Wert auf gute Umgangsformen legt, steht auf und geht ohne zu bezahlen. Der mexikanische Tättoowier-Zampano lüftet den Sombrero guckt in meine stahlblauen Augen, verbeugt sich tief und murmelt respektvoll: „Te reviento la cara.“ Auf gut deutsch: „Dir polier ich die Fresse.“

Zu seinem Glück, versteh` ich nicht so recht, was er sagt, der mexikanische Depp. Stutzig werde ich erst, als er mir nachruft: „Hijo de Puta“– das heißt so etwas wie: „Verpiss dich Scheißkerl.“

„Ola, noch so ein Kompliment Gonzales y Morales und ich mache aus dir Leberkäs. Ich hau` dir so auf die Melone, dass dir kein Sombrero mehr passt“ – denke ich, aber dann besinne ich mich auf meine gute Kinderstube. Man weiß ja nie, zu was die mexicanischen Eseltreiber fähig sind. Ich mag nicht mit einer Machete im Rücken sterben. Auf der staubigen Avendida de la Revolucion in Tijuana schon gleich gar nicht. Deshalb sage ich diplomatisch: „Muchas gracias Idiotas“ und begebe mich eiligen Schrittes in die nächste Quinte.

Caramba, die Millionenstadt Tijuana ist Mexicos Drogen-und Huren-paradies. Wer hier nicht findet, was er begehrt, muss ein Imbecil sein.

Dass Mezcal-Tequilla ein scharfer Cactus-Schnaps ist, weiß man. Ein Mann von Welt, so wie ich einer bin, weiß natürlich, dass die Nahuatl Indianer die Meczcal-Agave als „Haus in dem wohnt Mond“ verehrt haben. Dass selbst der Maguey-Wurm darin jämmerlich verreckt, sieht man. Nun kann man sich halbwegs vorstellen, wie fürchterlich das Zeug wirkt, wenn man es literweise in sich hineinschüttet. Caramba erst schüttelt dich der Schüttelfrost, dann siehst du weiße Mäuse, torkelst im Kreis herum, und fällst um. Du wachst auf, fasst dich an den Brummschädel und stellst entgeistert fest: Leck mich am Arsch, ich bin nackig! Mehr als deine Unterhose von Calvin Klein haben dir die mexicanischen Banditos nicht am Leib gelassen. Alles Andere ist weg. Deine teuere Rolex, dein Cartier-Ring und deine Brieftasche mit der golden American Express, alles im Arsch. Du reibst dir ungläubig die entzündeten Äuglein, blickst auf deinen Calvin Klein Slip und denkst du wirst verrückt: Den teueren Slip hat sich längst ein Mestize gekrallt. Ob es wirklich eine Mestize, oder vielleicht ein Maya oder gar ein Nahuatl war? Himmel Arsch und Wolkenbruch, möglicherweise hat sich ein Huaxtekel, ein Toltekel, ein Aztekel oder ein Zapotekel deine teuere Unterwäsche gegriffen? Dem großen Kriegsgott Mexitali sei Dank, in einem Anflug von Nächstenliebe haben die Strauchdiebe dich in eine mexicanische Unterhose hineingesteckt. In dieser hat schon der Pancho Villa seinen Guerilla-Krieg geführt. Das sieht und riecht man, auch wenn man nicht von der Spurensicherung ist.

Verflucht und zugenäht, was jetzt hä? Das Schicksal ist dir gnädig. Während du so daliegst, in deinem unappetitlichen Unterkleid, schickt dir der Himmel die Strada-Policia. Die geht sehr unsanft mit dir um: „Gringo apestas como un Zorro“ fluchen die Uniformierten und treten dir voll in den Arsch.

„Verdammt, das war`s“ denkst du, aber leider denkst du falsch Amigo. Der Policisto corrupto verlangt 100 Peso wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Weil du keine 100 Peso besitzt, sitzt du drei Tage in der Arrestzelle. In der Hölle wär`s gemütlicher. Da haut dich der Diabolo nicht dauernd mit dem Gummiknüppel aufs Hirn hinauf.

Die Gefängnistür geht auf – und du rennst im Dauerlauf bis San Diego. Verflucht Sacramento Dolores, endlich in Sicherheit. Endlich US-Americanischen Boden unter den Füßen. What a Difference. Hinter dir das Drecksloch Tijuana, die gefährlichste City der Welt, vor dir das Paradies von San Diego. „Sonne, Strand und blaues Meer“ denkst, du und schon stehen zwei blaue Engel neben dir: „ Hello Sir, wir sind von der City-Police: Dont try anny Hanky Panky!“

„Ja mi leckst am Orsch, was geht jetzt ab hä?“

„Shut up, halts Maul Junkie – rück` 100 Dollar Caution heraus, oder du sitzt im Zuchthaus!“

„Von mir aus, auf dem Elektrischen Stuhl“ fluchst du, aber dann fängst du an zu betteln: „Ich bin unschuldig, ich bin unschuldig.“

„Das sagen sie alle“ sagt der sadistische Policeman: „Wir werden sehen, ob das Asehole unschuldig ist, wenn wir ihn den Gummiknüppel in den Arsch stecken.“

Dich überfällt ein panischer Schrecken. „Wenn schon verrecken, dann nicht mit einem Police-Stecken im Arsch“ denkst du, und dann rennst du um dein Leben.

Du rennst auf dem Highway No.5 als wenn du im höchsten Grad high wärst. Kurz vor San Clemente bist du mit deiner Kondition am Ende. Der Himmel hat ein Einsehen, er lässt ein Wunder geschehen. Er lässt neben dir einen rosaroten Cadillac-Eldorado-Convertible anhalten. Hell and Heaven, nie im Leben hat man ein schöneres Auto gesehen. Einen solchen Inhalt schon gleich gar nicht. Am Steuer sitzt tatsächlich ein Engel. Blond und süß und sexy, säuselt die himmlische Fee:

„Hello Darling, woher und wohin?“

„Mir scheißegal wohin, ich bräuchte `was zum anziehn.“

Tja Freunde, „El Pueblo de Nuestra Senora la Reina de los Angeles de Rio de Porcuncla“ nennt man nicht umsonst die Stadt der Engel. Wer sich den langen Namen „der Stadt unserer lieben Frau der Königin der Engel von Porcuncla“ nicht merken kann, sagt einfach Los Angeles. Caramba, die Luxus-Boutiqen von Long Beach bis Beverly Hills haben astronomische Preise, aber das stört meinen süßen Engel nicht. In ihrem weichen Haar bricht sich das Sonnenlicht, die Königin der Engel bricht unter der Last der Geschenke fast zusammen. Ole, ich bin wieder der, der ich bin. Gekleidet wie John Travolta, ausstaffiert mit allem was gut und teuer ist. Das Gewicht meiner goldenen Rolex zieht die linke Hand nach unten, das schwere Cartierarmband an der rechten Hand tut gleiches. Mit einem Wort, ich bin meinem blonden Engel hilflos ausgeliefert. Wenn jetzt ein Sheriff rufen würde: „Hands up“ ich wäre zu gehandicapt.

Was folgt wird nur der härteste Macho nachvollziehen können: Die heißeste Liebesnacht seit Erschaffung der Welt. Ich will ja nicht angeben Jungs, aber dermaßen außerirdisch ist noch nie ein Engel gevögelt worden.

Irgendwann so zwischen dem siebten und vierzehnten Orgasmus fragt mein Los Angeles Engel atemlos, ob der tätowierte Quetzal in my Home-Country das Markenzeichen von Viagra wäre?

„Der täowierte wer?“                

„O Darling, bist you so naiv, oder tust you nur so?

fragt mich das geile Engelchen.

„Well Baby, wir Oberpfälzer sind Naturburschen, Hillybilly`s, verstehst woas i moan?“

„Underständ my lovely Naturbursch.“

„Ja also, dann verstehn wir uns doch. I soag a dir blos oans, was a du jetzert spürst, nennt man bei uns dahoam oan kloan Zauberstab.“

„O Lord, wie sehen euere großen Zauberstäbe aus, my Dear?“

„Ja wie denn? Gigantisch natürlich. Da kannst du ein Dutzend Brezen dranhängen und wenn es sein muss auch noch einen Maßkrug.“

„Is this really the Truth, nix gelogen my Dear?“

“Ein Oberpfälzer lügt niemals.”

“Very good for you my Natureboy, because you kennst the Story of Quetzalcoatl?”

“Ja freilich kenn` ich die. So etwas lernt man in der ersten Volksschulklasse in Kümmersbruck: Der Quetzal ist der Göttervogel der Atzteken, der Quetzalcoatl ist ihr Gottkönig. Man nennt ihn auch die „Gefiederte Schlange“

„O Darling, you are so potend, äh intelligent. By the way, so ganz nebenbei, wie ist your Name?“

„My Name ist W.C.J. Silverbird, für meine Freunde „Birdy.“

„Lovely Birdy, very lovely. Please dont forget the complete Story of Quetzalcoatl.“

“Ein Oberpfälzer vergisst nie.”

“Lovely Birdy, lovely.“

„Äh oan Augenblick Lady, i` moan one Moment please, wot ist the complete Story of the Quetzal änd so hä? “

“The Secret, also the Geheimnis of your Quetzalcoatl-Tattoo is: You darfst nix lügen Birdy. Because, wenn you lügen, the Tattoo will move.”

“Will was?”

“Wandern…underständ? Wenn you lügen, the Cuetzalcoatl move a little bit higher.”

“Ja leck, äh willst du damit sagen, der Vogel sitzt mir eines schönen Tages am Hals, oder gar auf dem Kopf hä?“

„Nothing is impossibile Birdy. You know the Holly Bible. You know the Story about Kain änd Abel.”

“Gütiger Gott im Himmel, freilich kenn ich die Story. Der Kain das Schwein hat seinen Bruder Abel erschlagen, und den lieben Gott rotzfrech angelogen. Deswegen musste er mit dem Kainsmal durch`s Alte Testament gehen. Gebimbert hat er trotzdem auf Teufel komm raus. Sein Sohn hat Henoch geheißen und …äh Caramba, es war doch kein anderes Weib, als dem Kain seine Mutter Eva da? Ja mi leckst am Orsch, soll der Kain etwa der erste Motherfucker gewesen sein? Ich mag gar nicht darüber nachdenken. He Baby, wo waren wir stehen geblieben?“  

„By your very strong Zauberstab Birdy.“

Sakra das Luder, das californische, kriegt nicht genug. Die stöhnt in einem fort: „Darling I love you, give me more, give me more…“

„Okay Baby ich geb` dir Saturday Night Fieber auf oberpfälzisch

 

California Sunrise ist ein Erlebnis wie im Paradies. Besonders, wenn du im Seidenbett neben einer Sexbomb` wie Pamela Anders aufwachst. Vor dem Lotterbett steht schon der frisch gepresste Orangensaft. Im Eiskübel perlt der Don Perignon extra dry. Toastbrot, Rührei mit Schinken und Speck, Carved-Lachs und Belluga-Kaviar, ein Dutzend Austern, ein Pacific-Lobster so groß wie ein Monster lächeln dich einladend an. Mann o Mann!

Du reckst und streckst deinen Adoniskörper, schiebst die Seidenvorhänge zurück und stürzt dich auf das Frühstück. Du schlürfst den Champagner, du lutscht die Austern, du löffelst den Kaviar – und streichelst deinem blonden Engel übers samtweiche Haar. Du erschrickst fürchterlich. Das Engelshaar ist hart wie Bohnenstroh. Du runzelst die Stirn, guckst genauer hin, die verrutschte Perücke ist nicht blond, sie ist grau. Dich packt das kalte Grauen, neben dir liegt eine Oma und neben ihr Zahnprothese und Gummibrust. Heiland Sakra, die Oma blinzelt dich an und säuselt „Schlatz lisch schliebe schlich.“

„Nix verstehn“ sagst du, aber das hilft dir nix. Die Grandma steckt flugs ihr Gebiss rein und säuselt vernehmlich: „Schatz ich liebe dich.“ Gierig wie ein Vampir greift sie nach dir: „Mach es mir wieder Darling.“

„Finger weg alte Schachtel, äh sorry mein blonder Engel, ich geh` nur schnell Zigaretten holen“

Wow, die Zigaretten kaufst du drei Tage später, in Salt Lake City. Ist ja eine schöne Stadt. Das Schönste an ihr: Sie ist fast 1000 Meilen entfernt von Los Angeles. Du freust dich wie ein Schneekönig: „In der Salzwüste von Utah findet mich die alte Schachtel aus Los Angeles nie“ hoffst du, und lehnst dich gemütlich in die verschlissenen Polster des klapprigen Chevy-Pickup zurück. „Donnerwetter, ich bin doch ein Glückspilz“ denkst du, oder sagen wir so: Ich habe so gedacht damals, als der verrostete „Farm-Cadillac“ auf dem Highway Number 15 angehalten hat. In dem sitzt Gott sei Dank kein Engel. Der Fahrer sieht mir mehr so nach Teufel aus. Scheißegal, Hauptsache weg von der alten Hexe. Hunderte Straßenkreuzer sind achtlos an meinem ausgestreckten Daumen und mir vorbeigefahren. Der schäbige Pikup hält mit quietschenden Bremsen. Sein Besitzer sitzt stocksteif hinter dem Lenkrad und sagt: „Lobet den Herrn Fremder, wohin wollt ihr?“

„Mir wurscht wohin, Hauptsache weit weg: Sieh mich nicht so merkwürdig an guter Mann. Siehst èh aus wie ein Undertaker. Soll mir auch egal sein. Lieber leg ich mich auf ewig in ein kühles Grab hinein, als noch eine einzige Nacht auf die alte Schachtel in Los Angeles.“

Wenn ich die Gesten des Undertakers richtig deute, soll ich es mir auf der Ladepritsche bequem machen. Mein oberpfälzisches Ehrgefühl spricht dagegen. Bin ich etwa ein Melonenpflücker? Never ever. Mein Platz ist vorne. Selbst wenn ich hinten bin, dann ist eben hinten vorne. Das kapiert sogar der Undertaker! 

Verdammt, das was die Amis Highway nennen, ist kein Hoch-geschwindigkeitskurs. Mehr als 55 Meilen per Hour sind nicht erlaubt. Mehr wie 40 Mph schafft die alte Karre so wieso nicht. Mein Fahrer spricht wenig. Eigentlich soviel wie gar nichts. Das haben Mormonen so an sich. Wenn die sprechen, dann mit ihrem Prophet Moroni. Das kommt daher, dass sie die „letzten Heiligen der Kirche Jesu Christi“ sind. Deswegen hat ihnen ihr Sektengründer Joseph Smith auch die Vielweiberei erlaubt. Kein dummer Kerl, der Mister Smith. Der argumentierte damit, dass der König David und sein Sohn Salomon schon im Alten Testament alles gevögelt haben, was nicht schnell genug auf die Bäume gekommen ist. Der Salomon prahlte mit seinen 1000 Weibern herum, der Joseph Smith prahlte damit, dass ihm der Prophet Moroni als Engel aus dem Himmel erschienen wäre. Donnerwetter, beim Prophet` Mohammed war es der Erzengel Gabriel. Der hat den Epileptiker so lange gewürgt, bis er selber daran geglaubt hat, dass er der größte Prophet aller Zeiten ist. Auf mehr als 13 Witwen hat er es trotzdem nicht gebracht. So gesehen war der Mormonen-Prophet Joseph Smith produktiver. Der hat über 30 Witwen hinterlassen. Mir wäre eine einzige schon zuviel. Gott o Gott, stell dir vor, die alte Schachtel aus Los Angeles steht an meinem Grab und flennt: „O Birdy, mit dir war`s am schönsten.“ Jesses, ich würde mich im Grab `rumdrehn.

Caramba, wenn ich so abgebrüht wäre wie der Robert Lichtenberg hätte ich mit alten Schreckschrauben kein Problem. Zumindest nicht, wenn sie so blaublütig wären, wie dem Kaiser Wilhelm II. seine Schwiegertochter Marie Auguste Antoinette Frederike Alexandra Hilda Luisa Prinzessin von Anhalt. Die ist ziemlich arm und nicht mehr ganz taufrisch. Deshalb ließ sie sich kurz vor ihrem 83. Geburtstag überreden, den Robert Lichtenberg zu adoptieren. Der Robert ist ein schlaues Bürschchen. Der zahlt der verarmten Prinzessin eine schäbige Leibrente und nennt sich nun großspurig: „Frederic Prinz von Anhalt, Herzog zu Sachsen, Graf von Westfahlen und Graf von Askanien.“ Graf Dracula von Trans-sylvanien, wäre auch nicht schlecht.

Mit solchen Titeln liegst du in Amerika ganz weit vorne. Die Hollywood-Diva Zsa Zsa Gabor liegt schon ziemlich weit hinten. Zumindest was ihre Jahre und Fitness betrifft. Sie ist bereits sieben Mal geschieden, und längst jenseits von Eden. Der Robert, alias Prinz Frederic könnte ihr Enkel sein – aber er hat Besseres vor, denn: Die Gabor besitzt ein Vermögen von mehreren 100 Millionen Dollar. Dass sie halbseitig gelähmt ist, stört den Märchenprinz nicht. Er ehelicht die arme, reiche Mumie und verprasst ihre Kohle mit jungen Weibern. In der Fernsehserie „Die Burg“ pinkelt er dem TV Sternchen Kader Loth zwar nicht auf`s Abendbrot, aber immerhin in ihr Badewasser. Majestätischer pinkelt nur noch der Urenkel vom Kaiser Wilhelm II.: Seine königliche Hoheit Ernst August Albert Paul Otto Rupprecht Oskar Berthold Friedrich Ferdinand Christian Ludwig Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.“ Potz und Blitz, wer zwölf Vornamen besitzt, braucht keine zwölf Apostel“ denkt sich königliche Hoheit und pinkelt volle Pulle an den türkischen Pavillion auf der Hannovermesse. Das gefällt der Regenbogenpresse. Für die ist der Ernst August nun der Pinkelprinz. Majestät rächt sich fürchterlich. Hoheit hält seinen Knirps bereit und schlägt damit immer wieder Paparazzi`s nieder.

Lieber Gott ich danke dir, dass ich kein Paparazzi nicht bin. Gestraft bin ich trotzdem, denn die Mormonen handeln zwar nicht mit Zitronen, aber sie gucken arg säuerlich. Damit Leichenbittermine und Kleidung harmonieren, kleiden sie sich von Kopf bis Fuß kohlrabenschwarz. Offiziell erlaubt ihnen der Uncle Sam nur noch ein Eheweib. Inoffiziell entlockt ihnen dieser Joke ein verschmitztes Lächeln. Mir entlockt die Ankunft in Hailstone, nahe Salt Lake City, ein breites Grinsen. Sakra, meinem schweigsamen Driver seine offiziellen und inoffiziellen Weiber sind alle da. „Halleluja, gepriesen sei der Herr“ rufen sie. Meinen die etwa mich? 

Gastfreundlich sind die Mormonen. Und sehr fromm. So fromm, dass sie jede Art von Technik als Teufelswerk ansehen. Sie verabscheuen Strom, Fernseher und Telefon.

Sie meiden Traktor und Automobil wie der Teufel das Weihwasser. Der antike Chevy Pickup ist nur für absolute Notfälle gedacht. Well, das mit mir war ja praktisch ein Notfall.

Gütiger Lord, das Böse ist immer und überall. Es verführt mich zum Sündenfall. Der geht so: Mein Chauffeur heißt Joe. Weil die Mormonen fromm und altmodisch sind, muss man ehrfürchtig sagen: Ehrwürdiger Father Joseph. Zu einem altehrwürdigen Vater Joseph gehört selbstverständlich eine Jungfrau Maria. Bei einem Mormonen-Joseph dürfen es der Jungfrauen einige mehr sein. Sabberalot, eine schöner als die andere - und alle werden gevögelt vom alten Mormonen-Joseph. Ich find`s unfair. Wenigstens eine könnte er mir abtreten. Will er aber nicht, der alte Bock. Mann o Mann, dabei sieht mich doch die kleine Mirjam so verführerisch an. Allerdings nur heimlich, wenn der Patriarch nicht in Reichweite ist. Wachsam ist der Hundling, der mormonische. Der hat seine Adleraugen überall. Ob im Kuhstall, oder in der Stube, ob auf Feld und Flur, der Alte lurt in einer Tour. Nur solange in der Holly Bible gelesen wird, lässt seine Wachsamkeit geringfügig nach. Schön, dass die Mormonen soviel beten. Da sitzt die gesamte Großfamilie um den riesigen Küchentisch herum. Ich sitze zwischen den Weibern und lobe den Herrn. Ich lobe den Herrn unheimlbich gern, weil ich dabei heimlich mit der Jungfrau Mirjam füßeln kann. Ihr schlankes Füßchen und meine strammen Wadln treffen sich wie zufällig unter dem Tisch. Auf dem steht sowieso nix Gescheites drauf. Jeden Tag nur Mais-und Reis-Auflauf. Fleisch essen sie nämlich nicht die Mormonen. Deshalb geht’s ihren Kühen prima. Die sind nur zum Milchgeben da. Donner und Doria, man glaubt ja gar nicht was man aus Mais alles machen kann. Die Kühe fressen ihn gerne, und die Cowboys auch. Wenn die zum Beispiel in der Prärie sind und nichts zu poppen haben, ist das no Problem. Eine Pfanne auf`s Lagerfeuer gestellt, eine Hand voll Maiskörner hinein, und schon hast du das schönste Poppcorn. Weil es in der Prärie kaum ein Puff gibt, hat der Buffalo-Bill den Puff-Reis erfunden. Weil der Uncle Ben ein Neger ist, lieben die Schwarzen seinen weißen Reis. Weil man aus Mais die besten Cornflakes Americas machen kann, ist der John Harvey Kellogg aus Battle Creek / Michigan ein steinreicher Mann. Zumindest war er das, bis ihn der Mann mit der Sense weggesenst hat. Goddamn, wie kann ein Mann, der süchtig auf ein tägliches Klistier ist überhaupt 91 Jahre alt werden?

Father Joseph der Mormone ist zwar auch schon alt und klapperig, aber er klistiert nicht, und onaniert nicht. Der rammelt seine Weiber auf Mord und kaputt. Nur gut, dass die kleine Mirjam noch nicht dran war. Recht lange wird sich der alte Rammler nicht mehr beherrschen können. Ich sehe doch wie der Hase läuft. Von Mal zu Mal rezitiert der Joseph beim Abendmahl, dass anno dazumal dem Prophet Mohammed seine Lieblingsfrau Aischa beim Coitus erst 9 Jahre alt war. Donnerkeil, bei uns in der Oberpfalz würden wir so einen Kerl Kinderficker nennen. Die Araber sehen das differenzierter. Zumindest, wenn es um ihren Mohammed geht. Dass der Prophet ein Straßenräuber, Mörder und Sexlüstling war, behaupte nicht ich. Das haben seine Mitbürger in Mekka und Medina aufgeschrieben. Dass der Zimmermann Joseph von Nazareth ein klappriger Tatterkreis war, als seine Jungfrau Maria ein Kind vom Heiligen Geist gebar, ist kein großes Geheimnis. Der Joseph war weit über achtzig. Die Maria war gerademal 12 Jahre alt, als der Heilige Geist über sie kam. Aus dieser Richtung weht der Wind von meinem Mormonen-Joseph. „Ja leck mich doch am Orsch alter Rammler, wenn ich gewusst hätte, was du für einer bist, wäre ich nicht in deine Rostlaube eingestiegen. Goddamn, jetzt sitz ich hier auf deiner Mais-Farm und die süße Mirjam hat`s mir angetan.

Wenn ich mich beim ehrwürdigen Father Joseph seinen Holly-Bible-Sprüchen am Abendmahltisch nicht fürchterlich am Riemen reiße, hebt mein kleiner Krisenstab die Tischplatte hoch. „O Lord wir bitten dich inständig, führe uns nicht in Versuchung“ rezitiert Joseph der ehrwürdige Patriarch. Der hat leicht rezitieren. Der muss nicht onanieren. Der vögelt jede Nacht, dass es nur so kracht, aber was mache ich hä? Eine Stimme aus dem Mormonen-Himmel spricht leise zu mir: „Wahrlich, wahrlich mein Sohn, du kannst deinen unreinen Dämon austricksen: Du musst nur kräftig wixen!“ 

„Ja leck mich Mormon: Erstens bin ich nicht dein Sohn, zweitens wixt ein Mann from the Upperpaladine nicht, drittens hat der Erfinder der Erdnussbutter, John Harvey Kellogg gepredigt: Wer wixt kriegt keine Cornflakes zum Frühstück.“

Der Dämon Mormon versteht kein Oberpfälzisch – und ich versteh` seine Weisheiten nicht. Ich weiß nur, dass meine Hormone verrückt spielen. In solch einem Notfall ist mir alles egal. Scheißegal. Ich weiß, dass der Patriarch Joseph eine Schrotflinte besitzt. Ich weiß, dass er damit sehr wohl umgehen kann, aber mein Trieb ist stärker: „Hello Mirjam, sieh mich an gebenedeite Jungfrau, ich kann nicht anders, ich muss dich im Maisfeld schnackseln“ flüstere ich dem kessen Luder zu. Züchtig wie es sich für eine mormonische Jungfrau gehört, schlägt sie die Augen nieder – und eine Stunde später liegt sie neben mir.

Solange die Maispflanzen noch im Saft stehen, sind sie sehr elastisch. Die Maiskolben sind groß und saftig. Sie haben lange Haare dran – und fühlen sich fast so an, wie das Ding von einem Mann. Weil man eine gebenedeite Jungfrau nicht einfach so mir nix, dir nix schnackseln kann, fangen wir eine gepflegte Konversation an. Die Mirjam fragt mich zärtlich, wo ich herkomme und so, und ich gebe ihr ehrliche Antwort: „Mein Heimatstandort ist the Capitol City of Upperpaladine/Germany.“

„O Lord, the Cowdorf by the Vils-River, wo sagen Fox and Rabbit good Night?“

„Du beliebst zu scherzen gebenedeite Virginia? Kimmst zu unserer Bergkirwa, dann weißt` warum der Berg „Mariahilf Berg“ heißt.

„Oh, I understand. The Madls gehen hinauf auf the Berg als Virginia, and herab als Maria Magdalena ?“

„So könnte man sagen du geile Maus. Also hopp zieh dich aus, weil deine siebzehn Unterröcke pack ich ohne fremde Hilfe nicht.“

„Not so stürmisch my dear Birdy. One Moment please, what hast you da an deinem Knie?”

„Ja was denn schon, ein Tattoo. Kennst du dich aus im alten Peru oder bei den Azteken und Inkas mein Schatz?“

„Sorry Birdy, ich weiß only, was Father Joseph mich hat gelehrt: Es begab sich im Jahre 600 vor Christi Geburt, daß der Prophet Nephti flüchtete from Yerushalayim nach America. Er ging in die Wüste hinein and hat gefunden the golden Book from Prophet Moroni.“

„Holla, ist ja interessant. Amiland ist also schon 2.000 Jahre vor Columbus von den Juden entdeckt worden?“

„So steht es geschrieben, in the Book of Mormon.“

„Langsam Mirjam, in der Holly Bible steht nix von einem Prophet Nepthi oder Moroni.“

„The golden Book of Moroni is` mutch older.“

„Älter als die Bibel und aus puren Goldplatten, stimmst?“

„Yes, thats stimmt exactly.“

„Aha, ein reicher Kerl euer Prophet hä. Was schreibt er noch Schönes der Dämon, äh der Mormon?“

„Er schreibt, dass by the Turmbau of Babylon many Juden nach America sind gekommen and Mormons geworden..“

„Da wird sich aber der assyrische König Nebukadnezar ganz schön geärgert haben, wenn ihm die Bauarbeiter davon gelaufen sind. Darf man fragen, wie sie America auf einer Landkarte gefunden haben, die erst etwa 2.000 Jahre später gemalt wurde?“

„Noah have auch no Kompass.”

„Aha verstehe. Die Story von der Arche Noah kenne ich. Wusste allerdings nicht, dass die Nephtisten und Mormonen ganze Arche-Flotten gebaut haben. Na ja, man kann nicht alles wissen.“

„For uns Heiligen of the last Day`s from the Church of Jesus Christ reicht zu wissen, dass wir sind die auserwählten Kinder Gottes.“

„Schön für dich, mein schönes Kind. Noch schöner für den Father Joseph, den alten Rammler.“

„Whats a Rammler Birdy?”

„Das wirst du gleich sehen.”

„Oooh, not so stürmisch Birdy. Please let me first tell you the Story from Moroni: The Joseph Smith is` in the Year of the Lord 1830 auch gegangen in the Wüste. Suddently, aus heiterem Himmel, erscheint him the Prophet Moroni als Engel. Er übergibt ihm zwei golden Bücher, weil nur Joseph Smith kann sie lesen und übersetzen.“

„Aha, hat schon mal Jemand daran gedacht, dass der Hochstapler sie vielleicht selber geschrieben hat?“

„Großer Lord, wenn das hört Father Joseph wird er sein very erzürnt .“

„Der Father Joseph kann mich mal. Dem erzähle ich, dass der schlaue Joseph Smith ein trickreicher Scharlatan war. Glaubst du vielleicht man hat ihn umsonst eingesperrt? Glaubst du, die aufgebrachte Menschenmenge, hätte ihn grundlos gelyncht hä?“

„Er war ein Märtyrer.“

„Ach so, ein Märtyrer. Alles klaro. Sein Nachfolger Brigham Young war ein Schreiner. Dem ist der Jesus erschienen und hat mit ihm noch einmal das letzte Abendmahl gefeiert. Danach hat er den Brigham zu seinem Apostel ernannt, stimmts?“

„Stimmt Birdy, wo weißt you das her?“

„Ich weiß noch viel mehr. Ich weiß, dass der Schreiner Brigham, so wie Jesus der Zimmermann, zwölf Apostel um sich geschahrt hat. Die haben ihn zum Propheten ernannt. Hey, so etwas gibt’s doch nur im Disneyland ?“

„Birdy, dont versündige dich nicht!“

„Was heißt hier Sünde? Wo ist denn euer goldenes Buch geblieben?“

„Das hat the Engel Moroni wieder geholt ab und hinaufgebracht in the Himmel.“

„Und das glaubt ihr ?“

„Wir zweifeln nicht.“

„Schön, schön. Ich zweifle auch nicht am Mann im Mond. Ich weiß sogar, dass die Mamaquilla die Mondgöttin, und der Inka die Inkarnation von Sonne und Mond war. Ich schwöre dir, der Quetzal ist der Göttervogel, der Quetzalcoatl ist die gefiederte Schlange.“

„O Birdy, what is a Göttervogel?                         

„Ja was denn? Ein Vogel wie ich. Ich vögle dich so göttlich, dass du glaubst du schwebst auf Wolke sieben.“

„Really, ehrlich?“

„Logisch, da sieh dir mein Quetzalcoatl-Tatto an: Ey, Moment, sorry Mirjam: Goddamn, das war doch gestern noch an meiner Wade? Ja mi leckst am Orsch. Was hat der mexicanische Gonzales y Morales mit mir angestellt hä? Jetzt dämmerts mir: „This Tattoo for you Gilipollas is the sign of truth“ hat der Misthund unter seinem Sombrero hervorgekichert, weil ich ihm kein Trinkgeld nicht gegeben habe. Ja Himmel Arsch und Wolkenbruch. Schon im Buch des alttestamentarischen Wahrsagers Bileam steht geschrieben: „Man muss stets die Wahrheit sagen – sonst fängt Bileams Esel an zu spechen. Caramba, der Esel hat den Erzengel Michael mit dem Flammenschwert gesehen. Ich sehe etwas ganz anderes: Mein Quetzalcoatl fängt mit jeder Lüge an zu wandern. Es wandert von unten nach oben.“ Ja mi hauts nieder, ich lüge doch nie. Ich hab der alten Schachtel in Los Angeles nur gesagt: „Ich gehe Zigaretten holen.“ Ich hab nicht gesagt, wann ich sie bringen werde. Verflucht, wie den auch? America ist groß. Mein Zauberstab auch. Der wird zusehendes größer und größer. Ein ausgewachsener Maiskolben ist nix dagegen. Teufel aber auch, mit jedem Unterrock den die süße Mirjam auszieht wächst mein Glied. Boy o Boy, was unter den vielen Röcken zum Vorschein kommt ist der blanke Wahnsinn. Eine schneeweiße Pumphose, mit zarten Rüschchen dran! „Please Mirjam, ich kann mich nicht länger bremsen, mach dich nackig, den Rest mach ich..!“ 

So ein Bett im Maisfeld ist was Feines. Dass ich ein feiner Kavalier bin, ist bekannt. Feinfühlig wie ein Feinmechaniker gehe ich zu Werke. Das soll mir erst einmal einer nachmachen, in solch einer Situation. Die Mirjam dankt es mir. In ihr erwacht die Gier: Birdy bleib in mir…“

Ach wie gerne wäre ich geblieben. Ich genieße ihre süße Muschi, ich sehe dass ihr die Augen fast aus dem Kopf quellen. Schade, dass ich hinten keine Augen habe. Himmel, Arsch und Wolkenbruch, Father Joseph der Patriarch, dreht völlig durch. Wie ein Dämon aus der Hölle steht der Wahnsinnige plötzlich hinter mir: „Runter von meiner Jungfrau you Sexgangster“ brüllt er, und zielt mit seinem Schießgewehr auf meinen Schnidelwutz: „Sauhund oberpfäzischer, was wolltest you mit dem Maiskolben sprich“ brüllt der Wüterich.

„Ich wollte nur Mirjam von ihrer Jungfräulichkeit befrei`n.“ 

„Das sollst you bitter bereu`n. Hell and Devil, I` spicke you mit Pulver und Schrot“ brüllt der Idiot.“

„O Gott, dann bin ich tot“ denke ich und wage eine Notlüge: „Nicht ich war es Joseph, es war der Heilige Geist!“

O leck, ich denk jetzt zerreißt`s den Wahnsinnigen. „Beim Quetzalcoatl, es wird verdammt brenzlig“ sage ich mir – und gebe Fersengeld.

Meine Hose liegt im Maisfeld, unweit vom Jungfernhäutchen der gebenedeiten Jungfrau. Ich kann auf solche Kleinigkeiten keine Rücksicht nehmen. Also lasse ich Hose und Häutchen liegen, und renne um mein Leben.





Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß - § 106 UrhG

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LESEPROBE


Emely und die Außerirdischen

 

Kinderbuch für Erwachsene

 

Hallo, ich heiße Emely. Ich bin fünf Jahre alt, aber die Leute sagen, ich sehe älter aus. Das freut mich. Alle Kinder freuen sich, wenn sie hören, dass sie älter aussehen. Dann dürfen sie länger aufbleiben und länger Fernsehn gucken. Ich gucke mir am liebsten so Sachen von den Außerirdischen an. Äliens, oder so ähnlich, heißen die lustigen Kerle von den anderen Planeten. Mein Papa heißt Memphis und ist auch ein lustiger Kerl. Früher war er ganz wo anders, sagt er, aber woher soll ich wissen, wo „ganz wo anders“ ist?

Meine Mama heißt Marion. Ist auch nicht weiter schlimm. Schlimm sind nur meine zwei großen Schwestern. Die nerven mich total. Immer wenn sie mit ihren blöden Boyfriends herumknutschen, soll ich mich ins Bett verkrümeln. Ich steh nicht auf verkrümeln. Ich will sehen was abgeht. Darf ich leider nicht. Also lege ich mich in mein Bett hinein, und träume von den Außerirdischen. Hey, die find` ich echt cool. Die haben Raumschiffe und UFO und Laserwaffen und so. Damit machst du alles platt. Sogar die Dinosaurier und den King-Kong.

 

„Ah bah“, sagt mein Papa, „der Gozilla war nur ein Film-Gorilla.“ Was mein Papa sagt, stimmt immer. Mein Papa kennt sich voll gut aus, auf diesem Planeten. Mama Marion kennt sich voll total in fremden Galaxien aus. Sie sagt, dass sie schon den Erzengel Gabriel gesehen hat. Wenn die Mama das sagt, dann glaube ich ihr. Die Mama lügt nicht. Ich auch nicht.

„Wer lügt, wird rot im Gesicht“ sagt meine Oma. Ich will nicht rot werden. Ich will nur die wahre Geschichte mit den Außerirdischen erzählen. Ehrlich, die geht so:

Mama Marion mag Blumen. Ich möchte der Mama einen schönen Blumenstrauß pflücken. Ich weiß, wo es die schönsten Margarinen oder Margueriten, oder wie die heißen, gibt. Die sind außen weiß und innen gelb. Unser Hund heißt Camilo. Den hat die Mama aus Mexico mitgebracht. Deshalb ist er ein Chiuahwawa. Zumindest sieht er so aus. Okay, besonders groß ist er nicht, aber das macht nix. Auf jeden Fall ist der Camilo ein prima Kerl. Fremde Fremdsprachen kennt er auch, der versteht sogar wenn man auf oberpfälzisch zu ihm sagt: Sitz, oder Platz oder solche Sachen. Ich sage zum Camilo immer Herr Camilo. Auf spanisch-mexicanich ist ein Herr ein „Don“. Das weiß ich schon und deswegen sage ich zu unserem Herrn Chiuahwawa immer „Don Camilo“. Das gefällt ihm ganz arg. Der Don Camilo liebt mich. Ich liebe ihn auch. Gibt nur einen einzigen Mann auf der Welt den ich mehr lieben tue und das ist mein Papa Memhpis. Der zweitliebste Mann auf der Welt ist mein Freund Maxl. Der ist echt cool. Intelliquent oder wie das heißt, ist er sowieso. Mit einem Dorfdeppen tät ich mich niemals nicht abgeben. Weil Maxl heute keine Zeit nicht hat, weil sein Vater Maximilian der wo unser Dorfschmied ist, ihn immer für niedere Arbeiten missbraucht, laufe ich mit Don Camilo alleine zur Dorfwiese hin. Don Camilo freut sich sehr. Er schwänzelt mit seinem Schwanz und tut ganz so, als wenn er ein großer Hund wär. Das gefällt mir. Ich bin stolz auf meinen Kampfhund. Mit ihm kann mir nie nix passieren. Der tät mich verteidigen gegen alles Böse auf der Welt. Deswegen laufe ich mit ihm ohne Angst zur Dorfwiese hin und pflücke die schönen Margarinen-Blumen für Mama Marion. Gleich hinter der Dorfwiese ist der Waldesrand. „Nanu etwa ein Waldbrand, oder was ist los? Überall Qualm und Rauch.

„Rauchen kann tödlich sein“ sagt der Herr Gesundheitsminister. Ja was jetzt hä? Soll ich nachsehen was da raucht, oder nicht? Papa Memphis sagt immer: Weiber sind von Natur aus neugierig.“ Ich bin kein Weib nicht. Bin nur ein Mädchen, aber ein bisschen neugierig bin ich. Deshalb lauf` ich mit Don Camilo zum Waldesrand hin. Herrje, ich traue meinen Augen nicht. Auf einem Baumstumpf sitzt ein kleines grünes Männlein. Sitzt da ziemlich jämmerlich, hält sich seinen großen Kopf und brabbelt unverständliches Zeug vor sich hin.

 

 

Armer Kerl, denke ich, und trete vorsichtig näher. Der kleine Jammerlappen guckt mich an wie ein Außerirdischer. Brabbelt irgendetwas von: Raumschiff abgestürzt, alles kaputt, Hydrocephalus weh tut.“

Don Camilo versteht kein Wort. Fletscht die Zähne, bellt wie ein Bluthund. Der kleine grüne Kerl scheint keine Angst vor Chiuahwawa nicht zu haben. Der zeigt mit seinen dünnen Fingerchen auf sich und Don Camilo und sagt „Hombre“. Mir scheint, das ist spanisch-mexicanisch und heißt so etwas wie „Freund.“ Auf jeden Fall benimmt sich Don Camilo plötzlich sehr freundlich. Der kleine grüne Kerl guckt mich so neugierig an, dass ich denke, er hat noch niemals ein Mädchen nicht gesehen. Ich habe aber auch noch nie nicht so einen merkwürdigen Menschen gesehen. Wenn ich es mir genau überlege dann denke ich: Wie ein Mensch sieht der Mensch nicht aus. Menschen sind viel größer. Zumindest wenn sie älter sind. Wenn sie ganz alt sind, werden sie wieder kleiner. Ist das nicht komisch? Erst kommen sie ganz klein auf die Welt, dann wachsen sie groß, dann wachsen sie wieder klein und werden kindisch.

Mama Marion sagt immer, ich darf niemals nicht mit fremde Männer mitgehen. Mache ich auch nicht. In seinem Unglück alleine sitzen lassen mag ich den Fremdling aber auch nicht. Denke nicht, dass er böse ist. Wenn er böse wäre, tät` Don Camilo nicht mit dem Schwanz wedeln. Der tät` ihn anfallen und arg zusammenbeissen. Scheint aber ganz so, als wenn der kleine grüne Kerl ein primal Kerl wäre. Ausschauen tut er echt komisch. Mann o Mann hat der einen großen Kopf. Den hält er sich, der arme Tropf, und jammert in einer Tour: Hätt` ich nur nicht soviel gesoffen, dann hätt` mich das Schicksal nicht so hart getroffen.“

Was ein Schicksal ist, weiß ich. Papa Memphis sagt immer sein Scheusal…äh sein Schicksal ist Mama Marion. Der kleine grüne Kerl mit dem großen Kopf und den traurigen Augen sagt zu mir: Hello Senjorita“. Wenn jetzt mein Freund Maxl da wäre, dann könnte ich verstehen was er meint. Maxl spricht nämlich fremde Fremdsprachen. Ich nicht. Ich sprech` nur oberpfälzisch. Das kommt daher, dass ich in der Oberpfalz wohnen tue. Manchmal verlaufen sich Fremde zu uns in die Oberpfalz und die sind ganz schön blöd. Behaupten, dass man uns nicht versteht, weil unsere Sprache klingt so als wie ein Hund bellt. Das ist aber Quatsch. Wir Oberpfälzer sind doch keine Hunde nicht. Obwohl…äh Moment, ich hab schon gehört, dass Papa Memphis gesagt hat, unser Landrat Armin Nennlicht ist ein blöder Hund. Der Gastwirt Gustl Rubenbauer ist ein dummer Hund, weil der immer beim Schafkopf verlieren tut, sagt Papa Memphis, und der Frisör Niedermaier ist ein Sauhund, weil er ihm die Haare vom Kopf heruntergeschnitten hat, so dass er jetzt aussieht wie der Kojak. Den Kojak kenn` ich. Das ist der mit der Glatze, der wo immer an seinem Lolli herumleckt. „Ja mi leckst am Orsch Niedermaier, kaum dass ich einmal besoffen in deinem Scheißdrecksfrisörstuhl drinn` sitzen tu`, rasierst du Sauhund du mißerabliger mir eine Glatze“ hat Papa Memphis geflucht.

Der Frisör Niedermaier hat versucht sich herauszureden aus der peinlichen Affaire: Memphis alter Freund und Kupferstecher, das erspart dir allerhand Geld für die nächsten Zeiten“ hat er gelallt. Da hat ihm der Papa eine mordsdrumm Watschn in sein Antlitz hineingehauen und hat gesagt: Das erspart dir den Zahnarzt Niedermeier und beim näxten Mal tret` ich dir in die Eier.“

Was Eier sind, weiß ich natürlich. Gibt Ostereier, gibt harte Eier, weiche Eier und Rühreier. Wenn Mama Marion sauer ist sagt sie: Memphis, du rührst mich zu Tränen, ess` jetzt deine Rühreier und schlaf deinen Rausch aus“. Das bringt mich zurück zu der momentanen Situation. Also, wie ich schon gesagt habe, der kleine grüne Saufkopf sitzt auf einem Baumstumpf und sieht gotterbärmlich aus. Wenn jemand gotterbärmlich aussieht, soll man ihm helfen. Da muss man eine gute Tat tun. Das weiß ich von meiner Oma und die weiß es von den Gebrüder Grimm. Die haben das Märchen „Sterntaler“ geschrieben. Das geht so:

„Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben. Es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen - und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen; und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand. Das hatte ihm ein mitleidiges Herz geschenkt. Es war aber gut und fromm. Und so von aller Welt verlassen, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: "Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig." Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: "Gott segne dir's", und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: "Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann." Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eines um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden: Da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben" - und zog das Hemd aus und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag…“

Ich möchte auch reich sein für mein Lebtag. Da könnt ich mir alles kaufen. Einen Mercedes Benz, ein Haus und sogar ein Schiff. Oder noch besser, ein Raumschiff. Mit dem könnte ich im Weltraum herumschiffen und nachgucken, was die Älien so alles treiben. Mama Marion hat gesagt: Emely, reich sein ist nicht alles. Sie hat schon mal einen reichen Maker gehabt. Das war ein Graf von Schnidelwutz. Der hat nur ihre Gutmütigkeit ausgenutzt. Hat ihr das blaue vom Himmel herunter versprochen und wie ihr Sparstrumpf leer war, hat er sich heimlich aus dem Staub hinaus gemacht.“

Donnerwetter, hinter den kleinen grünen Kerl mit dem großen Kopf und den traurigen Augen staubt es noch immer. Staubwolken steigen zum Himmel hinauf, Rauchwolken steigen zum Himmel hinauf, alles schaut arg chaotisch aus. Was chaotisch ist, weiß jedes Kind. Da nimmt zum Beispiel der Joschka Fischer einen Pflasterstein und wirft ihn auf einen Schandarm hinauf. Der Schandarm ärgert sich und sagt: Joschka du Chaot, bevor du alle Schandarmen tot machst, machen wir dich zum Bundesaußenminister.“ Das freut den Joschka Fischer. Der kauft sich gleich ein Paar Turnschuhe beim Turnvater Jahn und zieht einen aus Hanf gestrickten Pullover an und zieht in das Auswärtige Amt hinein und macht draußen im Ausland für Deutschland den Außenminister. Der kleine grüne Kerl der aussieht wie ein Außerirdischer weiß nicht, was ein Außenminister ist. Er jammert nur, dass ihm sein Kopf außerordentlich weh tut. „Nun gut Älien ich bringe dir eine Kopfwehtablette“ sage ich. Zum Chiuahwawa sage ich: Don Camilo mein Boddyguard, wir haben einen Auftrag. Wir müssen uns sputen. Also auf geht’s, wir laufen nachhause und erfüllen unsere Mission“.

Kaum zuhause angekommen, schimpft Mama Marion mich fürchterlich: Wo hast du dich wieder herumgetrieben kleines Luder?“ Papa Memphis schimpft mich nicht. Der glaubt mir, dass ich einen Außerirdischen gesehen habe. Meine doofen Schwestern glauben mir nicht. Wollen einfach nicht glauben, dass ich einen Außerirdischen gesehen habe. Mit eigenen Augen! Mir egal. Die zwei Schicksen sind halt einfach nur blöd. Das einig Gute an ihnen, sie müssen früh um acht Uhr aus dem Haus gehen. Ich nicht. Bin noch zu Jung für einen Job zu joben. Die doofe Melanie lernt einen Job als Frisörin beim Frisör Niedermeier. Papa Memphis hat gesagt, eine einzige Watschn war viel zu wenig für den Deppen. Am liebsten würde er jeden Tag hingehen und ihm eine hineinhauen in seine Visage. Mama Marion sagt ausnahmsweise einmal das Selbe. Normal sagt sie immer das Gegenteil von dem was Papa sagt. Weil aber dem Papa sein schöner Pferdeschwanz ganz traurig herumhängt, ist sie furchtbar sauer. „Memphis, du siehst aus wie ein Hanswurst. Oben kein Haar nicht auf dem Kopf, hinten dein blöder Schwanz“ schimpft sie. Papa Memphis schimpft zurück: Marion hast du schon mal einen Hanswursten… äh ein Pferd gesehen, das seinen Schwanz vorne hat, hä? Derwischen wenn ich den Figaro tu` bringe ich ihn um.“

„Um Gottes Willen, man darf niemand nicht umbringen“ jammert die Oma.

 „Rutscht mir den Buckel herunter ihr blöden Weiber, den Ficker …äh den Figaro mach ich fertig. Der Depp nennt sich Frisör, ja da guckt doch her, wie ich ausschaue“ schimpft Papa Memphis. So kenn` ich meinen Papa gar nicht. Normalerweise schimpft er nie nicht. Normalerweise ist er arg geduldig. Sagt meistens ja und Amen. Denkt sich wahrscheinlich, rutscht mir doch den Buckel hinunter ihr blöden Weiber. Seit ihm der doofe Niedermeier so eine Scheißfrisur gemacht hat, ist sein Nervenkostüm arg dünn. Zu mir ist er freundlich wie immer. Ich krieg vom Papa alles und sagen kann ich auch alles. Deswegen sage ich: Papa du schaust echt beschissen aus, mit der Frisur.“

Papa Memphis guckt in den Spiegel hinein, und sagt: Emely mein Schatz, du hast Recht. So schlecht, …äh so blöd hab ich noch nie nicht ausgeschaut. Ich denk der Niedermeier gehört auf die Schnauze gehaut“.

„Um Gottes Willen Mempherl mein Bub, mach dich nicht unglücklich“ jammert die Oma. Was die Oma jammert ist dem Papa wurscht. Der sagt: Oma geh auf den Friedhof hinaus und jammere am Grab vom Opa. Den hast mit deinem Gejammer schon unter die Erde gebracht“.

„Red nicht so gschert daher Mempherl, den Opa, Gott hab ihn selig, hat der Teufel Alkohol geholt. Wenn er nicht so viel gesoffen hätte, dann täte er noch unter uns sein“.

„Ja da siehst du mal Oma, wie schlau der Opa war. Der hat das Kreuz mit euch Weibsbilder nicht mehr ertragen. Der hat sich vom Acker gemacht. Hat bestimmt gedacht ohne Alkohol ist das Leben beschisssen und mit einem zänkischen Weib schon gleich zweimal“.

„Gott o Gott Mempherl mein Bub, wie redest du über den Opa, Gott hab ihn selig“.

„Ich red` wie mir der Schnabel gewachsen ist“ sagt Papa Memphis, „und außerdem, den Niedermaier diesen größten Deppen der Oberpfalz dreh ich den Hals um“. Zu mir sagt Papa Memphis: Emely mein Schatz, deinen Freund Max brauchst` nicht suchen. Den hab ich vorhin schon mit seinem Schulranzen gesehen. Der gefällt mir der Bub. Immer wenn er mich sieht grüßt er freundlich: „Grüß Gott Herr Memphis, wie geht`s Ihnen heute?“

„Ich sag` gut geht’s mir Maxl und dir?“ Der Maxl sagt ihm geht’s sehr gut, weil er viel in der Schule drin lernen tut. Sein Zeugnis ist das Beste von der ganzen Klasse, sagt er und das macht seinen Vater unheimlich stolz und seine Mutter auch.“

„Nächstes Jahr komme ich auch in die Schule hinein Papa, aber Lust dazu habe ich keine. Mir wäre es lieber, wenn ich zuhause bleiben und Fernseh-gucken dürfte. Da könnte ich die Filme von den Älien angucken und von die Extra-Territorialen und Kampf der Sterne und Raumschiff Enterprise und Mister Spock und Cäptn Kirk und dem Kirk Douglas sein Sohn Meikel gefällt mir auch gut, aber der Maxl gefällt mir besser…“

„Emely Schatzi du hast eine blühende Phantasie – und ich hab kein Haar mehr auf dem Kopf. Ich sag`dir, den Frisör Niedermaier bring ich um, aber lass das nicht die Oma und die Mama hören, sonst fallen sie abwechselnd in Ohnmacht.“

„Ich verrate nix Papa, darf ich zuschauen, wenn du den Niedermeier nieder machst?“

„Geht leider nicht Emely. Es darf keine Zeugen nicht geben.“

Was ein Zeuge ist weiß ich. Die Frau Knieriemen hat nämlich gesagt, dass ihr Alter zeugungsunfähig ist. Das habe ich heimlich erlauscht. Papa Memphis sagt immer: Oma, wenn die Zeugen vom Jehova kommen, dann sagst du einfach, du bist nicht da“. Mama Marion sagt, sie kann bezeugen, dass sie den Erzengel Gabriel schon leibhaftig gesehen hat. Meine doofe Schwester Rosalie sagt, dass sie der Leibhaftige verführt hat. Wer der Leibhaftige ist, weiß ich. Das ist der Teufel. Der hat einen Schwanz, so was kann man sich gar nicht vorstellen. Außerdem stinkt er höllisch. Nicht der Schwanz, sondern der ganze Teufel. Papa Memphis sagt: Emy` Schatzi, wir gehen zum Kolonialwarenladen von der Frau Knieriemen hin und kaufen eine Kopfbedeckung, weil sonst lachen die Dorfdeppen über mich.“

Die Frau Kolonialwarenhändlerin Knieriemen ist sehr freundlich: Habe die Ehre Herr Memphis, ja grüß dich Gott Emely“ sagt sie. Papa Memphis grüßt rückwärts zurück: Habe auch die Ehre Frau Riemenschneiderin…äh Frau Knieriemen, ich hätte gern einen Hut zum verhüten.“

„Gott bewahre, wir sind ein anständiges Kaufhaus Herr Memphis. Wenn Sie Pariser käuflich erwerben möchten, müssen sie zur Beate Use gehen.“

Ich hab Null Ahnung wer die Beate Use ist. Gute Ohren hab` ich aber. „Das ist die alte Schlampe, die es mit Neger treiben tut“ flüstert die Frau Knieriemen heimlich meinem Papa ins Ohr hinein.

„Mi leckst am Orsch mit der alten Kuh“ flüstert der Papa zurück: „Was ich brauchen tu` ist kein Verhüterli, sondern ein Hut.“

„Jesses, Jesses, so ein Pech Herr Memphis. Einen Hut in Ihrer Größe hab`ich leider nicht, aber eine schöne Zipfelmütze könnt ich Ihnen empfehlen?“

„Leck mi am Orsch Frau Knieriemen, ich brauch nix für meinen Zipfel, ich brauch was für meinen Kopf“ zürnt Papa Memphis.

Endergebnis: Papa Memphis bleibt unbehütet.

Kaum, dass wir wieder zuhause sind, stibitze ich eine Packung Spalt-Tabletten aus der Mama ihrer Hausapotheke, nehme den Don Camilo an die Leine und schleiche mich heimlich fort. Wohin ich mich schleiche ahnt der brave Chiuahwawa. Wenn er reden könnte würde er bestimmt sagen: Keine Angst Emely, ich beschütze dich vor den Außerirdischen.“

Deswegen schleiche ich ohne Sorge zum Absturzort vom UFO hin. Drumherum raucht immer noch alles, so wie in Sodom und Gomorra, da wo Feuer und Schwefel vom Himmel herunter gefallen ist, weil die Menschen so böse waren. Den außerirdischen Älien scheint es auch böse erwischt zu haben. Der arme Kerl ist immer noch völlig groggy. Sitzt wie ein Häufchen Elend auf seinem Baumstumpf und lallt: Caramba bin ich arme Sau heut` wieder blau.“

Mit Farben kenn ich mich voll total gut aus. „Rot ist die Liebe“, sagt meine doofe Schwester Melanie. „Blau ist die Hoffnung“ sagt meine doofe Schwester Rosalie, und hofft, dass sie nicht guter Hoffnung ist: Hoffentlich ist der Gummi nicht geplatzt.“

Mit Gummi und so, kenn ich mich gut aus. Es gibt Kaugummi, Bremsgummi, Radiergummi und Gummibärchen. Am besten schmecken die vom Thomas Gottschalk. Das sind echte Haribo Goldbären. Gegen die kann die goldene Stimme Karel Gott nicht anstinken. Seine doofen Lieder mag ich so wieso nicht. Ist mir zu kindisch: „Und diese Biene die heißt Maja.“ Papa Memphis sagt der Gott hat ein Rad ab. Mama Marion fragt: Welcher? der Shiwa, oder der Krishna, oder der Rama?“

„Papperlapapp“ sagt der Papa. Er glaubt nur an Buddha. Die 330 Millionen Hindu-Götter interessieren ihn nicht: Stell dir vor Emely, ich müsste zu jedem einzelnen Hindu-Gott „Grüß Gott“ sagen, ha, ha, ha, da wäre ich ja als Urgroßvater noch nicht fertig.“

„Memphis, du bist doch jetzt schon fertig. Hast wieder zu tief in den Bierkrug hinein-geblickt?“ fragt die Mama.

Papa Memphis sagt, das stimmt nicht. Er hat heute nur Vino getrunken, und im Vino liegt der Veritas. Kenn ich nicht den Veritas. Kenne nur den Adidas. Das ist der Schuhmacher von der Deutschen Fußball-National-Mannschaft. Fußball interessiert mich wenig. Ist doch blöd-sinnig: Zweiundzwanzig Schienbeintreter kämpfen um einen Ball. Der war früher rechteckig. Ist erst rund, seit der Sepp Herberger gesagt hat: der Ball ist rund!“ Muss ein heller Kopf gewesen sein, der Herr Herberger. Hat ganz genau gewusst: ein Spiel dauert 90 Minuten!“ „Gut, dass die Ungarn das nicht gewusst haben, anno 1954 in Bern“, sagt Papa Pemphis. „Die dummen Ungarn haben gedacht, das Spiel dauert nur 83 Minuten. Der Helmut Rahn hat ihre Dummheit ausgenutz, hat in der 84. Minute das Tor zum 3:2 geschossen und so sind wir Weltmeister geworden. Das war ein Traumspiel“ sagt Papa Memphis.

„Das Vorspiel ist immer viel zu kurz“ flüstern meine doofen Schwestern, aber ich habe Ohren wie ein Luchs. Papa sagt ich bin ein Schlaufuchs, Mama sagt, ich soll nicht so viele Märchen erzählen. Finde ich unfair. Meine Märchen sind wahr.

Glaubt es mir Leute. Die wahre Geschichte mit dem Außerirdischen geht so weiter: Ich und Don Camilo laufen zum Maxl hin. Der ist leider nicht zuhause, weil er in der Schule ist. Mist elendiger, denke ich, aber es nützt nix. Muss ich halt mit Don Camilo alleine zu der Unfallstelle hingehen. Manchmal denke ich, wie das blos weitergehen soll mit dem Maxl und mir? Ist zwar einerseits ganz schön, dass er so ein Streber ist, und so viel lernen tut, aber mir wär` lieber, wenn er mehr Zeit für mich hätte. Naja, das krieg ich schon noch hin, wenn wir erst einmal verheiratet sind. In ein paar Monaten sieht die Sache sowieso ganz anders aus. Da werde ich nämlich sechs. „Mit sechs kann man schon einen Muselmann heiraten“ hat Mama Marion zum Papa Memphis gesagt. Ich hab´s genau gehört. Das war damals, wo sie erzählt hat, dass der Erzengel Gabriel sie erleuchtet hat. Papa Memphis hat gesagt: Marion der Erzengel Gabriel hat schon den Prophet Mohammed erleuchtet. Hat ihm eingeredet, dass er einen ganzen Harem heiraten darf. Der Prophet Mohammed war begeistert. Hat alles geschnackselt zwischen Mekka und Medina was zu schnackseln war. Sogar die kleine ."عائشة بنت أَبي بكر

„Hä, was ist los Memphis, über wen sprichst du?“

„Über den Prophet Mohammed und seine Lieblingsfrau Aischa bint Abi Bakr. Die hat er geheiratet, als sie sechs Jahre alt war!“

 

Alles klar, hab ich mir gedacht und dem Maxl schöne Augen gemacht. Seither sind wir intim. Der Maxl darf meine Hand halten und wenn`s niemand sieht, darf er mich küssen. Küssen kann er gut, der Maxl. Er macht dabei die Augen zu, ich mach dabei die Augen zu. Ich sag euch Mädls, das ist einfach himmlisch, wenn einem der Liebhaber auf die Wange hinauf küssen tut. Meine doofen Schwestern begreifen das nicht. Die stecken ihren Boyfriends die Zunge in den Hals und meinen das wäre geküsst. Darüber kann ich doch nur lachen.

Mein abgestürzter Älien hat nix zu lachen. Der hockt arg armselig in der Botanik. Das bringt mich auf die Geschichte von den Sterntalern zurück: Man muss armen Menschen helfen. Dann wird man reich und glücklich. Ob der kleine grüne Kerl ein Mensch ist, bezweifle ich. Macht aber auch nix. Man muss auch zu Außerirdischen gut sein. Deshalb gebe ich dem kleinen Kerl mit dem großen Kopf, eine Kopfwehtablette. Er verlangt nach mehr. Ich gebe ihm alle. Er schluckt sie wie nix. Meine doofen Schwestern schlucken Anti-Baby-Pillen. Was Anti-Baby Pillen sind, weiß ich. Die hat der Papst verboten. Der Außerirdische sagt, er kennt keinen Papst nicht. Weiß nicht, dass der Papst der Pontifex Maximus ist. Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Ich weiß nur, dass der Papst unser Heiliger Vater ist. Wenn er nicht im Petersdom in Rom herumzelebriert, fährt er mit seinem Papamobil spazieren. Weil er dem lieben Gott sein Stellvertreter ist, fliegt er überall hin und segnet die die Leute. Unser Herr Pfarrer ist dem Papst sein Lehrling. Der darf auch schon Leute segnen. Wenn kleine Kinder getauft werden, oder wenn Verliebte heiraten, oder wenn alte Leute sterben, dann segnet sie der Herr Pfarrer im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Kenne ich alles. Ich weiß, was ein Vater ist. Dem Maxl sein Vater ist der Dorfschmied Maximilian. Der Maxl ist ein Sohn. Was ein Geist ist weiß ich auch schon. Geister sind unsichtbar, aber geben tut es sie trotzdem. Älien sind meistens auch unsichtbar. Meiner nicht. Der sitzt da und hat ein Fläschchen Wodka bei sich. Hab` keine Ahnung was das ist. Sieht aus wie Weihwasser. Das kenn ich, weil die Oma sehr katholisch ist. Die Oma tippelt jeden Tag zum Friedhof hinaus und schüttet ein Fläschchen Weihwasser auf den Opa sein Grab hinauf.

„Oma, glaubst du der Opa macht es wie der Lazarus, steht auf, nimmt seine Bahre und geht?“ 

„Unsinn Emely. Dein Opa ist im Himmel, Gott hab ihn selig.“

„Der Karel Gott?“

„Unsinn Emely, der Karel Gott ist Tscheche.“

„Verstehe Oma, du meinst den Karol Wojtyla?“

„Unsinn Emely, der Wojtyla ist Pole…äh, ich meine er ist ein Pole gewesen, bevor er unser Heiliger Vater geworden ist.“

„Papa Memphis sagt aber ihm haben die vermaledeiten Polen das Auto gestohlen. Deshalb soll sie der Teufel holen.“

„Unsinn Emely. Es gibt auch brave Polen. Die stechen mit Messer nicht sich und Andere, sondern den Spargel.“

Spargel interessiert mich wenig. „Spargel entwässert“, sagt die Oma und setzt sich ins Gebüsch. Ich setze mich hurtig in Bewegung. Laufe dorthin, wo ich gestern den Älien getroffen habe. Gott sei Dank, er ist noch da. Sitzt da auf seinem Baumstumpf und sieht arg traurig aus. Kann ich verstehen. Der E.T. war auch arg traurig. Der hat immer gesagt, er will nachhause telefonieren. Okay, wenn mein Bruchpilot nachhause telefonieren will, leiht mir Papa Memphis bestimmt sein Händy. Zuerst will ich aber wissen, wo der Älien herkommt und warum es ihn so fürchterlich in die Botanik hineingebrezt hat.

„Wenn man etwas wissen will, muss man diplomatisch vorgehen“, sagt die Mama immer. Ich gehe diplomatisch vor: „Grüß Gott Herr Außerirdischer, wie heißt du, wo kommst du her, warum bist du so grün und warum hast du so einen Knallkopf aufsitzen?“

Der Außerirdische guckt traurig. Sagt, er wäre nicht grün, sondern blau, und sein großer Kopf sei ein angeborener Hydrocephalus.
„Also jetzt Mal langsam Älien, ganz langsam. Ich sehe zwar älter aus, aber ich bin erst fünf Jahre alt. Latein werde ich lernen, sobald ich auf der Höheren-Töchter-Schule bin. Bis dahin könntest du mir erklärt haben, was ein Hydrodingsda ist?“.
„Ein Hydrocephalus ist ein Wasserkopf“ sagt der arme Tropf.
„Verstehe. Wer zuviel Wasser trinkt, kriegt einen Wasserkopf.“
„Kann man so nicht sagen, hicks, weil Wodka heißt Wasser des Lebens.“ 
„Sorry Älien, aber du siehst ziemlich leblos aus.“
Der ziemlich Leblose erwacht zum Leben. Fasst sich an seinen Hydrocephalus und lallt: Mir ist kalt, bräuchte dringend etwas zum aufwärmen.“
„Okay, ich kann dir eine Wärmflasche bringen.“
Wodkaflasche wäre ihm lieber, sagt der Älien. Wodka hab` ich nicht. Könnte höchstens der Oma ihr Weihwasserfläschchen bringen? Der Außerirdische steht nicht auf Weihwasser. Sagt in seinem UFO wäre noch genug Sprit. Was Sprit ist weiß ich, weil Papa Memphis jeden Tag auf die Spritpreise schimpft. Dass man Sprit auch trinken kann, hab` ich nicht gewusst. Dass es UFO und Außerirdische gibt, hab` ich schon immer gewusst. Hat mir nur Niemand geglaubt. Außer mein Papa. Der war schon voll dabei, wie ein UFO gelandet ist. Die Mama sagt, das hätte er nur im Vollrausch gesehen. Ist ja Quatsch. Mein Papa lügt doch nicht. Außerirdische gibt`s wirklich. Meiner heißt Big Mäc, sagt er.
„Hey, Moment Älien, willst mich verarschen hä? Willst mir weismachen du kommst vom Planet Melmäc, bist ein Kumpel vom Alf hä?“
„Extra-Terrestriale lügen nicht. Lügen tun nur die Erdlinge“ behauptet der Big Mäc. Ich weiß was ein Extra-Terrorist ist. Der führt im Namen vom Allah einen Djihad, und sprengt sich selber in die Luft. Manchmal fliegt er auch mit einem Flieger in einen Wolkenkratzer hinein, oder in zwei. Der Big Mäc sagt, ein echter Extra-Terrestialer macht so etwas Schlimmes nicht. Außerirdische sind friedlich, sagt er. Wie ein Lügner sieht der Big Mäc nicht aus. Was „Big“ ist, weiß ich. Wenn der Papa im Wirtshaus eine Runde schmeißt, dann sagt die Mama: Aha, heut` spielt er wieder den Big Boss.“ Ob die Außerirdischen auch Runden schmeißen, weiß ich nicht. Werd` ich schon noch rauskriegen. Muss halt diplomatisch vorgehen. Also frage ich diplomatisch: Hey Big Mäc, gibt`s bei Euch auch Wirtshäuser und zänkische Weiber und so?“
 

Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß - § 106 UrhG

AUCH AUSZUGSWEISE - VERBOTEN -
Wie es dazu kam, dass der Wunsch nach Beweis und Begründung den Mythos verdrängte und das Erdichtete, Erfundene abwertete, das ist eine Geschichte, die erzählt werden will. Schließlich ist es mehr als fraglich, ob die „Kunst der vernünftigen Rede“, das abendländische, rationale Denken, heute wirklich dazu geeignet ist, unsere komplexe Welt in ihrer Gänze zu begreifen und zu beschreiben. Oder ist die Macht des Mythos längst wieder allgegenwärtig?
Bislang erschienene Geschichtsbücher von Ted Kammerer:

 "Der Waffenschmied des Papstes"

"Aschbach, Geschichte und Geschichten aus dem Steigerwald"

"Deutsche in Amerika"

"Taupenas - eine deutsch/französische Familie"

"Die Nacht in der die Kosaken kamen"
Leseprobe

"Der Waffenschmied des Papstes"

"Franz Kupferschmied ist hart wie Krupp-Stahl. Anders geht’s gar nicht, wenn man mit 19 Geschwistern in einem Armenhäuschen aufwächst. Vater Andreas war Kupferschmied, Feuerwehrhauptmann, Gemeinderat, Kirchenmessner und Alkoholiker. Sohn Franz macht es besser. Aus ihm wird ein Goldschmied -und schließlich der "Waffenschmied des Papstes" … 

Überlebenskünstler


Ganz Aschbi, Hohn und Wüstenbuch hat sich nach dem 30jährigen Krieg aus Überlebenskünstlern entwickelt. Eine Region, die so von Kriegswirren heimgesucht wurde, wie unser Dreifrankeneck, bringt immer wieder neue Überlebenskünstler hervor. Zu den einfallreichsten zählten die Gebrüder „Kupferschmied.“ Die hießen eigentlich anders, aber in Aschbi gilt der Hausname seit jeher mehr als irgendein schnöder Familienname. Das Familienoberhaupt wurde Andreas genannt und war Vorstand der Freiwilligen Feuerwehr, Gemeinderat und Spenglermeister. Der wusste wie man die bösen Geister vertreiben kann. Sei es bei seinen häufigen Löscheinsätzen im Wirtshaus, oder gar zuhause im ehelichen Schlafzimmer. In diesem muss der agile Spenglermeister wahre Meisterleistungen vollbracht haben. Oder lag es an der alttestamentarischen Fruchtbarkeit seiner Kättl?

Wie auch immer es gewesen sein mag, sein zerbrechliches Weibchen beschenkte ihn mit 20 Kindern. Ist das etwa nix hä? Doch Freunde, das ist schon etwas, erst recht dann, wenn man sich das spektakuläre Anwesen des emsigen Spenglermeisters vorstellt. Das befand sich in der „Federwisch-Gass’“ und war exakt so groß wie zwei PKW Garagen. Diese stehen heutzutage an selbiger Stelle. An ihrer Giebelwand hat der neue Besitzer das alte Handwerkszeichen des potenten Spenglermeisters angebracht und auf dem steht geschrieben: „Gott schütze das ehrbare Handwerk.“ Mit etwas mehr Handwerk wären es vielleicht weniger Kinder geworden - aber der Meister liebte halt nun Mal den Coitus. Deshalb war er der Aschbacher Rekordhalter in der Produktion von arischen Buben und Mädels. Wie es aber der Teufel so will, waren die meisten seiner Sprösslinge mehr pazifistisch orientiert. Der einzig fanatisch-kriegerische Vaterlands-Verteidiger war sein Fränzla. Der ist unter diesem Namen in den Krieg gezogen und mit seinem Kampfnamen „Häckl“ zurückgekommen. Die übrigen Buben wollten vom Front-Geschehen eher weniger wissen. Am wenigsten wohl der August. Der hatte das ehrbare Handwerk eines Schusters erlernt - aber das half ihm nix. Fast nix, denn Schuster kann man auch beim Militär gebrauchen. Nicht aber den August. Der wurde nämlich schon im September 1940 wieder heimgeschickt. Nicht weil er schlecht die Knobelbecher geflickt hätte - sondern weil er „Heimwehkrank“ war. So etwas ist heutzutage kaum vorstellbar, aber es ist wahr Freunde. Der August war dermaßen mit seinem geliebten Heimatort verwachsen, dass selbst die Wehrmacht kapitulieren musste. Deshalb schickte der entnervte Stabsarzt den August wieder heim in sein geliebtes Aschbi und siehe da, ein Wunder geschah. Der sterbenskranke August konnte wieder lachen, hüpfen und springen, Handstand auf dem Wirtshaustisch machen und so manches Krüglein leeren. Auf ähnlich mystische Weise gesundeten auch seine Brüder Balthasar - genannt Balser - und Christoph - genannt Stoffl.

Bei Letztgenannten hielt die Gesundheitsphase allerdings nur wenige Monate an, dann war er dran. Besser gesagt drin im KZ Dachau. Dort war nämlich nicht nur Platz für Juden, sondern auch für „Volksschädlinge.“ Einer davon soll der Stoffl gewesen sein, weil er einem SA-Mann gesagt hat, er sei ein Schwein. Daraufhin sperrte man den Stoffel ein, aber vorher hat er sich mit seinen Brüdern Balser und Butt ordentlich den Bauch vollgeschlagen: „Ja wie denn, wann denn wo denn?“ könnte man nun fragen – und hier kommt schon die Antwort Freunde und die geht so: Die drei „Däfetisten“ wollten keine Kanonen statt Butter und kein Schweinefutter statt Schweinefleisch. Deshalb klopften und hämmerten sie Tag und Nacht in ihrer Zwergenwerkstatt herum und fertigten Dinge die jeder Haushalt brauchte: Wärmflaschen, Gießkannen, Pfannen, Schüsseln und Töpfe. Wer sich einen neuen Topf aus Weißblech oder „Flugzeug-Aluminium“ nicht leisten konnte, brachte sein altes Stück einfach „zum Löten.“ Wer sich keine Gießkanne leisten konnte war noch beschissener dran, denn wie sollte dann sein Gartengemüse wachsen? Na schön, manche Leute schöpften auch mit ihren Wassereimern das begehrte Nass aus dem Kümmelbach, aber auch Wassereimer sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Milcheimer auch nicht. Die Milchkannen schon eher, denn die waren aus stabilem Aluminium getrieben. Wenn sie schön voll waren, dann musste man sie zum „Milchbänkla“ bringen. Der Rest war dann Sache vom Milch-Klein. Der spannte seine Gäulchen ein und transportierte die wertvolle Fracht nach Schlüsselfeld. Von dort aus wanderte die edle Flüssigkeit in die Verteilerstelle und kam per Lebensmittelkarte zu je 0,10 Tages-Liter pro Kopf wieder unters Volk. Ja Heiland Sakra, die Gebrüder Kupferschmied, respektive deren Eltern konnten sich nichteinmal eine Kuh leisten. Dafür aber zwei Ziegen – und die waren nicht Milch-abgabepflichtig. Dem Moses seine auch nicht – solange der noch mit Ziegen gehandelt hatte. Dem sein kurioses Handelsgeschäft stand damals genau dort, wo heute das prächtige Cafe des Konditormeister Ludwig Dorbert steht. Besser gesagt, dem Lubbi sein Prachtbau erhebt sich auf den Grundmauern mehrer Gebäude. Da wäre als erstes zu nennen, ein ziemlich altersschwaches und ziemlich fensterloses Feldsteinhäuschen zur Linken, also zum Privatier Kohn hin. In dieser Hütte hausten drei Familien: Links unten der August-Butt, seines Zeichens Heimwehkranker, Schuhmacher und Schluckspecht. Der hatte vier Kinder zu ernähren. Das Ernstla hatte ihm seine Kättl aus Ziegelsambach als ledigen Bangert mitgebracht. Dem August seine Mutter heißt Käthi, seine Frau heißt Käthi, deshalb nennt er seine Tochter Käthchen. Auf das Käthchen folgt es Fränzla, und Dann es Ludwigla. Es Ludwigla ist so kla` dass es in einen Maßkrug passt, seine Eltern sind nicht sonderlich groß, sein Großeltern auch nicht, und sämtliche Onkeln und Tanten auch nicht. Das Kupferschmiedsstammhaus in der Federwischgass sieht aus wie ein Hexenhäusla, der Herr Kupferschmied senjor und seine Söhne sehen meistens alles doppelt, weil sie geniale Schluckspechte sind. Kaum, dass der August Witwer ist, verliebt er sich in eine russische Erntehelferin. Die verspürt keine Lust mehr heimzukehren in die Taiga: „Ja bleib doch da Katinka, bei mich geht es dich gut“ versprach der Butt – und was der versprochen hat, hat er auch gehalten. Die Katinka durfte ihren geliebten Wodka aus dem Maßkrügla schlürfen, und ihr Heimwehkranker der knallte sowieso alles weg. Nicht in Russland mit dem Schießgewehr in der Hand, sondern an der Heimatfront in Aschbi. Also ehrlich Freunde, so wie der August sich die Birne vollgeknallt hat, das war schon weltmeisterlich. Seine Brüder Ba-ba-balthaser und Stoffel waren aber nicht weniger trinkfreudig. Diese drei Giganten aus der Federwisch-Gass` haben vom Federweißen bis hin zum Brennspiritus alles vernichtet was flüssig war. Außer Weihwasser versteht sich. Die Sache mit dem geweihten Wässerchen war nämlich die ausschließliche Donäne vom August. Der hat genau gewusst, wie man kostenlos zu dem begehrten Nass kommt. Da muß man nämlich nicht erst bis Lourdes oder Sankt Jacob de Compostella: „Ah pah, so a geweihtes Wässerla gibt’s bei uns a. Da nimmst a 10 Liter Amerla, und gehst in die katholische Kirch rein, und da is a doch rechter Hand die schöna klana Beichtkapelln. Dort wird zwar nicht gebeichtet, aber da steht ein großer Kupferkessel mit jeder Menge geweihtem Wasser drinn.“ Das haben die Ministranten zum August seiner Glanzzeit häufig nachfüllen müssen, denn wie gesagt, der Weihwasser-Liebhaber hat fast täglich 10 Liter abgeschöpft. Ja ja Freunde, 10 Liter Wasser wiegen bekanntlich 10 Kilogrammer, und wenn es sich um geweihtes Wasser handelt, dann vervielfacht sich das Gewicht. Die vielen Heiligen die sich unsichtbar in so einem Wassereimer verstecken sind ja nicht völlig schwerelos. Deshalb ist der August täglich schweren Schrittes mit etwa einem Liter Wodka in der Birne und zehn Liter geweihten Wassers im Eimer, den weiten Weg hinaus zum Friedhof gewandert. Wenn die Verstorbenen könnten, hätten sie ihm dafür sicherlich unaufhörlich applaudiert. Nachdem der unermüdliche Weihwasserträger sich mittlerweile aber auch schon zu ihnen gesellt hat, darf man annehmen, dass der August im Himmel auf einem Ehrenplatz Halleluja singen darf. Solange er noch auf Erden weilte, hat der brave Mann alles getan, um die Toten glücklich zu machen. Oder sagen wir so: Er hat alles dafür getan, um sie nicht verdursten zu lassen. Damit aber auch er nach seinem Ableben keinen Durst leiden muß, hat der August einen genialen Plan entworfen nämlich: Er baut sich eine solide Gruft, und die muß zweierlei beinhalten. Erstens eine Pipeline von der Schlossbrauerei her, und zweitens eine kleine Leiter. Die braucht er am Jüngsten Tag, damit er schnell aus seinem Luxusgrab herausklettern kann.

Mein lieber Mann, also der August-Butt war wirklich ein Original. Und ob man es glaubt oder nicht, er hat seine Gruft tatsächlich gebaut. Die Sache mit der Pipeline hat leider nicht planmäßig funktioniert, weil doch die Schlossbrauerei schneller ruiniert war, als gedacht. Dieses Kunststück hat der legendäre Becks-Luft fertiggebracht, aber der gehört jetzt nicht hierher. Bleiben wir vielmehr bei unserem August, dem größten Weihwasserträger aller Zeiten. Der Durchschnitts-Christ besucht bekanntlich von Zeit zu Zeit mal das Grab seiner lieben Verstorbenen und sprengt aus einem kleinen Taschenfläschlein ein paar Tropfen Weihwasser über die Blumen. Unser August hingegen war ein echter Weihwasser-Profi. Der hat sich einen ähnlich voluminösen Pinsel zugelegt, wie ihn die Pfarrer benutzen, wenn sie Haus und Vieh „weihen.“ So etwas ist immer prächtig anzusehen, und einem geweihten Objekt kann selbstverständlich niemals etwas Schlimmes geschehen. Deswegen weihen unsere kirchlichen Herren seit 2.000 Jahren alles was ihnen vor den Weihwasser-Pinsel kommt: Kriegswaffen, Kriegsschiffe, Panzer und Kanonen. Granaten, Schießgewehre und Patronen. Häuser, Scheunen, Viehställe, Feld und Flur. Das Dumme dabei ist nur, dass der Teufel noch weitaus gerissener ist, als unsere Kleriker. Kein Wunder, denn er ist ja ihre eigene Erfindung. Und erfindungsreich wie der Teufel der elendige ist, sorgt er dafür, dass die sorgsam geweihten Sachen häufig im Rachen der Hölle verschwinden.

„Dagegen müssen wir neue Wunderwaffen erfinden“ sagen sich unsere erfindungsreichen Bischöfe und Priester, und deshalb weihen sie auf Teufel komm raus, alles was man mit Weihwasser bespritzen kann. Das fängt schon bei der Kindstaufe an, weil da wird die teuere Tauf-Kerze geweiht. Dann die Kommunion-Kerze, die Hochzeits-Kerze, und letztendlich die Sterbe-Kerze. Zwischen Wiege und Bahre bleibt naturgemäß viel Zeit und Gelegenheit unzählige andere Objekte mit dem kirchlichen Weihesegen zu versehen: Kirchenglocken und Viehställe, Rosenkränze, Gebetbücher, und Fahnentücher, Kanonenrohre, Autos und Motorräder, Motorroller, Rock `n Roller, Rollstuhlfahrer, Zirkusartisten, Rennpisten – nur keine Kommunisten. Die sind für die christliche Weihe nicht vorgesehen. Ansonsten aber kannst du dem Pfarrer anbieten was immer du möchtest, er segnet und weiht es. Die reichen Bauern lassen ihre schweren Ackergäule segnen, die „Hells Angels“ ihre schweren Herley Davidson`s, die schweren Jungs ihre Gefängniszellen, die leichten Mädchen ihre Handtäschchen, und die Soldaten ihre Fahnen, die Jäger ihr Schießgewehr, die Feuerwehr ihr Löschgerät, die Handwerkszünfte ihr ehrbares Handwerk, die Vereine ihre Vereinsfahnen, und unsere Ahnen haben sich für teueres Geld den päpstlichen Segen beim Ablasshändler Tetzel bestellt. Die alten Rittersleute haben für den kirchlichen Segen ganze Rittergüter dahin gegeben, und wenn schließlich das bischöfliche Heer gegen andere Krieger gekämpft hat, dann hat doch glatt immer die Truppe gesiegt, die das meiste Weihwasser abgekriegt hat. Das zeigt uns eindeutig, dass in dem geweihten Wasser tatsächlich geheime Kräfte verborgen sind. In unserer Kinderzeit war dieser Glaube noch viel tiefer verwurzelt, und deshalb durfte das Weihwasser in keinem katholischen Haus jemals ausgehen. Deswegen sind wir Pimpfe immer zum Nachtanken geschickt worden. Vernünftigerweise nur mit 1-Liter Flaschen, und das war auch ganz interessant, denn das Auffüllen will auch gekonnt sein. Hält man nämlich das Fläschlein einfach so mir nix, dir nix in den großen Weihwasser-Kessel hinein, dann sind die Heiligen beleidigt. Mit anderen Worten, sie streiken einfach. Deswegen ist es ratsam, erst einmal mehrere Kniebeugen zu machen, danach das Fläschlein schräg anzusetzen, und sofort bedanken sich die Heiligen mit fröhlich gluckernden Luftblasen. Sobald diese himmlischen Blasen ausgeblasen haben, ist der Tankvorgang abgeschlossen. Danach gilt es nur noch mit einem „Ave Maria“ und zwei „Gelobt sei Jesus Christus“ und drei Kniebeugen die Tankrechnung zu bezahlen, und schon kann der häusliche Weihwasserkessel nachgefüllt werden. Der hängt in aller Regel rechts von der Eingangstür. Das ist ziemlich praktisch, weil ja die meisten Christenleute Rechtshänder sind. Die gehen also in so ein rechtgläubiges Haus hinein, wissen sofort, dass zu ihrer Rechten das Weihwasser-Kesselein hängt, tauchen ihre Finger hinein, bekreuzigen sich und rufen aus: „Gelobt sei Jesus Christus.“

„In Ewigkeit Amen“ erwiedern die Anwesenden, und danach kann man sich den Alltagsgeschäften widmen. Nicht recht viel anders mag es in jenen „grauen Zeiten“ bei unseren heidnischen Vorfahren zugegangen sein. Diese wackeren Kerlchen sind wahllos dahin geschlachtet worden, in jenen schrecklichen Zeiten, als Karl der Große sich für den größten Christen-Kaiser aller Zeiten gehalten hat. Damals gaben die meisten von ihnen ihr Leben in Gottes Hände, und der hat es anstandslos angenommen. Seither sind wir braven Christen praktisch die Herren der Welt. Der frommste unter uns ist zur Zeit der US Präsident George W. Bush, weil seit dieser Kampftrinker abstinent geworden ist, spricht er ja täglich mit Jesus Christus persönlich. Der soll ihm angeblich gesagt haben, dass die Muselmanen in Afghanistan, Pakistan, Iran Tatschikistan und Irak, zack zack zur Hölle fahren sollen. Die wenigsten von ihnen wollen das, und deshalb ist halt jetzt der Teufel los. Die Einen schwören auf den Allah, die anderen auf den Buddah, und wir braven Christen schwören selbstverständlich auf unseren Erlöser Jesus Christus. Die Juden hingegen schwören auf ihren „wahren Messias“ aber keiner weiß so recht, wann der einmal auf Erden erscheinen wird. Alle anderen großen Erlöser waren ja schon da. Ob sie die Menschheit von ihrem Übel erlöst haben, sei dahingestellt...

„Auf der Welt kann man nie so genau wissen was abgeht Leute, deshalb muß man die Gräber mit Weihwasser gießen solange noch die Blümlein sprießen“ sagte sich unser legendärer August und schleppte unermüdlich seinen 10-Liter Weihwassereimer. Also ehrlich, so geschleppt hat noch keiner. Und das Beste kommt erst noch. Hat sich doch der Unermüdliche einen Weihwasserpinsel angeschafft, der noch streufähiger als dem Pfarrer Will seiner war:

 „He, alles klar ihr stummen Freunde auf der grünen Wiese. Hier kommt euer Weihwasser-Riese mit einer gewaltigen Priese, was sagt ihr jetzertla hä? Da verschlägt es euch die Stimme, stimmts?“

Ob dem größten Weihwasser-August aller Zeiten jemals eine Grabeststimme geantwortet hat, ist nicht überliefert. Bezeugt ist allerdings, dass der August alles und jedes, aber niemals die letzte Ruhestätte der Herren vom Kaulberg gewässert hat:

„Diese Maulaffen sollen sich einen eigenen Weihhicks, einen eigenen Weihwasserkessel kesseln, äh einen eigenen Weihwasser-Sprenger sprengen“ lallte der August von Januar bis Dezember. Zwischendurch flickte er in seiner Werkstatt herum – und die war Wohnzimmer und Schlafzimmer zugleich. Daneben gab es nur noch eine spartanisch eingerichtete Küche in der aber selten etwas gekocht wurde:

„Ja Katinka slatka moja, stell doch endlich Mal was gscheites zum Fressen auf den Tisch.“

„Sofort Towaritsch, willst du Fleisch oder Fisch?“

„Leck mich am Arsch, von mich aus Kaviar mit Krimsekt du Tschurek, wenn du mich gibst der Rubel dafür.“

„Ah pah, Rubel, Rubel, Rubel, kaufe dich einen Hobel und hobel Sauerkraut ein.“

„ Ja verfluchtes Pironnje wo soll ich hernehmen Kapusta hä?“

„ Was hicks, was ist dös?“

„ Ja Kraut du Nazi oder verstehst du nicht der russische Sprache hä?“

„Gott sei Dank nicht, weil ich bin der Schlacht um Stalingrad ausgewichen.“

„Nu willst du damit sagen, dass warst du Vaterlands-Verräter?“

„Balödhicks, Balödsinn, ich war ein Razifist.“

„Äh?“

„Pazihicks, ein Pazfist war ich.“

„ Nu auch gut Butt, Pazifist besser wie Fetischist, stimmt August?“ 

Solche Dialoge konnte sich der Herdegens-Schuster ersparen. Der hauste mit seiner Herzallerliebsten auf dem selben Flur, in einer Einzimmerwohnung und die musste reichen zum kochen, wohnen, schlafen und schustern.

Da hatte es die Bauerreis-Frieda doch schon besser getroffen. Der ihr rothaariger Herr Vater war nämlich Briefträger. Seit er seinen letzten Brief ausgetragen hat, wohnt die ältliche Frieda mit ihrer Frau Mutter unterm Dach. Dort gab es nämlich auch noch zwei Kammern und die teilten sich die beiden Damen. Im übrigen teilte sich die Frieda mit dem Herrn Bürgermeister die Gemeindekanzlei im Rathaus. In jener war sie als Kanzleischreiberin verpflichtet und diese Pflicht hat sie pflichtbewusst bis ans Ende ihrer Tage vorbildlich erfüllt. Jeden Morgen hat sich die Frieda ihren Haarknoten geknotet , ihre dicke Hornbrille aufgesetzt und ist dann voller Elan die dunkle Stiege hinabgestiegen. Sobald sich ihre kurzsichtigen Augen an das helle Tageslicht gewöhnt hatten, sah sie direkt gegenüber die Tür vom Moses seinem verfallenen Ziegenstall. Solange der Moses noch sein Business ausgeübt hatte, herrschte allerhand Leben unter seinem Dach. Da meckerten die Ziegen mit der „Moschaber“ im melodischen Gleichklang, bis dann irgendwann die Ziegen-Melodie grässlich gestört wurde. Das war in jener legendären Nacht, als der Moses einen schneeweißen Ziegenbock nach Haus gebracht hat. Dieses edle Tier war etwas ganz besonders und ließ den Moses von einem satten Verkaufsgewinn träumen. Aber Träume sind Schäume, schäumte seine holde Gattin, denn ob man es glaubt oder nicht, die Heino-Ziege stand am nächsten Tag schwarz wie der Roberto Blanko im Stall:

„Ja bei Moise und allen Propheten, ja kann mich ein Izich sagen was ist geschehen ?“ - jammerte der verzweifelte Ziegenhändler. Nu was geschehen war, sah er dann selber beim näheren hinsehen. Die malefizischen Dorfburschen hatten nämlich Mal wieder keine Kosten und Mühen gescheut um ihren Übermut auszulassen. Also hatte der Janta den Opferstock geknackt – und das war im Prinzip schon eine Todsünde. Noch dazu wo sein Vater doch der Messner war:

„Harschafts Sakra is dös wunderbar, was die Gläubigen alles so dahinein in so ein Opfer-stöcklein werfen“ freute sich der Spitzbube und begann auszusortieren: Beilag-Scheiben, Blechstückchen und Aluminium-Münzen aus der Kaiser Wilhelm Zeit nach links, die paar Zehnerli nach rechts. Für die konnte man an der Gassenschenke beim Rippls-Wirt mehrere Seidli Bier erwerben und beim August-Butt eine Schachtel schwarze „Schuhwichs.“

„August du verrätst aber fei nix gell?“

„Niemals ihr Buben, ich war doch auch einmal hicks, äh jung mein ich, und das war damals als ich kurz vor Madagaskar, äh vor Moskau gelegen bin. Ja Dunnerkeil war der dös was. Überall Russen. Hinten hicks, vorn, oben unten und in der Mitten drin a noch. Ja da leckts mi am Orsch. Nix zu beißen, nix zum scheißen, äh zum schießen hicks, nur Russen und Schnee und sonst nix.“

„August spielst jetzertla wieder den Münchhausen hä?“

„Mühlhausen ihr Buben hicks, Mühlhausen liegt mehrere Kilogrammer, äh Kilometer östlich von hier. Und wenn ihr von da aus immer weiter in die selbe Richtung marschiert, dann steht ihr grad vor dem Stalin hicks, äh vor dem Stalingrad und denkt: Ja Dunnerkeil, was will ich denn hier hä? Soll ich vielleicht ganz allein die deutsche Wehrmacht in die Schlacht um Mitternacht führen hä? Für was haben wir denn unseren Führer geliebt, äh unseren geliebten Führer geführt hä?“

„Na weil er doch der Gröfaz war.“

„Ah pah, ihr habt doch keine Ahnung nicht Buben. Der Adolf war doch im ersten Weltkrieg nur ein kleiner Dings hicks, ein kleiner Wicht war der.“

„ Ja, ja August, des wissen mir scho. Der Adolf war ein Botengänger, stimmts?“

„Schmarrn, ein Blindgänger war er.“

„Aha und im zweiten hä, was war im zweiten Weltkrieg?“

„Den hat er verloren, weil ich und meine Brüder oder vielmehr meine Brüder und ich ja schließlich nicht überall gleichzeitig sein können.“

„Versteht sich August, versteht sich ganz von selber, denn ihr habt die Heimatfront gehalten, stimmts?“

„Und ob ihr Buben, und ob. Wir haben moralischen Beihicks, Beischlaf äh harschafts Sakra, moralischen Beistand geleistet.“

„Und schwarz geschlachtet wie die Teufel, stimmst August?“

„ Na klaro Buben, klaro, wir haben voll die Sau rausgelassen.“

„Und dann abgestochen?“

„Ja anders geht’s doch net.“

„Ja bravo August, bravo, aber bevor wir uns jetzt in weitere Details verlieren, wir brauchen was zum schmieren.“

„Schmiergeld?“

„Naa dös ham a mir selber, weil der Janta hat des Opferstöckla….“

„Heilige Mutter Anna, davon will i fei nix ghört und nix gseng ham.“

„Host jo a net August. Also jetzt spiel hier nicht den Dummen, äh den Heiligen, sondern gib uns a Schächtela schwarza Schuhcrem.“

„Groß oder klaa?“

„Ja no, scho a bissla a größera, sie muß halt reichen für den Moses sein weißen Ziegenbock.“

„Jesses ihr Buben, sagt blos der Moses will mit an weißen Gasbock durchs rote Meer hä?“

„Ah pah, der wird sich wundern der Jid, weil heut Nacht geschieht ein Wunder.“

Den Rest kann man sich denken. Aus dem Heino-Ziegenbock wurde übernacht der Roberto Blanco und das war praktisch sein Ende. Nicht dem Roberto Blanco seines, sondern dasjenige vom Heino, schmarrn, vom Alpino-Ziegenbock natürlich, weil das arme Tier nicht mehr durch die Haut atmen konnte. Soweit hatten die Aschbier Malefizbuben natürlich nicht gedacht. Die haben sich nur krumm und schief gelacht, als der Ziegenhändler ein ums andere Mal die Hände zum Himmel erhoben hat und stundenlang flehentlich rief:

„Oh Moses du mein Namenspatron, Aaron und Levitkus, Joshua, Esra und Nehemia, Ijob, Kohelet und Jesaja, Jeremia, Baruch und Ezechiel, Daniel, Hosea und Joel, Obadja, Jona und Micha, Nahum, Habakuk und Zefanja, Haggai, Malechai und Sacharia oder wenigstens du gepriesener Amos, sage mich was ist hier los ?“

Also los war in Aschbi immer etwas. Zumindest früher, als es noch kein Radio und TV Entertainment gegeben hat. Da mussten sich die Leute schon selber etwas einfallen lassen – und Einfaltspinsel hat es genug gegeben. Drei davon waren wie gesagt die Gebrüder Kupferschmied, das heißt, der Balser, der Butt und der Stoffl. Erstgenannter war zweifellos der lustigste, denn der konnte fast so schön stottern wie der Korla-Hick. Wer mit so einem Sprachfehler gestraft war, denn nannte man damals allerdings nicht Stotterer, sondern „Gazzer.“ Den Betroffenen mag das schei-schei-scheißegal gewesen sein. Die mussten eben mit dem Gespött leben. Das taten sie in vorbildlicher Weise, denn auch we-we-wenn sie langsam beim Reden waren, so doch blitzschnell mit ihren Gedanken. Deshalb sprach der Ba-ba-balthasar zu seinen Geschwistern: „Lie-lie-liebe Brüder und Schwe-schwe-schwestern im Herrn, mich dürstet.!“

„Ja meinst du uns nicht Balthasar?“

„We-we-wer schmarrt so du-du-dumm daher?“

„ Na ich, dein Bruder August, ich hab auch Durst und Hunger wie ein Wolf.“

„Und du-du-du Stoffl, was ist mit dich?“

„Frag mich nicht Balthasar, ich könnt eine halbe Sau auffressen.“

„Da-da-da…“

„Was soll das heißen Balthasar, willst du einen neuen Hit kreieren?“

„Qua-qua-qua..“

„Heiligs Blechla, hats dir jetzt die Sicherung ganz rausghaut?“

„Blö-blö-blödsinn ihr Dep-dep-deppen, ich wollte doch nur sa-sa-sagen, da-da-dass wir die Sau durch dri-dra-drei teilen müssen.“

„Aha, du willst uns also mit deinen mathematischen Kenntnissen beeindrucken?“

„Qua-qua-quatsch, ich mein mir müssen brü-brü-brüderlich teilen.“

Und das haben sie dann auch getan die drei Experten. So einfach wie sich das hier liest war das aber ganz und gar nicht. Auf „schwarzschlachten“ stand Zuchthaus – und das nächsgelegene befindet sich in Ebrach. Heutzutage nicht mehr, denn da wo früher die Schwerverbrecher eingekerkert waren, verbüßen nun jugendliche Straftäter ihren Erholungsurlaub hinter Gittern.Vor einem halben Jahrhundert war das alles noch ganz anders. Vor zwei Jahrhunderten sowieso, denn da hausten noch die grauen Mönche in ihrem unsagbar reichem Kloster Ebrach. Deren Ur-Abt namens Adam hatte ja mal als armes Mönchlein angefangen, aber seine göttlich-asketische Mission schnell wieder aufgegeben. Aus dem strengen Zisterziensterkloster ist recht bald ein Domizil für geld-und vergnügungssüchtige Äbte geworden. Deren letzter hieß Eugen Montag und der musste am Faschingsdienstag 1809 die Koffer packen. Kaum dass er seinen Palast verlassen hatte, kaum dass alle Wert-und Kunstgegenstände nach München abtransportiert waren, wandelten die ungehobelten Bajuwaren das Kloster in ein „Zuchthaus“ um. Dumm war das nicht gedacht, denn Zellen waren ja genug vorhanden. In denen wurde allerdings ab sofort nicht mehr gebetet, sondern gotteslästerlich geflucht. Am lästerlichsten vom berühmt-berüchtigten „Weißkopf.“ 

Rumble in the Jungle – Thrilla in Manila
Welcher Boxfan kennt nicht die legendären Ringschlachten zwischen Muhammad Ali und Smoking Joe Frazier?

Während der Blütezeit des SVA waren andere Ringgrößen bekannt. Der deutsche Meister Hans Häfner, der Europameister Hans Schiffers und natürlich der Größte aller Großen: Max Schmeling. Dieser einzige Schwergewichts-Weltmeister den Deutschland je besessen hat, war selbstverständlich das große Vorbild unseres kleinen „Häckl.“ Der hieß vor seiner Einberufung noch schlicht und ergreifend „Kupferschmieds-Fränzla.“ Das kam daher, dass es Fränzla ziemlich kla’ war. Dafür aber wieselschnell und mutig wie ein Löwe. In der FOX tönenden Knochenschau hatte unser Fränzla schwarz auf weiß gesehen, dass der Max Schmeling Fallschirmspringer war, und schon war alles klar. Das Fränzla wollte auch Boxer und Fallschirmspringer werden. Beides durfte er bei der Wehrmacht eifrig trainieren und bald munkelte man in Aschbach von einem neuen Stern am Boxer-himmel. Unser Fränzla guckte sich vom Maxe Schmeling jeden Trick und jede Bewegung ab, tanzte leichtfüßig durch den Ring und danach ging es rein in die „Tante Ju“ und hinauf in die Wolken. Heissa jucheissasa ist des prima, dachte sich es Fränzla. Eines Tages bin ich Weltmeister im Superfliegengewicht. Dann kommt auch die Wochensau und filmt mich. Und dann gebe ich Autogrammer und dann geh ich nach Amerika und hau den Joe Louis vom Hocker.“

„Jetzt bleib aber mal locker du Fliegenfänger“- höhnten seine Springerkameraden, „wir sind doch in erster Linie Soldaten, wir müssen jetzt gleich über Feindesland abspringen verstehst?“

„Ah pah ihr Anfänger, was wollt ihr mich erzählen hä? Ich habe mich das Technik von das Maxe Schmeling angeeignet.“

Das war im Prinzip nicht gelogen, denn aus dem Fränzla hätte tatsächlich ein excellenter Boxer werden können. Dazu hätte er aber auch die Sprungtechnik seines Idols besser studieren müssen, denn der landete ja stets filmreif auf dem Boden. Unser Fränzla leider nicht. Der sprang zwar wie der leibhaftige Rambo aus dem Flieger, aber weil er ja nur ein Fliegengewichtler war, wehte ihn der Wind genau dorthin, wo er eigentlich gar nicht hinwollte. Um es kurz zu machen, der Bedauernswerte landete nicht auf einer weichen Wiese, sondern ziemlich hart auf felsigem Grund. Das war dann auch der Grund weshalb es mit seiner Springerkarriere aus und vorbei war.

„Tja mein Lieber ihre Kniescheibe ist im Eimer“ - eröffnete ihm der Lazarettarzt „und mit ihrem steifen Bein können sie ruhig heim gehen, für sie ist der Krieg vorbei.“

„Na auch recht, dann werde ich halt kein berühmter Fallschirmspringer, dafür aber ein weltberühmter Boxer“ - machte sich das Fränzla selbst Mut und kehrte hinkend nach Aschbi zurück: „Ja Frä-frä-fränzla, ja ich glaabs net, ja wo ku-ku-kummst denn du daher ?“

„Na vom Militär.“

„Ich gla-gla-glab ich spi-spi-spinn.“

„Host doch scho immer gspunna Korla.“

„Qua-qua-quatsch, ich de-de-denk du willst ein be-be-berühmtes Boxenluder werden?“

„Bin ich fast schon.“

„Jes-jes-jesses Fränzla aber doch net mit dem Ba’?“

„ Wie manst’n des Korla hä?“

„Ja dö-dö-dös schaut ja schlimmer aus wie em Schor-schor-schorschla Hutsch sei Holzba.“

„Depp depperter, meines ist nur steif, des quitscht doch net so bei jedem Schritt wie dem Schorschla seins.“

Das war nicht gelogen und deshalb glaubte es Fränzla felsenfest daran, dass seiner Boxkarriere nicht s im Wege stehen kann. So mancher andere Fachmann hatte da seine Zweifel. Besonders wenn es auf die Beintechnik ankam. Deshalb gewöhnte sich das Fränzla einen eigenen Laufstil an. Mit dem hätte er beim Grasmähen ohne Sense jeden Preis gewinnen können. Das soll heißen, der Unerschütterliche schlug bei jeden Schritt mit seinem steifen Bein einen rechten Haken. Nicht ans Kinn seiner Gegner, sondern um vorwärtszukommen. Nun heißen auf Fränkisch kleine Haken „Häkeli“ und auf die Art kam es Fränzla zu seinem berüchtigten Kampfnamen: „Häckl.“ Der jagte jeden Gegner einen Schauer über den Rücken, denn so unglaublich es auch klingen mag, der Häckel gründete innerhalb des SVA ohne zu zögern eine eigene Boxstaffel - und schon ging es voll zur Sache. Die damaligen Ringschlachten im Adlerwirts- und im Becks Saal sind legendär. Wer es nicht glauben mag, dass selbst Europameister in Aschbach in den Ring gestiegen sind, der soll’s bleiben lassen. Oder er kann den Häckel fragen. Der hat mittlerweile schon mehrere Privataudienzen beim Papst erhalten. Zwar nicht aus sportlichen Gründen, aber das is’ ja wurscht. Auf jeden Fall erzählt er keine Märchen. Der hat den Boxsport in Aschbi salonfähig gemacht, und so manchen Lokalmatator gefördert. Deren gab es einige. Im Halbschwergewicht beispielsweise den „Kohlers-Adalbert“, in der Leichtgewichst-klasse allerdings dominierte der trickreichen Häckl persönlich. Der schlug dermaßen unorthotoxe Haken um seine Gegner herum, bis die völlig entgeistert auf sein steifes Häckelbein guckten, und im gleichen Moment haute er sie einfach zu Boden: „Da gucktst Maulaff hä?“

Und wie die Niedergeschlagenen geguckt haben!
Am meisten geguckt haben aber die Dorfschönen wenn der Adalbert in den Ring geklettert ist:„Harschafts wenn mir na nur der Teufel den mal in einer finstern Nacht ins Bett spielen tät“- hat sich so manches Madla gedacht, aber das ging leider nicht, denn der Adalbert war ein enthaltsamer Spitzensportler. Der musste seine Kräfte einteilen, weil Fußballspielen in der ersten Mannschaft und Boxen als Lokalmadator erfordert Disziplin und eisernes Training. Wer einmal den Franz Beckenbauer beim Training und den Wladimir Klitschko beim Sparring zugeschaut hat, wird wissen was gemeint ist. Und wer immer noch nicht glauben will, dass die damals berühmtesten Berufsboxer Deutschlands in Aschbach kämpften, der braucht nur in den Analen des BDB nachsehen. Dort wird er lesen, dass sich im Saalbau Beck am 12. Februar 1950 nicht nur Hans König und Franz Kammerer, sowie Georg Niergard und Adalbert Seeger gegenüberstanden, sondern der Deutsche Meister Hans Häfner gegen den Europameister Hans Schiffers !




"Häckel"- der Mann der niemals lachte und dessen Gegner nichts zu lachen hatten auf Promotion Tour 1952


Der Kampf des Jahrhunderts
Den Berliner Sportpalast gibt es nicht mehr - und den legendären „Adlerwirts-Saal“ leider auch nicht. Bevor die neue Kampfarena wegen zu starkem Publikumsandrang in den Saalbau Beck verlegt werden musste, organisierte die Boxstaffel des SVA eine Abschieds-gala vom allerfeinsten. Wiedereinmal demonstrierten die namhaftesten Berufsboxer die excellente Kunst des Faustfechtens. Der Hauptkampf sollte diesesmal jedoch nicht zwischen irgendwelchen Deutschen-und Europameistern ausgetragen werden, sondern von einheimischen Champions. Heiligs Blechla, der Adalbert hatte sich soweit in die Spitzengruppe der Amateure hochgeboxt, dass sein baldiger Übertritt ins Profilager nur noch eine Frage von wenigen Runden sein konnte. Schon ging die Frage durchs Land:

„Wer schlägt Adalbert?“

Im Prinzip niemand, war die einhellige Meinung, denn der Adalbert war ein Typ wie der Wladimir Klitschko. Groß, gutaussehend und mit einem enormen Punch. Der geborene Sieger. Einen ähnlichen Hero gab es nirgendwo. Außer in Heuchelheim. Tja Freunde des Rings, das war die absolute Sensation. Da sucht der Bund Deutscher Berufsboxer einen Gegner für den Adalbert im ganzen Land - und wo findet man ihn? In Heuchlem! Dass von der Existenz dieses Athleten vorher kein Mensch eine Ahnung hatte, erscheint heute einigermaßen merkwürdig. Damals war das ohne weiteres möglich, denn man darf nicht vergessen, dass hunderte von Flüchtlingen und Zwangsevakuierten in Aschbach und Umgebung untergebracht waren. Eine ganze Anzahl von ihnen spielte bereits in der Fußballmannschaft des SVA - und warum sollte unter den übrigen Burschen nicht auch ein hervorragender Boxer sein? 

Die Spannung stieg von Tag zu Tag. Die Arena war seit Wochen restlos ausverkauft und so schön die Vorkämpfer sich nun den ganzen Abend über blaue Augen schlugen, alles wartete auf die Auseinandersetzung: Adalbert gegen den Großen Unbekannten aus Heuchelheim. Dicker Zigarrenqualm, Rauchschwaden aus billigen Tabakspfeifen und der Duft von Schnupftabak durchwogten die Arena. Schaler Biergeruch vermischte sich mit dem zarten Rosenduft der parfümierten Dorfschönen. Kein Mensch verstand sein eigenes Wort mehr und die Blaskapelle rutschte unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Der Lenhard versuchte sich verzweifelt einen Weg durch die Massen zu bahnen:

„Wer war des mit dem Seidla?“

„Ich und ich a, Lenhard bring mir a nu was zum saufen, ich halt die Spannung nimmer länger aus“ - klang es aus allen Ecken und da wo gerade nicht der Durst gelöscht wurde, stiegen die tollsten Wetten:

„Wett’n mer, dass der Adlbert den Großen Unbekannten zammhaut?“

„Schmarrn, dös kannst du doch gor net behaupt’n wennst na nu gor net gseng hast.“

„Ah bah, ich werd’ den Adlbert nu net gseng ham?“

„Blödian, ich man doch den geheimnisvollen Großen Dings da.“

„Ah bah, größer wie unser Adlbert is kaaner.“

„Abwarten Freundla, immer schö abwarten, es hat fei scho Größere a gebn.“

„Ja spinnst hä, ja wen denn hä?“

„Na den Louis Armstrong zum Beispiel.“

„Du Nasenbär, du manst bestimmt den Joe Louis?“

„Sog i doch.“

„An Dreck hast gsocht du Orschloch, du hast gsocht der Louis … wollte der Experte verbal auftrumpfen, aber dann überlegte er es sich doch anders und ging wortlos zu Boden. Schuld an seinem plötzlichem Niedergang war sein Sitznachbar, beziehungsweise dessen Bierkrügla. Dieses irdene Trinkgefäß hatte der erboste Fachmann ihm fachmännisch auf den Kopf hinauf gehaut und murmelte anschließend höflich: „Dunnerkeil, jetzter hob i weger dir Maulaff mei schöns Bierkrügla zamgschlong.“.

Und dann ertönte der Gong:

„Ladies und Gentlemänner, ich bitte die Kämpfer in den Ring“

„Ja wolln denn die an Ringkampf ringen“- stotterte der Niedergeschlagene, aber das hörte zum Glück niemand, weil nun spielte ersteinmal die Blaskapelle mit Tuba, Posaune, Klarinette, Schlagzeug und allen übrigen Lärminstrumenten lautstark den „Einzug der Gladiatoren.“ Dabei ging das Licht aus, Spot an, und der Adalbert bahnte sich seinen Weg durch die Massen. Beifallsumrauscht kletterte der Lokalmatator durch die Seile, begab sich in die blaue Ecke und winkte wie der sichere Sieger ins hochverehrte Publikum.

„Adlbert, hau na um, mach na fertig, schick na auf die Bretter“ tobte der Saal und der Ringrichter rief nocheinmal:

„Ich bitte beide Kämpfer in den Ring“. Dann beugte er sich verlegen zum Herrn Kapellmeister hin und flüsterte dem etwas ins Ohr.

„Verdammt mir solln dös „Lied vom Tod“ spielen, sonst kommt der „Große Unbekannte“ nicht aus der Kantine“, fluchte der Kapellmeister.

„Ja so ein Depp, wir drehen doch hier keinen Kauboyfilm, hier ist doch eine Kampfarena, so wie bei die alten Gladiolen, hat ihm des nu kaaner gsocht?“

„Schon, schon, aber er verlangt seine eigene Einzugs-Hypothek.“

„Harschafts Sakratie, dann spieln mer ihm halt die deutsche Nationalhymne.“

„Ja und wenn er gor ka Deutscher is hä? Könnt jo auch ein zurückgebliebener Zwangs-arbeiter sein. Vielleicht gor a Russ` hä?“

„Also gut dann eben was Internationales“

„ Ja genau ja dös is die Idee mir spielen „Humba Humba Täterä“

Das zeigte Wirkung. Und bevor die Spannung total explodierte öffnete sich der Vorhang und ein extraorinärer Gentleman betrat die Arena.

Jesses na, so etwas hatte man in Aschbach noch nicht gesehen. Der Kerl hatte Schultern wie der Arnold Schwarzen-Neger. Nur nicht ganz so groß war er. Um ehrlich zu sein, im Prinzip war er kleiner, sehr viel kleiner. Aber dafür breit wie ein Kleiderschrank. Und ganz und gar nicht angezogen wie ein Boxer, sondern mehr so wie der Al Capone selig: Schwarzer Anzug, schwarzer Schlapphut, schwarze Sonnenbrille. Jesses, da lief einem der nackte Schauer über den Rücken. Ob das vielleicht dem Mike Tyson sein Urgroßvater war? Ob der unserem schönen Adalbert auch ein Ohr abbeissen würde?

Die Frauen zerknüllten vor lauter Nervösität ihre seidenen Taschentüchli, die Männer tranken noch ein Seidla und alles starrte fasziniert auf den kleinen großen Unbekannten. Der schwang seine massige Gestalt in den Ring und fing aufreizend langsam an sich auszuziehn. Erst sein Jacket, dann die Hose. Dann noch ein Jacket und noch eine Hose, dann noch ein Jacket und noch eine Hose und als er endlich aller Kleider ledig war, da stand der Lorla in einem hautfarbenen Strapsgürtel da!

Der Saal brüllte vor lachen, dass die Wände wackelten, während der Adalbert mit un-gläubiger Mine diesem Spektakel zusehen musste.

„Heiliger Strohsack Lorla ja hat denn dich ein kranker Aff` gebissen“ - wollte er seinen Herausforderer fragen, aber der war anderweitig beschäftigt. Der tänzelte im Ring umher wie der Solotänzer vom Moskauer Bolschoi Theater und genoß die stehenden Ovationen. Und als er die lange genug genossen hatte, zeigte er was er als Boxchampion drauf hatte. Als erstes nämlich eine Beinarbeit vom allerfeinsten. Wer den Lorla damals live erlebt hat ist überzeugt, dass nicht der Muhammad Ali den Ali-Shuffle erfunden hat. Der wahre Erfinder kann nur der Lorla gewesen sein, denn der tanzte wie ein Derwisch um den sprachlosen Adalbert herum:

Links angetäuscht, rechts herum getanzt. Rechts angetäuscht, links herum gekurvt. Jesses Leut was für eine Sensation. Der Lorla tanzte den Adalbert schwindlig und wie zum Hohn wippten bei jedem Sidestepp rhytmisch seine Strapse rauf, runter, vor, zurück, hin-und her als wenn der Lorla Eintänzer im Moulin Rouge gewesen wär. Ein neuer Star am Boxerhimmel schien geboren zu sein. Die Stimmung im Saal brodelte und dann schlug sie schlagartig um. Von einer Minute zur anderen war der Strapsgürtel-Lorla zum Publikums-liebling geworden:

„Lorla hau na zamm, Lorla mach na fertig, Lorla schick na auf die Bretter“ - tobte die Menge und das ließ sich der Lorla kein zweites Mal sagen:

„Also wo steht er mein Gegner hä? Aha da, na wart Adalbert, dir werd ichs zeigen, dich mach ich fertig du Pflaume“ und schon setzte der Lorla zu seinem unwiderstehlichen finish an: Einmal rechts angetäuscht, links herum - einmal links angetäuscht, rechts herum: „ Ha da guckst dumm Adalbert? Aber das war noch lang nicht alles, „jetzt packt es Lorla erst seine Trickshicks, seine Trickkiste voll aus. Jetzt macht er dich den Garaus und zwar durch boxerische Ticktak, verstehst was ich mein du Amateur hä?“

Der Adalbert verstand nix mehr.Gar nix. Der stand da wie dem Lot seine Frau - zur Salzbrezel erstarrt: „Heiliger Strohsack, in welchem Film bin ich“ - fragte er sich innerlich und wusste doch, dass dies kein Film, sondern das wahre Leben eines Boxers war.

„Wunderbar Lorla, wunderbar, weiter so, hau ihn k.o“ - tobte das rasende Publikum- und der Adalbert schaute sich schon nach den Sanitätern um: „Heilige Mutter Anna und alle ihr Vierzehn Heiligen Nothelfer, befreiet mich aus dieser Not, sonst schlägt mich der Lorla tot“ flehte der völlig demoralisierte Champion.

„Haha, nix da Adalbert, heut hilft dich dein Flehen nix. Heute zeigt dich der kleine Lorla was wahre Größe im Ring ist: Achtung aufgepasst, jetzt kommt meine linke Gerade auf der rechten Außenbahn. Haha, das war nur eine Flinte, hicks äh eine Finte. Aber nun wird’s ernst. Nun fintiert der Lorla rechts und haut links vorbei, was sagst jetzter hä?

„Ja was soll i denn sagen Lorla, knapp vorbei ist auch daneben.“

„Großmaul, dich werd ich’s geben, Achtung du Pfeife ich tänzle nun links an dich vorbei und hau’ dich voll einen Tiefschlag in deiner Eier nei.“

„Dös gilt net Lorla, dös wär gegen die Regeln.“

„Mich doch wurscht du Schlappsack, ich kämpfe nach meine eigenen Regularien.“

„Akzeptiert Lorla, voll akzeptiert, aber denk doch dran, wir waren doch Mal Freunde.“

„Ha ha, soll ich jetztertla lachen oder Mitleid mit dich kriegen hä? Wer hat mich denn damals mit meiner eigenen Krawatte aufgehängt hä?“

„Das war ich doch nicht allein Lorla“

„Natürlich nicht du Memme, zehn oder mehrerer hinterfotzige Attentäter wart ihr,

stimmts ?“

„Stimmt schon Lorla, stimmt, aber dös war doch blos a Gaudi“

„Scheiß auf euera Gaudi, laß doch du dich amol am Kastanienbaum an der Schloßmauer aufhänga!“

„Aber dös war doch blos a Spaß Lorla.“

„Für mich net, ich hob mein besten Sunntagsanzug anghabt.“

„Ja des is doch normal oder hättest etwa in deim Arbeitsgwand baumeln wollen?“

„Maulaff, ich wollt überhaupt nich baumeln.“

„Versteh Lorla, versteh, aber du weißt doch es Leben in Aschbi is hart, besonders wenn man aus Heuchlem kommt.“

„Hart gewesen du Loser, weil heute Nacht ist die Nacht der langen Messer, heute nimmt der Lorla blutige Rache.“

„Um Gottes Himmels Willen Lorla, ich hab Frau und Kinder.“

„Als Berufsboxer interessiert mir das nicht, hicks, der Worte sind genug gewechselt, ich werde dir eiskalt umhauen, verstehst mi? Komm jetztertla endlich her du Pfeife, ich schlage dir zum Handkoffer.“

„Ja Lorla, ja, hau na endlich um, streck ihn nieder, breche ihm alle Glieder“ - tobte der Saal und nocheinmal zeigte das entfesselte Lorla seine außerirdische Beinarbeit: Ein Stepp vorwärts, zwei zurück, drei nacht rechts, vier nach links und dann wie ein Flitzekreisel im Kreis herum, so dass der Adalbert blass und stumm dastand und ein letztes Mal flehent-lich die Augen zum Himmel richtete.

Diejenigen die nahe am Ring gesessen hatten damals, berichten glaubwürdig, dass der Adalbert dabei gemurmelt haben soll: Lieber Gott mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.

„Von mich aus fahr zur Hölle“, soll der Lorla dagegen-gehalten haben, und dann setzte er zum seinem legendären Endspurt an: Rechts angetäuscht, links vorbei, links angetäuscht, rechts vorbei, zwischendrinn ein fantastischer Sidespinn, dann eine Finte zum Kinn, eine angetäuschte Doublette auf die kurzen Rippen, eine prächtige linke Gerade über die rechte Augenbraue, einen linken Schwinger aufs rechte Ohr: „Da guckst du Loser hä? Achtung jezertla folgt ein Leberhaken auf dem Magen, ha, ha ha, und nun ein Kinnhaken alla Max Schmeling, da nehme ihn hin du Anfänger, und nun folgt mein tötlicher Rückwärtshaken in den Nacken!“

Der war allerdings verboten. Deshalb musste der Ringrichter den Kampf unterbrechen und lauthals verkünden:

„Schläge in den Nacken, ziehen an den Haaren, den Gegner beissen oder in die Eier hauen verstösst gegen die Regln, schon der Versuch ist strafbar“

„Ah pah du Pfeifenkopf du hast doch keine Ahnung von das Ringregeln nicht, der Lorla wird das selber regeln, der wird nun den Adalbert durch Sonne und Mond hauen, kapiert Maulaff?“

„Ja schon Lorla, im Prinzip schon, aber bitte nur nach den allgemein gültigen Monats-regeln.“

„Leck mich doch mit deine Regulatoren du Hanskasper. Hier kämpfen Männer und keine Gartenzwerge oder siehst du das nicht ?“

„Doch schon Lorla großer Unbekannter, aber bisher hab ich gedacht du wärst ein Garten…“

„Was hä, was willst sogn du Armleuchter ?“

„Ein Held aus dem Garten Eden der jeden besiegen kann wollte ich sagen.“

„Aha, klingt schon besser, und jetz pass amol auf du Pfeifenheini was der Lorla mit dem Korla, äh mit dem Dings da, wie heißt mein Gegner?“

„Adalbert der Champion.“

„Soll i mi totlachen? Auf was will der Champignon warten hä?“

„Ja auf einen Sieg vielleicht?“

„Depp, der kann höchstens auf den Totengräber warten.“

„Geht nicht Lorla.“

„Aha und warum nicht hä?“

„Der Lorzer-Schuster ist heut außer Dienst.“

„Du meinst der is schon wieder stockbesoffen?“

„So könnte man es auch ausdrücken.“

„Mich auch wurscht, dann soll ein anderer Leichenbitter kommen. Die meisten meiner Gegner hören den Gong zur zweiten Runde sowieso nicht mehr, also jetzt aufgepasst Leute, heute demontiere ich den Champignon. Sakra wo steckt er eigentlich hä ? Adalbert du Feigling wo steckst du?“

„Hier steck ich Lorla, hier.“

„Aha in der blauen Ecke also. Ja prima, die wird gut zu deinen blauen Augen passen und nun pass einmal auf was der Lorla dich vorführt: Achtung, ein Sidestepp links herum. War der cool hä? Aukei, weiter gehts: ein Sidestepp rechts herum, da guckts blöd hä? Aber das war noch längst nicht alles, weil jetzt kommt der legendäre Lorla-Shuffle. Den wollte mich der Prophet Muhammed nachmachen, aber dazu war er viel zu steif in den Hüften. Und außerdem ist er ein Neger und infolgedessen kein Gegner. Ich lege mir nur mit weiße Champignons an. Denen zeig ich was ich kann. Moment du Tollpatsch erst muß ich mein Puplikum noch einmal fragen: Wollt ihr Butter oder Kanonen?“

„Kanonen Lorla, schieß ihn ab, mach in platt.“

„Hast dös gehört du Schießbudenfigur hä?“

„ Schon Lorla, schon, aber bitte mach es gnädig.“

„Nix da, heute Nacht rächt sich der Lorla für die erlittene Schmach am Kastanienbaum.“

„Erbarme dich Lorla ich schwör, dass ich nicht alleine Schuld war und ich schwöre auch, dass ich solch eine Totsünde niemals mehr begehen werde.“

„Auf deine Schwüre pfeife ich, hicks, du kriegst keine Absolutation von mich, ich mach dich jetzt einfach fix und foxi.“

„Bitte, bitte nicht Lorla, denk an meine Fra’ und Kinder“

„Nun gut, ich werde Gnade vor Recht ergehen lassen. Niemand soll mich nachsagen ich wäre ein Witwenmacher. Also komm einfach her, lass dich k.o. schlagen und morgen ist die Sache vergessen“

„Danke Lorla, du bist so gut zu mir. Deswegen stelle ich mich dir. Aber bitte mache es kurz und schmerzlos.“

„Dein Wunsch sei mich Befehl Adalbert, aber unser verkehrtes hicks, verehrtes Publikum, will das ich dich spektakulär umhauen tue.“

„Dann mach es großer Meister, aber bitte so schmerzfrei wie möglich.“

„Mach ich Adalbert, mach ich, jetzt beiß die Zähne aufeinander, denn nun tanze ich zum letzten Mal links um dich herum, obwohl ich rechts angetäuscht habe. So, diese Gabe hat mich der liebe Gott in die Wiege gelegt, und wie es weitergeht weißt du ja schon: Ich täusche nun links an und tanze rechts um dich herum und auf einmal machts bum. Und so geschah es !

Knallhart, staubtrocken und kurz wie ein Furz, machte es bum und der Lorla fiel wortlos um. Der Grund hierführ war eine phänomenale linke Gerade voll auf die Glocke. Diese wollte er pertut nicht leuten hören und den Gong auch nicht, der ausgeknockte Lorla. Auf den Ringrichter seine blödsinnige Zählerei verzichtete er auch großzügig. Deshalb wollte er bei 9 nicht aufstehen und bei 99 immer noch nicht.

„Ich bleib mal besser liegen bis der Adalbert die Arena verlassen hat“- dachte sich der Niedergeschlagene, aber solange wollten Film, Funk und Presse nicht warten. Deshalb spendierte man dem Lorla eine gehörige Portin Riechsalz und stellte ihn auf die wackligen Beine. Nach zwei, drei Seidli Bier war er soweit wiedergenesen, dass er mit glasigem Auge sein erstes und letztes Interview im Ring geben konnte:

Frage der Reporter: „Herr Lorla wie kam es zu diesem Niederschlag?“

Antwort O-Ton Lorla: „Bitsch hat er auszogn, bitsch hat er hinghaut, bitsch bin i umgfalln.!“

„Herr Bitscher-Lorla wir danken Ihnen für´s Interview!“    

 

Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß - § 106 UrhG

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Logos

Wie der Logos den Mythos ersetzte

 Leseprobe


Aschbach – Geschichte und Geschichten aus dem Steigerwald

 

 Liebe Leserinnen und Leser,

„wie alt ist Aschbach wirklich?“

Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach. Offiziell gilt der 1.Mai 1136 als „Geburts-Tag“, denn an jenem historischen Maientage „fiel ein Lichtstrahl der Geschichte auf unseren Ort.“ Am nächsten Tag war das Licht wieder fort und Aschbachs Heimat-Geschichte versank für viele Jahrhunderte im Dunkeln. So steht es bislang geschrieben.

Ein aufrechtes Häuflein privater Heimatforscher wollte an diesen seltsamen Stromausfall nie so recht glauben, denn obwohl die Elektrizität eine Erfindung der Neuzeit ist, so kannten doch schon die alten Griechen die elektrische Eigenschaft geriebenen Bernsteins (Elektron). Anno 1921 wurde Aschbach sogar elektrisch erhellt - und bis dahin erzeugte man Lichtquellen halt mit Fackeln, Rübenöllampen, Stearinkerzen und Petroleum-Funzeln. Das bedeutet, dass unsere Heimatgeschichte sehr wohl beleuchtet werden kann. Man muss nur ein Lichtlein anzünden.

So eine Lichtquelle hat zu jeder Zeit ziemlich viel Geld gekostet. Das hält jedoch die wenigsten Bürgermeister davon ab, ihren Bürgern eine fundierte Ortschronik zu schenken. In Aschbach ist das leider nicht möglich, denn das Rathaus ist verschlossen, der Bürger-feister samt Gemeinderat verschwunden. Dieses Mysterium geschah am 1. Mai 1978, auf den Tag genau 842 Jahre nach der bislang ersten urkundlichen Erwähnung. Seit jenem denkwürdigen Tag im Mai ist es mit der Aschbacher Eigenständigkeit vorbei. Und weil der 1.Mai als Tag der Arbeit bekannt ist, arbeiten seither die Schlüsselfelder Kommunal-Politiker an der Verwaltung ihres „Stadtteils Aschbach“.

Historisch betrachtet erscheint dies ziemlich merkwürdig, denn die erste urkundliche Erwähnung Schlüsselfelds stammt aus dem Jahre 1336. In jenem Jahr erwarb Konrad III. von Schlüsselberg nahe der schon 769 urkundlich erwähnten Siedlung Thüngfeld, ein Stück Wildnis und erbaute dort seinen Marktflecken Schlüsselfeld. Genau zweihundert Jahre vor der Gründung Schlüsselfelds war in Aschbach bereits die St. Marien Kirche eingeweiht worden. Was vorher hier passiert ist, lässt sich nur mühsam rekonstruieren, denn erst mit dem Einsetzen der Schriftlichkeit im frühen Mittelalter werden die historischen Konturen einigermaßen deutlich. Ab dem Spätmittelalter verdichten sich die urkundlichen Belege. Sie tatsächlich aufzufinden und chronologisch aneinander zu reihen ist keine sonderlich leichte Aufgabe. Nicht zuletzt deshalb müssen die Bürgermeister für eine Ortschronik meist tief in ihr Gemeindesäckl’ greifen. Im vorliegenden Fall hat sich das erübrigt, weil es in Aschbach bekanntermaßen keinen Bürgermeister mehr gibt. Geschichtsinteressierte Bürger gibt es trotzdem viele, aber denen wollten die Schlüssel-felder Stadtväter keine eigene Chronik spendieren. 

Wie unsere Vorfahren einstmals lebten, lässt sich heute nur noch schwer vorstellen. Die adeligen Dorf-und Grundherren haben ihnen nichts geschenkt. Gar nichts. Die waren vielmehr darauf bedacht ihre „Untertanen“ nach allen Regeln der Kunst auszubeuten. Keinen Deut besser haben sich die Kleriker benommen. Deshalb kommen in der historischen Rückschau die adeligen und geistlichen Herren ziemlich schlecht weg. Schuld daran sind sie selbst. Angefangen von den „Heiligen Vätern“ bis hinunter zum kleinsten Mönch haben sie ihre unglaublichen Geschichten mit eigener Feder geschrieben. In den offiziellen Ortschroniken werden die Eskapaden der Kleriker meist stillschweigend über-gangen. Dieser Wunsch ist, mit einigem Nachdruck, auch an mich herangetragen worden. Weil ich ihm nicht entsprochen habe, hat man mir auf lokaler Ebene jedwede finanzielle Unterstützung verweigert, und mir sogar unterstellt ich würde „die Kirche hassen.“ Ich darf an dieser Stelle erklären, dass dies keinesfalls so ist. Mir ist durchaus bewusst, dass die katholische und evangelische Kirche wichtiges und wertvolles für die sittliche Reife ihrer Gläubigen geleistet hat, und leistet. Es gab und gibt unzählige fromme Kleriker, vom Papst bis hin zum kleinsten Laienbruder. Es gibt Millionen Klosterfrauen, die aus Über-zeugung und Liebe zu Gott und den Menschen fromme Werke tun. Was die Vorgänger dieser gottesfürchtigen Kleriker getan haben, ist von mir nicht aufgeschrieben worden um der Kirche zu schaden, sondern um einigermaßen verständlich zu machen, unter welchen Bedingungen unsere Vorfahren ihr Leben fristen mussten, denn fränkische Könige und Kaiser, Adelige und Kleriker haben einst im ständigen mit-und gegeneinander Land und Leute geprägt. Weltliche und kirchliche Feudalherren entschieden über Gedeih und Verderb, Leben und Tod. Sie haben mit blutiger Feder unsere Geschichte geschrieben. Die schlimmsten Kapitel stammen aus der Hand der „Heiligen Väter“ in Rom. Über diese Schurken sind schon unzählige Bücher geschrieben worden. Das vorliegende mag, wie viele andere, subjektiv verfasst sein, aber es ist nicht vorsätzlich gefälscht, so wie abertausende vatikanische Schriftstücke.

Wer sich also wirklich vorstellen möchte, unter welchen Umständen aus einer kleinen keltischen Ansiedlung namens Ascabach im Mittelalter das Rittergut Aspach, und schließlich im 18. Jahrhundert der Markt Aschbach geworden ist, kommt nicht umhin den Einfluß von Kirche und Adel miteinzubeziehen. Unsere Heimatgemeinde ist über viele Jahrhunderte hinweg von adeligen Dorf-und Grundherren dominiert – um nicht zu sagen ausgebeutet – worden. Die „hochwohlgeborenen Herren vom Kaulberg“ haben unseren Vorfahren viel genommen, und wenig gegeben. Das Ende dieser Feudalherrschaft liegt gerademahl 150 Jahre zurück, und obwohl „Aschbi“ damals schon Marktrecht besaß, konnte es sich erst ab 1848 zu einem Marktflecken im eigentlichen Sinne entwickeln

Bis 1942 hat es hier auch eine große jüdische Kultusgemeinde gegeben. Das tägliche Leben in einem Ort mit Protestanten, Katholiken und Juden muss außerordentlich interessant gewesen sein. Dass die „gute alte Zeit“ allerdings längst nicht so gut war, wie wir uns das heutzutage vielleicht vorstellen, wird deutlich, wenn wir uns näher mit den alten Schriftstücken befassen. Aus ihnen erfahren wir ungeschminkt, wie ärmlich unsere Vorfahren leben mussten.

Der Steigerwald ist in den vergangenen 1.000 Jahren immer wieder mit Kriegen überzogen worden. Hungersnöte und Seuchen haben dazu beigetragen, „die Not der kleinen Leute“ fast ins Unerträgliche zu steigern. Dass es trotz aller Not und Armut auch allerhand lustige Episoden gegeben hat, versteht sich von selbst, denn die „Aschbier“ sind schließlich ein Völkchen, das nach dem 30jährigen Krieg aus den verschiedensten Nationen und Religionen zusammengewürfelt wurde.

Ich bin ein geborener „Aschbier“ und habe versucht unsere Heimatgeschichte so weit wie möglich zu erforschen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich selbstverständlich nicht. Da es sich bei dem vorliegenden Werk um keine offizielle „Heimatchronik“ handelt, habe ich mir erlaubt den Lesefluß nicht durch übermäßige Quellenhinweise zu stören, und „die Not der kleinen Leute“ durch die eine oder andere Humoreske aufzulockern.

Viel Spaß beim lesen,

 Ihr

Ted Kammerer

 

Hunibalds Chronik

„Die Teutschen haben mit den Urkunden ihrer Vergangenheit gar übel hausgehalten. Mindestens tausend Jahre mystische und fünfhundert aus der Heldenzeit, ungerechnet die alte Nacht die außerhalb aller Erinnerung liegt, sind rein erloschen, und die Geschichte hat ihre eigene Jugend blöd vergessen, und geht beym Ausland um zweifelhafte Auskunft über ihren Ursprung betteln.

So langes Leben frey und frank im frischen Waldesgrün, das den Menschenstamm hoch und kräftig und dichtbelaubt hinaufgetrieben, muß auch eine gleiche Geschichte getrieben haben. Aber die Eiche ist gefällt und in bürgerlichen Haushalt verbaut. Nur in den fernen Norden haben einige Erinnerungen mit den Überresten der damaligen Thiergattungen sich geflüchtet. Die neuere Geschichte spielt um Kirche und Pallast, innerhalb der Ringmauer der Städte und kennt nicht mehr den alten Hain, den sie mit Hirschgespann durchzogen, denn sie hat sich, wie es der Lauf der Zeiten mit sich gebracht, zahmer Cultur ergeben. Die Schriften des Plinius von den germanischen Kriegen sind vernichtet, jedoch ein ungeahnt wichtiges Denkmal teutscher Geschichte ist auf uns gekommen, die Frankenchronik des alten Hunibald:

DE ORGINE FRANCORUM UND COMPENDIUM SIVE BREVARIUM PRIMI VOLUMINIS CHRONICORUM.

Der Autor Hunibald behauptet von sich, dass er ein Franke und Zeitgenosse König Chlodwigs I. gewesen sey, und bey dessen Taufe durch den heiligen Remigius an Weihnachten 499 zugegen gewesen seye. So erfahren wir, auf welche Urkunden Hunibald sich beruft. Als ersten und ältesten von allen Zeugen führt er Wasthald den Sicamber (Scythen) auf, einen Zeitgenossen König Markomirs. Dieser Wasthald hatte die Geschichte seines Volkes in 12 Büchern aufgeschrieben, und zwar von der Zerstörung Trojas bis hin zum Tod König Markomirs im Jahre 413 vor Christo. Zur Zeit Priams, 373 Jahre vor Christo, blühte Theocal der Sohn Markomirs, erfahren in allen Wissenschaften der Griechen, Scythen und Teutschen. Ihn hatte sein Volk zum Oberpriester Wodans gesetzt, und er war Vorsteher Vater, Wahrsager und Prophet. Lange aber bedienten sich die Priester bey ihrem Dienste der griechischen Sprache und erlaubten nicht die Beymischung einer anderen. Das Volk aber, das sich schon im neuen Vaterlande eingewohnt, fing an seine scythische Sprache allmählig mit der sächsischen zu vertauschen, doch so, dass noch viele Wörter übrig blieben, die eher griechischen als theutschen Ursprung verrathen. Tempel aber hatten sie nicht bis zu dieser Zeit, sondern beriethen sich und opferten unter dichtbelaubten Bäumen, nachdem die Priester sie zuvor geweiht. Nun aber war eine Frau unter ihnen aufgestanden, Cambra, des Königs Mutter, Tochter des großen Belln von Brittanien, in ihrer Jugend schön über alle Frauen des Reiches, und so verständig, dass König und Heerführer ihrem Rathe wie dem eines Gottes folgten. Sie milderte die scythisch rohen Sitten, sie lehrte Städte und Burgen bauen, gab Anweisung Flachs zu säen und Hanf der Erde anzuvertrauen, und unterwies die Frauen wie sie ihn zu Kleidern verwebten. Sie sprach Recht und war Wahrsagerin, Priesterin der Diana und Aliurna. Ihr männlich Thun veranlasste ein Sprichwort unter dem Volke, und davon erhielt die Nation, die bisher im Gegensatze mit den eingeborenen Sachsen (= Sassen / Insassen) Neue Magen (Ankömmlinge) genannt worden war, nach ihrem Tode den Namen Sicambern.“

Sicambern-Franken

Auf Cambras Geheiß baute ihr Sohn Priam zwischen den Rheinmündungen zwey Städte Neumagen und Neustadt, beyde fortan auf lange hin der Könige Sitz. In Neumagen wurde dem Wodan der erste Tempel errichtet und in ihm Theocal zum Priester bestellt, und er erzog die Söhne der Edlen, und unterrichtete sie in den Wissenschaften, weihsagte dem Volk, schrieb die Thaten der Könige in Versen welche die Jugend an Festtagen im Tempel hersang. Zu gewissen Zeiten aber weilte er mit den Priestern in der Wildniß, dort nahmen sie nur späliche Speise und übten sich in der Ergründungdes Sternenlaufs, der Dichtkunst und alten Geschichten. Priams Nachfolger gründete auch der Göttin Pallas ein Heilig-thum, und schlachtete ihr die Knaben unter den Gefangenen, wie es denn überhaupt Sitte war, die männlichen Kriegsgefangenen dem Wodan, die weiblichen der Frigga zu opfern. In der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts vor Christo finden wir den großen Basan, zugleich König und Oberpriester Wodans, dem seiner Weisheit und Thaten wegen die Nation nicht nur königliche, sondern göttliche Ehre erwies. Keiner wagte ihm im geringsten zu widersprechen. Auf Raub, Diebstahl, Ehebruch, Betrug setzte er die Todesstrafe. Wo er ging ließ er sein Schwert vor sich hertragen, als Symbol der Gerechtigkeit, und schonte keines Standes, ja nicht des eigenen Sohnes, wenn sie gegen die Gesetzte die er gegeben, sich versündigten. Darum nannten die Priester ihn Dikajo-Basan, den ge-rechten Basan, das Volk aber Basangott, und es ging von ihm ein Sprichwort aus: „Kennent gy die groten Basan nitt?“ Er erneuerte den Gottesdienst, ordnete zu Priestern in Wodans Tempel die Gelehrtesten in griechischer und germanischer Weisheit, im Wahrsagen, Traumdeuten, in der Sternkunde, Ethik, Physik und Methaphysik. Im Tempel der Pallas, Trittonia und Frigga ordnete er nur Jungfrauen zum Dienste, zu denen in gewissen Zeiten der Zutritt allen Männern frey stand, dass sie im Tempel übten, was der Nahme der Göttin aussagt. Welche Priesterin dabey empfing, opferte ihr Kind der Pallas, nicht zum Tode, sondern zum ewigen Dienst. Wer aus diesen Tritonischen Priesterinnen eine zur Gattin erhielt, wurde nach der Niederkunft als heilig und den Göttern verwandt geehrt. Nach dem ersten Gebähren war jede gehaltenden den Tempel zu verlassen, weil nachdem die priesterliche Mutter der Göttin ihre Keuschheit geopfert, sie nun jeden, wen sie wollte, heiraten konnte. Von allem dem erzählte Hunibald gar vieles, was uns die Schamhaftigkeit nachzusagen verbietet.“

Zeit und Raum gebieten an dieser Stelle nur die wesentlichsten Mitteilungen des alten Hunibald zu erwähnen. Glaubt man seinen Worten, dann sind wir Franken eigentlich Sicambern, die den Trojanischen Krieg überlebt haben. Das antike Troja wurde in der iranischen Sprache Aspah, in den germanischen Dialekten Asgard oder Asburg genannt, was soviel bedeutet wie die Stadt der Asen, der Herren, Helden und Genies. Auf ihrem Weg durch Europa haben sich die genialen Helden zahlreiche Schlachten mit den verschiedensten Völkern geliefert. Sie kämpften in Thracien, Macedonien und Illyricum. Sie besiegten die Bojer, Taurisker, Gallier, Gothen, Burgunder, Allemannen, Celten und natürlich auch die Römer. Auf die ist der alte Hunibald gar nicht gut zu sprechen, denn er behauptet, dass deren Geschichtsschreiber, allen voran Tacitus die Ereignisse oft „lügen-haft und neidisch“ wiedergeben. Der Sicambern-König Wechtan gab dem Flüsschen Wechta seinen Namen, Odomar, erbaute Odmarshausen. Sie gründeten die Städte Paris, Bonn, Xanten, Maynz, Gröningen, Frankfurt an der Oder, Marcoburg (Marburg) Frankfurt am Mayn und schließlich auch Forchheim. Aus Genebalds Geschlecht stammten die Herzöge von Ostfranken – und Hunibald zählt uns ganz genau auf, wer wann und in welchem Theile des späteren Frankenreiches regiert hat. Für unsere Belange ist der Heerführer Theoclas interessant. Ihm folgte sein Sohn Heligast, und dem wiederum folgte sein Sohn Clodomir. Ihm folgte König Markomir und schließlich 28 Jahre vor Christi Geburt der große Heerführer Frank. Von ihm haben die Sicambern den Namen Franken – die Freyen angenommen. Sein Nachfolger war Chlodimir und dessen Nachfolger der Zauberer, Sterndeuter und Augur Clogio. Dessen Mutter war die Oberpriesterin Lothildis, Tochter des Königs von Thüringen.

Dass uns Franken viel mit den Thüringern verbindet, wird sich in der Folge noch deutlich erweisen. Wie weit die Chronik des alten Hunibald beweisbar ist, sei dahingestellt. Er jedenfalls nennt eine enorme Anzahl von Zeugen, Gelehrten und Schrifststellern, und er behauptet, dass am Schlusse des vierten Jahrhunderts nach Christi, die Franken sich ihre vier weisesten Männer zu Stammesfürsten erwählten. Einer davon war Basagast, aus dessen Geschlecht sich die Könige Basin von Thüringen ableiten. Ein anderer war Salagast, der Ahnherr der Salier. Aus Vursogast und Veeidogast aber entwickelte sich das Geschlecht der Windesheim in Ostfranken. Diese Vorstellung ist faszinierend, denn tatsächlich nannten sich die ältest bekannten Ritter unserer Nachbargemeinde Burg-windheim ursprünglich von Vindeheym / Windeheim. Dieser schöne Ort liegt bekanntlich unweit vom Kloster Ebrach. Klöster sind seit altersher ehrwürdige Häuser, und ihre Äbte stehen außerhalb jeden Zweifels. So auch der Abt Johann Trithemus (*1.2.1462 + 13.12. 1516). Jener überaus gebildete Mann war Vorsteher im Kloster Sponheim und im Schottenkloster zu Würzburg. Ihm standen die umfangreichsten Bibliotheken zur Verfügung, und er war es, der die Chronik des alten Hunibald veröffentlicht hat. Schwarz auf weiß zeigen kann sie uns leider niemand mehr, denn sie soll im Bauernkrieg (1525) vernichtet worden sein. Das brachte dem Abt Trithemus den Vorwurf ein, dass er seinen Hunibald selbst erfunden habe. Dieser Meinung schließen sich viele Historiker an. Andere Gelehrte verteidigen den Abt mit allem Nachdruck, wenngleich er der merkwürdigen Überzeugung war, dass die Sicambern, also wir Franken, einstens aus dem guten alten Troja gekommen sind. Geiselwind und Burgwindheim verraten schon in ihren Ortsnamen, dass ihre Gründer von weit her kamen. Von wo tatsächlich, werden wir vielleicht nie mehr erfahren.

Hunibald - oder dessen Erfinder Trithemus - schreibt, dass mit der Taufe des Franken-königs Clodwigs I. zugleich das Todesurteil über die altdeutsche Dichtung gesprochen wurde, die alte Heldenzeit hörte auf zu existieren. Zumindest das dürfte unbestritten sein, denn die christlichen Missionare waren fanatisch bemüht, die uralten Kultstätten zu zer-stören. Frankens größter aller Götter Odin (Wodan), und seine sämtlichen Mitgötter-und Göttinen wurden von den Missionaren für abgesetzt erklärt. Das ging keineswegs immer reibungslos von statten, und war gar manchesmal sehr ungesund für die christlichen „Heilsbringer.“

Von Ascapah zu Aschbach

Die gewässerreiche Waldlandschaft der Vorzeit war die einzige Quelle alteuropäischer Namensschöpfungen. Auch wenn es uns Nachgeborenen aufgrund des veränderten Landschaftsbildes mitunter kaum glaubhaft erscheint, dass es eine ferne Zeit gegeben hat, in der Wald und Sumpf noch als souveräne Herren regierten und die Vorstellungswelt der Namensschöpfer beherrschten, so wird es letzten Endes doch offenbar, dass der einzelne Ortsname nicht lediglich ein sprachliches Gebilde ist, dem man mit Wörterbuch, Grammatik und linguistischer Akrobatik beikommen könnte, sondern ein Produkt des vorgeschichtlichen Lebensraumes, das erst bei geographischer Betrachtungsweise Leben und Aussagekraft gewinnt.

Durch die bisherige Fehlinterpretation des Ortsnamens hat sich in weiten Kreisen die Meinung manifestiert, Aschbach sei erst vor etwa 1.000 Jahren an einem „Eschen-Bach“ entstanden.

Der Lehrbeauftragte für Etymologie Dr. Hans Bahlow widerlegt dies, indem er ausführt, dass für Aschbach die Bedeutung des zugrunde liegenden althochdeutschen Wortbegriffes Asca nicht „Esche“ sein kann, weil diese stets als Asci bezeichnet wird. Weiter erklärt er, dass Gewässer und Bäche in alter Zeit niemals nach Baumarten wie Eschen, Buchen, Eichen, Linden usw. benannt wurden. Der Name unseres Heimatortes hat sich demzufolge im Laufe der Jahrtausende von Asca-pah zu Asca-bach und Aspach, bis hin zum heutigen Aschbach entwickelt und verrät uns, dass damit eine Siedlung gemeint ist, die ursprüng-lich an einem Bach gegründet wurde, der sich seinen Weg durch ein morastig-sumpfiges Gebiet (asca) bahnen musste.


Das Bernhards-Brünnlein


 
 

Das Bernhards-Brünnlein – da wo alles begann.

Aus den Hügeln des Steinachsrangens entspringen mehrere kleine Rinnsale, die nach Norden hin in den Steinachsbach münden. Nach Süden hin, fließen zwei kleine Wasser-Läufe und vereinigen am Rande des dunklen Waldes, dort wo der Hammerschmieds-und der Steinachrangen ineinander übergehen, zum „Bernhards-Brünnlein.“ Prosaisch könnte man dieses als die Wiege Aschbachs bezeichnen, denn es ist die Quelle des Asca-pah. Dort scheinen sich die ersten prähistorischen Jäger und Fischer niedergelassen zu haben. Wer sie waren und woher sie kamen, kann niemand genau sagen. Anhand der ety-mologischen Ortsnamensdeutung des Lehrbeauftragten für Orts-und Flüssenamen Dr. H. Bahlow darf man jedoch annehmen, dass die Frühbesiedelung Ascabachs schon in kelto-ligurischer Zeit, vor cirka 3.000 Jahren geschah.

Uns Nachgeborenen mag das ziemlich unwahrscheinlich klingen, denn wir haben den Asca-bach schon lange aus unserem Gedächtnis verloren. Für uns entspringt am Bernhards-Brünnlein lediglich der „Kümmelbach.“ Der windet sich durch längst trockengelegte Sumpfwiesen von Aschbach bis Heuchelheim und vereinigt sich dort mit dem Flüsschen Reiche Ebrach.

Warum aus dem „Asca-pah irgendwann der „Kümmelbach“ wurde dürfte kein großes Geheimnis sein. An seinen Ufern wächst ebenso wenig Kümmel wie am Asch-Bach Eschen. Sein keltoligurischer Name „Cumel-pah“ bedeutet daher im Prinzip nichts anderes als morastig-schmutziger Bach und diente wohl nur dazu, die Ansiedelung und das Gewässer besser von einander unterscheiden zu können. Warum man die Quelle allerdings Bernhards-Brünnlein nennt, ist ein schwieriger zu lösendes Rätsel. Das prä-historische Grundwort „ber“ weißt ebenso wie das ligurische Bern-asca auf Schlamm und Morast hin. Um 600 v. Chr. sind etliche Sumpfbäche als Bertunum oder Berbach bekannt. Die Kelten verehrten am Bertiacum ihre Quellengöttin Veranca und nannten sumpfige Bäche „Bern-afa.“ Es mag daher durchaus sein, das unser „Bernhards-Brünnlein“ seinen Namen bereits in kelto-ligurischer Zeit erhalten hat?

Mann könnte den Namen allerdings auch mit dem heiligen Bernhard in Zusammenhang bringen und zwar aus folgenden Gründen: Die prähistorische Siedlung Asca-bach ist zweifelsfrei älter als das benachbarte Zisterzienserkloster Ebrach. Dieses wird erstmals 1127 erwähnt, als der Abt Adam mit 12 Mönchen aus dem französischen Kloster Morimont sich daran machte, hier im dunklen Steigerwald, das erste rechtsrheinische Zisterzienser-Kloster zu errichten. Abt Adam war ein enger Freund des heiligen Bernhard von Clairvaux und wurde von diesem später mit der Kreuzzugspredigt in Ostfranken und Bayern beauftragt. Er stand in hohem Ansehen beim Würzburger Bischof Embricho, bei König Konrad III. und Kaiser Friedrich I. (Barbarossa). Im Jahre 1134 konnte Abt Adam zusammen mit Bischof Embricho die Klosterkirche in Ebrach einweihen. Etwa zur gleichen Zeit erbaute die Freifrau Gundrun (Witwe des Winzio de Ascabach) in Ascabach ihre Eigenkirche. Über deren Einweihungsdatum existiert kein Dokument. Dafür allerdings die Urkunde vom 1.Mai 1136, mit der Bischof Embricho die Auspfarrung aus der Mutterkirche Hasela (Burghaslach) erlaubte. Diesem Schriftstück ist zu entnehmen, dass Bischof Embricho die Ascabacher Kirche bereits vor 1136 der allerseligsten Jungfrau Maria geweiht hatte. Zur Begleitung des Bischofs hat sicherlich auch der Abt Adam gehört. Das Dorf Ascabach bestand in jener Zeit aus dem Rittergut derer von Ascabach und allenfalls 10 weitverstreuten Gehöften. Ob es den „Dorfbrunnen“ damals schon gab ist nicht nachzuprüfen, aber selbst wenn, das klarste Wasser sprudelte zweifelsohne aus der Quelle des „Bernhars-Brünnleins.“ Diese Quelle mag bis dahin einen kelto-ligurischen Namen getragen haben, nun aber um das Jahr 1135/36 beehrte der mächtige Bischof Embricho nebst Abt Adam und Konvent unser kleines Dorf um die Kirche einzuweihen. Dafür ist neben allerhand anderen geistlichen Handlungen auch ein siebenmaliges Umrunden des Gotteshauses gebräuchlich. Dass dabei viel „Weihwasser“ versprengt wird, versteht sich von selbst. Und wo hätte man reineres Wasser schöpfen können als am „Bernhards-Brünnlein.“ Dieses klare Quellwasser in geweihtes Wasser umzuwandeln, dürfte dem Abt Adam nicht allzu sehr schwer gefallen sein. Immerhin war er ja einer der engsten Freude des heiligen Bernhard von Clairvaux. Es könnte deshalb durchaus sein, dass unser „Bernhards-Brünnlein“ seinen Namen von Abt Adam zu Ehren seines heiligen Freundes erhalten hat?

Eine dritte und weitaus simplere Erklärung ergäbe sich aus dem Umstand, dass die einheimische Familie Bernhard über einige Generationen hinweg die „Hammerschmiede“ besessen hat. Die Flur der Bernhard’s reichte bis nahe an das „Bernhards-Brünnlein“ und deswegen könnte es möglich sein, dass der Name daher stammt? Die alteingesessenen Aschbacher kennen jedoch noch die traditionellen Hausnamen und wissen, dass die Bernhard’s schlicht die „Hammerschmiede“ genannt wurden. Das heißt, wenn sich der Name von ihnen ableiten würde, dann müsste die Quelle eigentlich „Hammerschmieds-Brünnlein“ heißen. Aufgrund fehlender Schriftstücke ist es nicht möglich nachzuweisen, welche der vorgenannten Theorien die sicherste sein könnte. Zu Zeiten der Frühbesiedlung waren schriftliche Urkunden in unserem Land gänzlich unbekannt. Trotzdem weiß man, dass prähistorische Siedlungen zwangsläufig nur dort entstehen konnten, wo es ausreichend Trinkwasser gab. Deshalb besteht kein Zweifel, dass die ersten „Aschbier“ sich in unmittelbarer Nähe des „Bernhards-Brünnlein“ niedergelassen haben.

Prähistorie
Um die Besiedlung unserer näheren Umgebung ranken sich viele Sagen. Es gibt Geschichtsforscher die behaupten, die Rodungen im nördlichen Steigerwald seien erst um die Zeit Kaiser Karls des Großen (*2.4.742 + 28.1. 814) erfolgt. Andere sprechen von einem gewissen „Altsiedelland“ und wieder andere präsentieren schlicht und einfach die stummen Zeugen ihrer archäologischen Ausgrabungen.

Die ältesten Zeugnisse menschlicher Anwesenheit in der näheren Umgebung stammen aus dem ausgehenden Altpäloithikum (ca. 120.000 – 80.000 v.Chr). Die Funde im Landkreis Kitzingen beweisen, dass damals schon durchziehende Neandertaler auf der Mainfrän-kischen Platte und der Schwanberg-Hochfläche Mammuts, Bisons und Wildpferde gejagt haben.

In das Jungpaläolithikum (jüngere Altsteinzeit, ca 80.000- 10.000 v Chr.) gehören die Steinwerkzeuge vom Schwanberg und der Fischhof-Flur bei Dornheim.

Ein archäologischer Schatz wurde 1976 geborgen. Damals haben Heimatkundler am Fuße der Reblage Schalksberg bei Würzburg das Steinbeil eines Menschen aus der Altsteinzeit (Altpäloithikum) gefunden. Das Alter dieses prähistorischen Werkzeugs wird von Experten auf 80.000 Jahre geschätzt und beweist, dass “Franken“ auch schon damals kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte war.

Obwohl es von Würzburg nach Aschbach kaum mehr als 50 Kilometer sind, wäre es übertrieben behaupten zu wollen, dass auch unser Heimatort schon in der Altsteinzeit besiedelt gewesen wäre. Die „Steinzeitmenschen“ folgten zunächst den großen Flüssen und deshalb haben sich ihnen das breitgewundene Maintal und die Regnitzauen weitaus früher zur Besiedlung angeboten als der Reiche Ebrach Grund und dessen kleine Nebentäler.

Während des Mesolithikums (10.000 - 4.000 v Chr.) vermehrten sich die Jäger, Fischer und Siedler in unserer Umgebung. Typische Funde aus dieser Epoche sind steinerne Klein-Werkzeuge (Mikroliten), die man in großer Zahl bei Hellmizheim, Großlangheim, auf dem Schwanberg und bei Birkach im Steigerwald gefunden hat.

Mittelsteinzeitliche Speerspitzen, Schaber und Faustkeile wurden auch im Reichen Ebrach Grund gefunden und in unserem Nachbarort Ziegelsambach wurde sogar ein Steinbeil entdeckt. Nun mag es durchaus sein, dass die einstigen Besitzer dieser Utensilien nicht auf Dauer am „Sam-pah“ (Sambach) und „Asca-pah“(Aschbach) gelebt hatten, denn es war damals üblich die ausgebeuteten Jagd-und Fischgründe nach einigen Jahren wieder zu verlassen. Wer sich jedoch den ursprünglichen Wildreichtum des „Steigerwaldes“ und die schier unerschöpflichen Fischwasser vorzustellen vermag, wird eher zu der Meinung neigen, dass die einmal am „Ascabach“ sesshaft gewordenen Siedler keinen vernünftigen Grund gehabt hätten ihr Eldorado wieder zu verlassen.

Man darf daher annehmen, dass die Besiedlung Ascabachs sich spätestens während des Neolithikums (ca.4000 – 2000 v.Chr.) vollzogen hat. Damals breitete sich in den wald-freien Tälern eine sesshafte Viehzucht-und Ackerbaubevölkerung aus.

In der näheren Umgebung (Schwanberg, Dornheim, Iphofen) haben die Kulturen der Schnurkeramiker ihre Spuren hinterlassen. Die Hügelgräber bei Hellmitzheim und Possen-heim, sowie diverse Einzelfunde in Markt Einersheim, Sondhofen, Mönchsondheim und Breitenlohe belegen eine dichte Besiedlung in der Bronzezeit (ca. 2000-1200 v Chr.) und der so genannten Hügelgräber-Bronzezeit (1600-1200 Chr.).

Zeugnisse aus der Urnengräberzeit (1200-800 v.Chr.) wurden in Kitzingen und auf dem Schwanberg entdeckt, sowie in Iphofen, Possenheim, Dornheim, Nenzenheim Einersheim, Altmannshausen, Ullsatadt, Oberscheinfeld, Birkach, Kornhöfstadt.

In Lachheim, Neuses, Oberrimbach und Markt Taschendorf wurden Hügelgräber aus der Hallstadtzeit (850-550 v. Chr.) gefunden. Unzählige dieser prähistorischen Grabhügel sind überwuchert - oder durch den nachfolgenden Ackerbau überpflügt worden.
Kelten 
 

„Neo-keltische“ Kultsteine im Wald zwischen Wüstenbuch und Debersdorf.

Träger der Hügelgräberkulturen waren damals die in ganz Gallien und Süddeutschland verbreiteten Kelten. Die großen Wanderungen von Keltenstämmen aus Frankreich ab 400 v Chr. führten unruhige Zeiten für ihre sesshaften Volksgenossen im Mainraum herbei. Der Stamm der Bojer ließ sich hier nieder. Die Abschnittswälle auf dem Schwanberg scheinen in der Zeit keltischer Wanderungen zu Verteidigungszwecken gedient zu haben. Ähnliche Ringwälle sind noch erkennbar auf dem Frankenberg, auf dem Düllberg bei Breitenlohe, und auf der Steigerwald-Hochfläche „Sandhügel“ nördlich von Geiselwind.

Der kelto-ligurische Ortsname Asca-pah und andere verwehte Spuren weisen darauf hin, dass unser Heimatort wahrscheinlich schon zur Zeit der Kelten besiedelt war. Archäo-logische Grabungen hat es hier zwar bislang nicht gegeben, die mündliche Überlieferung besagt jedoch, dass einst in der Nähe des Bernhards-Brünnleins keltische Waffen und Schmuckstücke gefunden wurden.

Einige hundert Meter südwestlich dieser Stelle erinnert heute noch die Flurbezeichnung „Kohlplatte“ an einen ehemaligen Kohlenmeiler. Noch einige hundert Meter westlich grüßt schon unsere Nachbargemeinde „Hohn“ (am Berg).

Über deren Ortsnamen Hohn ist viel gerätselt worden. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass sich die Kelten sowohl als „Krieger“ wie auch als „die Hohen“ übersetzen lassen. Keltische Häuptlinge bewohnten meist einen gerodeten Hügel, der von Festungswällen umgeben war.

Die Kelten waren „das Volk das aus dem Dunklen kam“ und so mysteriös wie sie die Weltbühne betreten hatten, verschwanden sie auch wieder im Nebel der Geschichte. Einige Jahrhunderte lang beherrschten sie das Gebiet von der Nordsee bis zur Adria im Süden, von Portugal im Westen bis hin zum Schwarzen Meer im Osten. Im Jahr 390 v. Chr. zog ihr Führer Bellovesus mit 200.000 Kriegern über die Alpen, vertrieb die Etrusker, plünderte Rom und unternahm Heerfahrten bis nach Sizilien. 490 führte Brennus sein keltisches Heer nach Delphi, brannte den Apollo-Tempel nieder und „nahm alles mit, was sich in den Steinhäusern entlang dem Kultweg befand.“

Die Kelten waren jedoch nicht nur heroische Krieger, sondern geschickte Handwerker und weitgereiste Kaufleute. Sie teilten sich auf in Stämme oder „Clans“, wohnten in Hütten aus Stroh und Lehm, ernährten sich hauptsächlich von Wild, Schweine-und Rindfleisch, tranken gerne aus Korn gebrautes Bier und Met aus wildem Honig und Wein. Sie ließen ihre Gäste von Barden unterhalten, die ihre Heldentaten besingen mussten, und ihr König hörte auf den Rat seiner Druiden. Diese mysteriösen Priester wurden aus den vornehmsten Familien ausgewählt, wohnten mit den Häuptlingen auf deren befestigten Höhen oder in heiligen Hainen, am liebsten aber an einer Quelle.

Zwar gibt es in unserer unmittelbaren Nähe keine keltischen Kultstätten mehr, dafür aber nicht weit von Ebermannstadt. Dort befindet sich nahe der Ortschaft Gasseldorf der Druidenstein, bei Wohlmannsgesees der Druidenhein und bei Gößweinstein ein keltischer Ringwall.

Bei Bamberg gibt es die berühmte „Jungfernhöhle“ und ähnliche Kultstätten in denen unsere Urahnen ihren Göttern noch Jungfrauen opferten, hat es auch bei Marktbreit und Hohenfeld gegeben. Die steinernen Götzen aus Pröllsdorf und Zentbechhofen, die unzähligen frühzeitlichen Gräberfelder zwischen Main und Regnitz, die keltische Fliehburg bei Frankendorf und das „Heidenschlösschen“ bei Großbuchfeld lassen darauf schließen dass der Steigerwald schon in keltischer Zeit weiträumig besiedelt war.

Der Autor Franz Wittman berichtet in seinem Buch „Aschbach im Steigerwald“ über die zahlreichen Hügelgräber aus vorkeltischer und vorgermanischer Zeit bei Burgebrach, Dippach, Bamberg, Treppendorf, Oberköst, Priesendorf, Lembach, Trunstadt, Schlüsselau, Walsdorf, Steinsdorf, Förtschwind, Weingartsgreuth und Schönbrunn. Zu ihnen gesellen sich dich die „heidnischen“ Begräbnisstätten bei Hombeer, Münchsteinach, Stübach, Schornweisach, Birkach, Breitenlohe, Dornheim, Helmitzheim, Kirchrimbach, Korn-höfstadt, Markt Bibart, Possenheim, Scheinfeld, Schwarzenberg, Taschendorf, Ullstadt, Rosenbirkach, Seitenbuch, Mainbernheim, Feuerbach, Großlangheim, Dankenfeld und Eltmann. Darüberhinaus bestätigen die Befestigungsunalagen in Castell, Willanzheim, Breitenlohe, Krassolzheim, Bullenheim und Iphofen die frühzeitliche Besiedelung unserer näheren Umgebung.

 


Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß - § 106 UrhG

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Deutsche in Amerika

1850 zog es auch den 48jährigen Mauerersgesellen Michael Zipfel (*28.5.1808) von Heuchelheim nach Amerika, und zwar ebenfalls nach Rochester NY. Das wird wohl kaum ein Zufall gewesen sein. Der Nachbar Ostmann war ja schon da, und der Heuchlemer Zipfl, scheint nicht weniger trickreich gewesen zu sein, denn der foppte die Schlüsselfelder Amts-Heini` erneut. Die, respektive die königlich bayrische Bürokratie, hatten doch glatt dem Zipfel die Auswanderung untersagt. Aus welchen Gründen, ist leider nicht bekannt. Der Zipfel war ja nur ein schlichter Mauerer-Geselle, und wollte halt auch auf die Schnelle reich werden. Die Aussichten hierzu standen hierzulande äußerst schlecht, denn Mauerer gab es mehr wie Baustellen. Und reich werden konnte man in diesem Job sowieso nicht:

 „Ja leckt`s mi doch am Orsch, kein Bagger zum Fundament ausheben, keine Misch-maschin` für den Mörtl, kein Kran für für die Steine, wir Mauerer sind doch arme Schweine. Sommer wie Winter malochen wir wie die Zwangsarbeiter in Ebrach, und was kriegen wir dafür hä?“

Viel haben sie nicht gekriegt für ihre schwere Arbeit, die Mauerergesellen, und deshalb hatte es der Zipfel mit seinen 48 Jahren auch nur zu einem Vermögen von 200 fl. gebracht. Dafür hätte sich sein Vater 50 Jahre früher noch 600 Pfund Butter kaufen können. Um 1800 betrug nämlich der Gegenwert eines fl. (Florin) immerhin noch 3 Pfund Butter. Nun im Jahre 1850 war es dem Zipfel wurscht, wie viel Butterbrote er sich für sein sauer Erspartes schmieren könnte. Er wollte offenbar besseres: Porterhouse Steaks vielleicht, oder T-Boone Steaks, Lobster, Seafoot, Ham and Eggs – alles Sachen die es in Rochester NY für ein paar Cents zu schnabulieren gab.

„Also ich gebe meine Kelle ab, und folge meinem Spezi Johann Ostmann, dann kann ich mich endlich Mal ordentlich satt essen“ hat sich der Zipfel gedacht, und auf den Weg zum Schlüsselfelder Rathaus gemacht, zwecks Auswanderungspapiere und so.

„Ja mei, Herr Zipfel sind wir froh, dass sie uns die Ehre geben, wo möchten sie denn gern hinreisen, etwa in ein fremdes Terrotorium, etwa gar ins Großherzogtum Baden hä, oder ins Königreich Preußen hä, oder warum denn nicht gleich ins Königreich Hannover hä? Wissen Sie überhaupt was Sie uns für eine Arbeit machen? Können Sie sich vorstellen, was das kostet, so ein amtlicher Geburtsschein, und ein amtlicher Taufschein, und ein amtlicher Ledigenschein, und ein amtlicher Heiratsschein, und ein amtlicher Heimat- schein, ein amtlicher Gesundheitsschein, und ein amtlicher Reisepass, und ein amtlicher Auswanderugsschein, und ein...“

„He langsam du Bürohengst, ich besitze bereits einen „Wanderschein für`s Inn-und Ausland“ das heißt ich kann in ganz Deutschland ...“

„Paperlapapp, ein ganzes Deutschland gibt es nicht. Oder warst du Zipfel nie im Erdkundeunterricht hä?“

„Ach leck mich doch du Kalfaktor, ich kenne die deutschen Lande wie meine eigene Hosentasche, weil ich ein weitgereister Mauerersgeselle bin. Ich war schon in Berlin, und in Wien, und wo warst du Mauläffla hä? Bist schon Mal bis Nemberch kumma? Ham`s dir dei` Diri Dari im Puff abgnumma hä? Der Burgermaster soll kumma, mit dir red nimmer weiter.“

Folglich erschien der Herr Bürgermeister, und dachte er sieht Spuk und böse Geister, weil schließlich war doch er der Zipfel – und nicht der Andere? Ja Zefix, wer war jetztertla der Bürgermeister, und wer der Zipfl? Dieses Geheimnis ließ sich erst 150 Jahre später lüften, denn da war der Zipfel beides. So lange bis der Schlüsselfelder Zipfel der wichtigste Bürgermeister aller Zeiten wird, wollte der Heuchlemer Zipfel allerdings nicht warten:

 „Die Zeit drängt Leute, ich möchte heute meinen Auswanderungsschein, und morgen verlasse ich Heuchelheim, und dann setzte ich mich in einen Flieger rein, und fliege nach Amerika, was sagt ihr jetzertla hä?“

„Ah pah Zipfel, du spinnst doch total. Sauf es nächste Mal beim Heuchlemer-Ritter net wieder soviel Bier, nochertla hast a du a kana solcherna Haluzinationen mehr. Und glaub es uns du Spinner, es gibt keine Flieger, außer dir, weil du fliegst jetzt gleich raus hier.“

„Ja Moment amol, wo sind wir denn hier? Sind wir in anera Flugschule, odder im Schlüsselfelder Rathäusla hä?“

Diese Frage mag naiv geklungen haben damals, aber irgendwie scheint der Heuchlemer Zipfel ein weitsichtiger Mann gewesen zu sein. Aus dem Rathäuslein ist tatsächlich ein kleines Heimatmuseum geworden, und in dem kann man auch allerhand Pioniergerät aus den Anfängen der Fliegerei bewundern. In erster Linie so merkwürdige Apparate die sich zum Segelfliegen, oder besser noch, zu Bruchlandungen geeignet haben.

Unser Zipfel allerdings, der wollte mehr so mit einem Segelschiff in New York anlanden, aber diesen Spass mochten ihm die Schlüsselfelder Bürokraten nichts ums Verrecken gönnen. Mit anderen Worten, dem Zipfel wurde die Auswanderung strengstens verboten.

„Leckt`s mi am Orsch ihr Idioten“ hat sich der Zipfel gedacht, und heimlich aus dem Staub gemacht. Danach hat er das gleiche Kunststück vollbracht, wie sein Kumpel Ostmann. Er ist ohne gültige Papiere bis Rochester NY gelangt, und das war wirklich keine Einfache Sache damals. Die amerikanischen Einwanderungsbehörden waren nicht weniger streng wie heute – und wer von uns würde es schon schaffen sie mit gefälschten Papieren aus zu tricksen?

Die zwei Heuchlemer Spitzbuben haben es jedenfalls geschafft, und das ist schon sehr bewundernswert. Weitaus weniger Bewunderung verdient dagegen der Ratsbeschluß der Schlüsselfelder Stadtherren. Die waren total frustriert, weil der Zipfel sie so ausgeschmiert hat. Deswegen beschloß der Rat der Stadt, dass dem Zipfel sein gesamtes Vermögen beschlagnahmt wird. Besonders viel war`s ja nicht, aber immerhin, die Heuchelheimer Armencassa konnte es gut gebrauchen. Dieser wurde das Zipfel-Kapital zur Verfügung gestellt, mit der Maßgabe, dass es erst nach dem Tod des Flüchtlings, ohne Zins, an seine Erben herauszugeben sei. Im Prinzip eine Schweinerei - aber solche Dinge passieren hin und wieder im Schlüsselfelder Ratshaus. Was aus dem Zipfel in Amerika geworden ist, kann man in etwa aus den Census-Listen herauslesen. Besonders viele Zipfel hat`s in Amerika nicht gegeben. Dafür aber wurde bei der Volkszählung Anno 1880 in New York, Manhattan eine Witwe namens Anna Zipfel registriert. Die stammte aus Germany, wo sie 1799 geboren war. Der Heuchelheimer Johannn Zipfel ist bekanntlich 1808 auf die Welt gekommen, was zwar bedeutet, dass die Anna ein paar Jährli älter war, als der Zipfls-Michl, aber das hat`s häufig gegeben. Recht viel mehr wie zwei kleine Zipfel hat der Auswanderer seiner ältlichen Witwe jedenfalls nicht hinterlassen. Die war bei der Vollszählung bereits 81 Jahre alt, hat im Haushalt von ihrem Sohn Gantel Zipfel gewohnt, und ihren Lebensunterhalt als Hausiererin verdient. Ihr Sohn Gantel war 1824 auf die Welt gekommen, und der wusste sogar wo, nämlich in Bavaria. Wenn wir richtig kombinieren, dann war die Anna Zipfel bei der heimlichen Auswanderung ihres Mannes Michael Zipfel 51 Jahre alt, ihr Sohn Gantel 26, und ihr Sohn Andreas 18. Es scheint, als hätte der Ältere den väterlichen Haushalt in Manhattan übernommen, während der Jüngere sich ein eigenes Dach über dem Kopf suchte. Ob so, oder so, jedenfalls haben die Zipfel Brüder bei der Volkszählung 1880 folgende Angaben gemacht:

 

1.) Gantel Zipfel, Haushaltsvorstand, verheiratet, Alter 56 Jahre, geboren in Bavaria, Geburtsort des Vaters: Bavaria, Geburtsort der Mutter: Bavaria, Beruf Schneider. Bei ihm wohnen: Carolina Zipfel, Ehefrau, Alter 54 Jahre, Beruf Hausfrau, geboren in Bavaria, Geburtsort des Vaters und der Mutter Bavaria.

Pauline Zipfel, Tochter, Alter 20 Jahre, geboren in New York, Beruf Rahmenmacherin, Geburtsort von Vater und Mutter Bavaria.

Anna Zipfel, geboren in Bavaria, Witwe, Alter 81 Jahre, Beruf Hausiererin.

Carl Mayer, geboren in Baden, Alter 49 Jahre, Geburtsort des Vaters und der Mutter Baden, Beruf Rahmenmacher.

Daraus läßt sich wunderbar ablesen, dass der Zipfels Michl aus Heuchelheim wenige Jahre nach seiner Auswanderung, Frau und Kinder nachkommen ließ. Er selbst hatte sich bekanntlich 1850 in New York eingefunden, und dort hat 1860 schon seine Schwieger-tochter Carolione die kleine Pauline entbunden.

2.) Der Andreas Zipfel nannte sich nun Andrew und gab an: Haushaltsvorstand, verheiratet, Alter 48 Jahre, geboren in Bavaria, Geburtsort von Vater und Mutter Germany, Beruf: Arbeiter im Zucker-Haus. Bei ihm wohnten:

Mary Zipfel, Ehefrau, Alter 33 Jahre, geboren in Baden, Geburtsort von Vater und Mutter Germany, Beruf: Hosen-Schneider.

Frank Conrad Zipfel, Sohn, Alter 11 Jahre, geboren in New York, Geburtsort von Vater und Mutter: Germany.

Anna Zipfel, Tochter, Alter 7 Jahre, geboren in New York, Geburtsort von Vater und Mutter: Germany.

John Zipfel, Sohn, Alter 1 Jahr, geboren in New York, Geburtsort von Vater und Mutter: Germany.

Aus dem kleinen John Zipfel und seinem Bruder Frank Conrad sind große starke Zipfel geworden, und solche findet man heute noch in Amerika...

 

1851 zog es den 32jährigen Schmiedemeister Nikolaus Schmitthammer aus Heuchelheim, mit seiner Frau Anna, nach Amerika. Aus seinem Auswanderungsantrag geht hervor, dass er am 9. 10. 1819 geboren war, und am 9.11. 1850 in Schlüsselfeld die Anna, geborene Hiltner aus Schwabach ehelichte. Der Familienname des Meister Schmitthammer`s verrät uns, dass seine Vorfahren tüchtige Hammerschmiede waren. Amerika, das Land der Siedler, Rancher und Cowboys muß seinerzeit für einen fleißigen Schmiedemeister ein wahres Eldorado gewesen sein. Pferde und Planwagen, von der East-bis zur Westcoast, und Arbeit für einen Schmied bis zum Abwinken. Wir werden trotzdem nie erfahren, was aus dem Nikolaus Schmitthammer geworden ist, denn er wurde bei der Volkszählung nicht erfasst. Das kann nur bedeuten, dass er vor 1880 verstorben ist.

In den US Census-Listen existiert lediglich die Familie eines Joseph Schmidthammer, geboren 1827 in Bavaria, und von Beruf Zimmermann. Dessen Ehefrau Maria, ebenfalls 53 Jahre alt, stammte auch aus Bayern. Das Ehepaar lebte in Altoona Blair, Pennsylvania und hatte 1880 folgende Kinder: Maria 25 Jahre alt, Francisca 21 Jahre, Anna 19 Jahre, John 12 Jahre und Rosa 9 Jahre.

Der älteste Sohn des Josef Schmidthammer, hieß ebenfalls Josef, war 1853 bereits in Pennsylvania geboren, von Beruf Zimmermann, und besaß bei der Volkszählung schon seinen eigenen Haushalt. In dem wohnten: Seine 22 Jahre alte Frau Kathe, geboren in Bavaria, und der 2jähriger Sohn John. Anhand des Geburtsjahres des Josef Schmidt-hammer jr. wird ersichtlich, dass die Familie vor 1853 ausgewandert ist, und es wäre denkbar, dass es sich um nahe Verwandte der Heuchelheimer Schmittbauer` handelte..

Einen anderen Zweig der Schmitthammer finden wir in Columbus, Franklin, Ohio. Dort lebte Anno 1880 eine Frau namens P. Schmitthammer, geboren 1832 in Germany. Vom Alter her, könnte die Dame also durchaus eine Schwester unserer Nikolaus Schmitt-hammer aus Heuchelheim gewesen sein.

In Nevada lebte die Margarethe Schmitthammer. Die war am 23. Dezember 1846 in Burghöchstadt, Mittelfranken, Germany geboren, und verheiratet mit dem Valentin Ruehl, geboren am 19.Juli 1850 in Flugshof, Mittelfranken, Bayern.

Eine Anna Schmitthammer lebte in Columbus, Franklin, Ohio, und die war am 22 Januar 1871 in Germany geboren. Ihr Vater war ein G. Schmitthammer, ihre Mutter die M. Huegelschafer. Die junge Frau heiratete am 4. Juni den Frederick Paas.

Daran erkennt man deutlich, dass die Erst-Einwanderer immer wieder Verwandte aus Deutschland nach Amerika geholt haben. Dort ist es ihnen meistens wesentlich besser ergangen wie in ihrer alten Heimat. Viele haben ihr Glück gemacht – andere haben es zu nix gebracht. Die P. Schmitthammer aus good old Germany, hatte den Sprung nach ganz oben geschaft, denn die lebte anno 1880 im Haushalt des Dr. Chas A.Miller, in Hamilton/ Ohio.

Ja alles was recht ist, der Dr. Miller war mit einer M.O. Miller verheiratet, deren beide Elternteile aus Deutschland stammten. Der Sohn Charles M. (8 Jh.) und die Tochter Louisa lebten mit Papa und Mama Miller im feudalsten Anwesen weit und breit. Schätzungsweise hießen dem Herrn Doktor seine Vorfahren einst schlicht und einfach Müller. Ob so, oder so, jedenfalls leistete sich das wohlhabende Ehepaar allerhand deutsches Personal, so zum Beispiel den deutschen Koch William Kesting (28 Jh.)und die deutsche Köchin Kathe Steinmann (30 Jh.). Dazu den deutschstämmigen Kuhmelker Anthony Edstine (23Jh.), und den 18 Jährigen Farmhelfer William Edstine, sowie eine einheimische Waschfrau, einen Fahrer, drei Feuerwehrmänner, einen Nachtwächter, eine Aufseherin, einen Pförtner, zwei Ärzte und 31 Pfleger. Dieses erlesene Personal sorgte sich in der Irrenanstalt „Longview Asylum, Hamilton/Ohio“ um das Wohlergehen von 114 „Verrückten.“ Von denen waren 64 weiblich, und 50 männlich. Eine große Anzahl der Irren stammte aus Irland, Italien, Österreich und Russland - und nicht weniger als 35 aus „Germany, Preußen, Bavaria und Baden.“ Was diese bedauernswerten Menschen in die Fänge des Dr. Chas A. Miller getrieben hat, ist im Einzelnen nicht bekannt. Um so bekannter sind die damligen Zustände in den Irrenanstalten. Die unterschieden sich in nichts von Zuchthäusern für Schwer-verbrecher. Bekannt ist weiterhin, dass die Einwanderer schon bei ihrer Ankunft in New York einwandfreie Gesundheitspapiere vorlegen mussten, und auch von einem Amtsarzt untersucht wurden. Das bedeutet, dass die nachfolgend genannten deutschen Insassen erst im Land ihrer Träume verrürückt geworden sind:

F.Underich, Hausfrau, 52 Jahre; Adolph Unger, Bürstenmacher 71 Jh.;

E. Wigart Dienerin, 58 Jh.; Jakob Wagner, Schuhmacher 61 Jh.;

Mary Wessel 45 Jh.; F.W.Wogeding, Zimmermann 38 Jh.;

August Wriest, Wagenmacher 56 Jh.; Nicholas Wetzel, Arbeiter 37 Jh.,

Catherine Wester, Hausfrau 29 Jh.; Jacob Young, Arbeiter 55 Jh.,

Annie Zickner, 48 Jh.; Fred Zim, Zigarrenmacher 35 Jh.; Elisabeth Zorb 40 Jh.;

Gertrude Zwingstein 53 Jh.; Mary Schwertzer, 55 Jh.; Mary Shoo, 29 Jh.;

 P. Schmitthammer, Hausfrau 53 Jh.; Annie Strubbe, Hausfrau 53 Jh.;

Theodore Steiner, Zigarrenmacher 37 Jh.; Henry Sanders, Maler 31 Jh.;

Sophia Schaeffer, Hausfrau 45 Jh.; Lina Schlachter, Hausfrau 31 Jh.;

Elizabeth Timmer, Hausfrau 56 Jh.; .Margareth Thill, Dienerin 25 Jh.;

B.H. Thein, Töpfer 63 Jh.; J. Twachtman, Kellner 47 Jh.;

August Werner, Schrankschreiner 53 Jh.; J. Wiedemeier, Hausfrau 35 Jh.;

Phillip Walter, Arbeiter 35 Jh.; M. Wedding, Hausfrau 41 Jh.;

Henry Weber, Arbeiter 44 Jh.; W. Wenkner, Schneider 37 Jh.;

Henrietta Wann, Hausfrau 51 Jh.; Barbara Wost, Schneiderin 58 Jh.;

F. Wrampelmeier, Arbeiter 55 Jahre.

Diese Liste zeigt deutlich genug, dass nicht alle unserer Auswanderer in Amerika auf der Sonnenseite des Lebens standen. Manche sind ganz und gar spurlos verschwunden, so wie beispielsweise der Schneidergeselle Johann Ossmann aus Heuchelheim, der anno 1852 gemeinsam mit der Familie des Nikolaus Meier den Sprung übers große Meer gewagt hat. Die Familie des Gutsbesitzers Meier hatte ja ihre 26jährige Tochter Margaretha, die 24jährige Barbara, und die 12jährige Katharina mitgenommen. Mit deren Heirat ist der Name Meier verschwunden. Deshalb ist es unmöglich die Spur der Heuchelheimer Meier zu finden. Merkwürdigerweise findet sich aber auch vom damals 40jährigen Johann Ossmann keine Spur mehr. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass er vor 1880 ohne männlichen Nachkommen verstorben ist.

1852 im April war es mal wieder soweit für eine Auswanderfamilie aus Debersdorf. Der 51jährige Nikolaus Neubeck und seine 41jährige Frau Anna Maria packten die Koffer. Mit ihnen reisten die 20jährige Tochter Margaretha, die 15jährige Barbara, sowie der 13jährige Conrad und der wenige Monate alte Thomas. Da die Eltern bei der Volkszählung nicht erfasst wurden, muß angenommen werden, dass auch sie vor 1880 verstorben sind. Die Töchter verlieren mit der Verheiratung automatisch ihren Familiennamen, so dass wir nur nach den Söhnen Conrad und Thomas Neubeck suchen können. Die wären bei der Volkszählung 41, beziehungsweise 28 Jahre alt gewesen. Merkwürdigerweise ist aber keiner der beiden Brüder registriert worden. Amtlich erfasst wurde hingegen die Familie des Georg Neubeck. Der wurde 1837 in Bayern geboren, war Kaufmann von Beruf, und mir einer 1842 in Missouri geborenen Johanna verheiratet. Die Familie lebte in Altenburg, Perry Missouri mit den Kindern die alle in Missouri geboren waren: Coera 10 Jh.; Bertha 7 Jh.; Emma 5 Jh., Louisa 3 Jh. und George 1 Jahr.

In Mickean, Erie, Pennsylvania lebte die Familie des 1838 in Bayern geborenen John Neubeck. Der war von Beruf Farm Arbeiter, und verheiratet mit der 1834 in Preußen geborenen Caroline. Die Kinder wurden alle in Pennsylvania geboren, nämlich: Mary 1864, John 1869, Emma 1871 und George 1873.

In Brooklyn New York lebte der 1852 in Bayern geborene John „Newbeck.“ Der war Schuhmacher von Beruf, und mit der 1849 ebenfalls in Bayern geborenen Maria verheiratet. Das Paar hatte zwei Mädchen: Katey 6 Jahre, und Luise 3 Jahre alt, beide geboren in Brooklyn. Tja Freunde, wer dort schon einmal war, und mit heiler Haut wieder nachhause gekommen ist, der fürchtet seither weder Tod, noch Teufel. Brooklyn war und ist ein verdammt heißes Pflaster. Aber wir Steigerwälder vertragen ja was. Ob die vorgenannten Neubecks/Newbecks tatsächlich die unsrigen waren, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Franken war bekanntlich schon zu Zeiten Napoleons im Königreich Bayern aufgegangen, und deshalb wurden unsere Auswanderer drüben generell als Bayern registriert.

Anno 1880 wurden auch Neubecks aus Hessen Darmstadt und Baden gezählt und registriert. So zum Beispiel der 1842 in Hessen-Darmstad geborene Henry Neubeck. Der war Schlosser von Beruf, und mit der deutschstämmigen, 1843 in Pennsylvania geborenen Catherine verheiratet. Der Geburtsort des Vaters der Catherine wird mit Bayern angegeben, derjenige der Mutter war Baden. Der erste Sohn des Ehepaars Neubeck, namens Henry wurde 1872 in Maryland geboren. Die beiden jüngern, nämlich Adolph (*1875) und Francis (*1878) in Washington D.C.;

In Trenton, Mercer New York lebte bei der Volkszählung die Familie des 1845 in Baden geborenen Benedict Neubeck. Der war von Beruf Schuhmacher, und mit der 1846 in Bayern geborenen Philopoena verheiratet. Die beiden erste Söhne: Adolph (*1872) und George (*1874) wurden in New York geboren. Die Tochter Carolina (*1877) und der jüngste Sohn William (*1878) in Trenton/New Jersey.

In Wilkers Barre, Luzerne Pennsylvania lebte die Familie des Wilhelm Newbeck. Der war 1848 in Pennsylvania geboren, von Beruf Maler, und gab an, dass sein Vater in Germany, seine Mutter in Pennsylvania geboren sei. Seine Frau Caroline war 1852 in Pennsylvanien geboren, ihr Vater war aus Irland, ihre Mutter aus Pennsylvanien. Die Familie hatte zwei Mädchen: Roberta 5 Jahre, und Annie 2 Jahre alt.

In New York wohnte die Familie des William Neubeck. Der war dort anno 1853 geboren, von Beruf Metzger, und verheiratet mit der gleichaltrigen Christina. Die war in Italien zur Welt gekommen, und brachte ihre verwitwete Mutter Rosinna mit in den Haushalt.

Schließlich lebten in einem Haushalt in Chillocothe, Ross, Ohio noch der 1854 in Ohio geborene Harry Neubeck und die 1858 ebenfalls in Ohio geborene Laura Neubeck. Letztere gab an, dass ihr Vater und ihre Mutter in Ohio geboren seien, während der Harry den Geburtsort seiner Eltern auf Germany festlegte.

1852 im September packte auch die 54jährige Barbara Neubeck aus Debersdorf die Koffer um nach Amerika zu reisen. Sie war die geschiedene Ehefrau des Georg Sendner, und so schließt sich der Kreis wieder. 1844 war die Familie Ihres Bruders Nikolaus Neubeck nach Amerika ausgewandert, und in den folgenden Jahren die Brüder ihres geschiedenen Mannes Georg Sendner. Deswegen gibt es die Nachkommen beider Familien bis auf den heutigen Tag...

 

1852 im April, hatte sich auch der ledige Schneidergeselle Johann Ossmann (*15.7.1812), Sohn des Georg Ossmann, und der Barbara, geb. Mayer aus Heuchelheim, auf die Weite Reise nach Amerika begeben. Ob er jemals dort angekommen, und was aus ihm geworden ist, steht in den Sternen. In den Zähllisten von 1880 jedenfalls, steht nicht das kleinste Wörtchen über ihn. Das bedeutet eigentlich, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gelebt hat. Auch nicht als Junggeselle, bei irgend einer bekannten oder unbekannten Familie, denn dort wurden auch die Untermieter und „Kostgänger“ sorgsam registriert. Da sich auch keine Nachkommen gleichen Namens finden, und selbst in den Sterbelisten nicht auftauchen, muß tatsächlich befürchtet werden, dass dem Johann Ossmann kein langes Leben beschieden war.

1852 war auch ein Schicksalsjahr für die Famile Lunz aus Rambach. Also das muß man sich echt vorstellen Freunde: Da begibt sich doch tatsächlich der Witwer Johann Lunz mit seinen 10 Kindern auf die beschwehrliche Reise nach Amerika. Das Alter des Witwers und seiner Kinder ist leider nicht überliefert. Auch die Namen der Kinder fehlen. Trotzdem ist es in diesem Fall relativ einfach die Spur der „Rabier Lunz`n“ aufzunehmen. Wer nämlich anno 1852 10 Kinder mit auf die Reise genommen hat, dürfte ungefähr Jahrgang 1795/1800 gewesen sein. Die größten Kinder waren demnach bei ser Auswanderung schon erwachsen. Einige davon finden wir in den amerikanischen Volkszählungslisten tatsächlich wieder, nämlich: George *1826 Germany; Michael *1843 Bavaria, und John Lunz *1852 Bavaria. Das bedeutet, daß der kleine Johann – genannt John- bei der Auswanderung gerade Mal 1 Jahr alt war, sein großer Bruder „George“ immerhin schon 26; Der war es auch, der in der neuen Heimat eine Familie gründete, und zwar mit seiner 1830 in Germany geborenen Frau Mary. Mit ihr lebte der Schuhmacher George Lunz in St. Louis/Missouri. Dort wurde bereits 1852 seine Tochter Mary geboren, 1862 die Tochter Cecilia und 1868 der George Lunz jr.; Zur Zeit der Volkszählung anno 1880 arbeitete die 18jährige Cecilia in einer Buchbinderei und der 12jährige George jr. in einer Blechfarbrik. Bemerkenswerterweise lebte im Haushalt auch noch die in St.Louis geborene, 16jährige Schwester Josephine. Die arbeitete in einer Schuhfabrik – aber das erklärt uns nicht, wie der George Lunz plötzlich zu einer 38 Jahre jüngeren Schwester kommt? Zumal sein Vater Johann doch Witwer war. Außerdem nicht mehr der Jüngste. Zum Zeitpunkt der Josephine ihrer Geburt war der gute alte Johann Lunz aus Rambach gut und gerne 60 Jahre alt – und offenbar hat ihn die Musik in St. Louis so beflügelt, dass er der kleinen Josephine das Leben geschenkt hat: „Ja da bist platt Fat`s Domino hä?“ Vielleicht singt diese schwarze Boogie Woogie Legende deshalb so verschmitzt „ Hello Josephine, how do yo to?“

Der 1843 in Bavaria geborene Michael Lunz blieb in New York hängen arbeitete in einer Zuckerfrabrik, und ehelichte die 1841 in Bavaria geborene Barbara. Mit ihr zeugte er die Kinder: Mary *1872, und Catherine *1879.

Der kleine „John“ Lunz zog weiter nach Allegheny/Pennsylvania, und arbeitete dort als Anstreicher. Seine Frau Annie war, so wie er, 1852 geboren, allerdings nicht in good old Germany, sondern In Pennsylvania. Ihr Vater war Franzose, ihre Mutter kam aus Baden. Anno 1879 schwenkte die Annie ihrem Johnny die kleine Caldilia Lunz.

Außer den bisher genannten drei Brüdern, muß es noch einen vierten gegeben haben. Sein Name ist leider nicht bekannt, man hat nur aufgeschrieben, dass er und seine Frau aus Germany kamen. Jedenfalls hat der Vornamenlose Lunz 1854 in New Jersey seinen Sohn George gezeugt. Dann ist er wohl mit Frau und Sohn weitergezogen nach Matteson, Waupaca/Wisconsin. Dort kam 1867 der John P. Lunz zur Welt. Der lebte bei der Volkszählung im Haushalt seines älteren Bruders George, und der war ein Farmer. Seine Frau hieß Ida, war ein Jahr älter als er, und in Wisconsin geboren. Ihr Vater stammte aus Pennsylvania, ihre Mutter aus Massachusetts. Bei der Volkszählung anno 1880 waren der George und die Ida Lunz, stolze Eltern des 2jährigen John Henry Lunz...

 

1855 im September, verließ die ledige, knapp 20jährige Barbara Reuß (*9.12.1835), Tochter des Michael und der Magdalena Reuß, geb. Dennert, ihren Heimatort Heuchelheim, in Richtung Amerika. Ihre Aussichten, im „Wilden Westen“ einen schneidigen Hochzeiter zu finden, waren sicherlich hervorragend, denn dort waren Frauen Mangel-ware. Aber einfach blind in dieses Abenteuer hinein, wird sich die junge Frau wahr-scheinlich nicht gestürzt haben. Man darf vielmehr annehmen, dass auch sie Verwandte oder gute Bekannte in Amerika hatte. Und siehe da, die Reuß haben in Amerika eine Geschichte geschrieben, die uns bisher unbekannt war. Das heißt, sie gehören zu den frühesten Auswanderern die wir bislang ausfindig machen konnten. Da gab es nämlich einen Johann Christopher Reuß, und der ward 1752 in „Braack, Brunswick/Germany““ (Braunschweig) geboren. Nun mag der geneigte Leser fragen: „Ja was hat denn in drei Teufels Namen ein Reuß aus Braack im Herzogtum Braunschweig mit einem Reuß aus dem Dörfchen Heuchelheim im Fürstbistum Würzburg zu tun?“ Auf Anhieb eigentlich nichts Freunde, doch vergesen wir nicht, dass es auch damals schon Leute gegeben hat, die weit in der Welt herumgekommen sind. Die früheste Nachricht über die Familie Reuß erfahren wir aus dem Aschbacher Kirchenbuch von 1718. Dort heißte es: „den 24. Februarij ist geboren, Juliana Reuß. Vater: Sebastian Reuß, Hintersaß uff dem Hohn, Mutter: Juliana, geborene Engertin.“ Dem „Hintersaß“ (ärmlicher Zuwanderer) sein Vater scheint auch schon ihn Hohn gelebt zu heben, denn im Kirchenbuch von 1721 heißt es: Den 15ten Maij ist mit einer Christlichen Predigt beerdigt worden, Georg Wilhelm Reuß, Unterthan auff dem Hohn.“

 Am 15. Mai 1721 wurde mit einer christlichen Predigt beerdigt: „Georg Wilhelm Reuß, Unterthan auff dem Hohn.“

Vom schönen Dörfchen Hohn aus, scheinen die Reuß nach Heuchelheim verzogen zu sein, denn in den Aschbach/Hohner Katastern von 1812 und 1847 sind sie nicht registriert. Um so bemerkenswerter erscheint es uns, dass der Johann Christopher Reuß aus Braack bereits 1779 in York/Pennsylvania seine Frau Barbara ehelichte. Diese Lady hieß mit Geburtsnamen Schanck und war am 5. März 1757 in York/PA. geboren. Ihre Eltern waren der am 19. September in „Ober Ryxinge, Fahlinger Amt, Germany“ geborene Josef Schanck und dessen Gattin Elizabeth Hoenise. Auch diese war in „Ober Ryxingen“ geboren, und zwar am 6. Januar 1719. Dort, in diesem Städtchen in „Wurtemburg Germany“ haben sich die beiden am 8. November 1740 das Ja-Wort gegeben. Bereits am 16. Dezember 1741 erblickte der kleine Johannes Schanck das Licht der schwäbischen Welt. Nun sagt man ja den Schwaben gerne nach, dass sie die deutschen Schotten wären. Was das Kindermachen angeht, war der Herr Schanck allerdings nicht geizig, denn er hat immerhin eine komplette Fußballmannschaft gezeugt. Fünf seiner Sprösslinge waren echte „Schwäbele.“ Das letzte davon ist am 9. September 1750 in Ober Ryxingen zur Welt gekommen. Das nächste Kind wurde am 27. Januar 1753 in York/Pennsylvania geboren, und dadurch lässt sich die Auswanderung der Schanck Family ziemlich exakt datieren. Als siebtes Kind erblickte schließlich am 5. März 1757 die Barbara Schanck das Licht der Welt bereits in Pennsylvania. Das war prima für unseren Johann Christopher Reuß, denn der trat anno 1779 am 27. November in Little York/Pennsylvania mit der schönen Barbara vor den Traualtar. Ein Sexmuffel schien er nicht unbedingt gewesen zu sein, der Mister Reuß, denn er schenkte seiner Frau sieben Kindlein. Das erste davon schon knapp vier Wochen nach der Hochzeitsnacht. „Stille Nacht, heilige Nacht, der Herr hat schon wieder ein Wunder vollbracht“ - frohlockte der Kindsvater, denn genau in der Christnacht vom 24. Dezember 1779 ist der kleine Christian Reuß zur Welt gekommen. Nicht in einem Stall zu Bethlehem, sondern in einem Holzhäuschen in Little York/Pennsylvania.

1782 am 23. Februar gebar die Frau Reuß ein Mädchen, welches am gleichen Tag verstarb.

1783 am 27. Juli kam der kleine Jacob zur Welt, und dann besann sich der Johann Christopher Reuß darauf, dass es möglicherweise in Knowlton Hope, Warren/New Jersey interessanter sein könnte als in Little York. Folglich wurden die nächsten Kinder alle in Knowlton Hope geboren, und zwar:

1786 den 9. Dezember, Anna Elizabeth,

1787 den 26. November, Anna-Marie “Polly” Maria Catharina,

1790 den 2. Februar, Johann Cristopher,

1792 den 1. August, Anna Maria Catherina,

1795 den 1. März, Maria Barbara,

1799 den 8. April, Johann Friedrich.

Es scheint, dass der Johann Cristopher Reuß aus Braack/Germany kein großer Krieger war, denn bekanntlich tobte ja von 1775 bis 1783 der amerikanische Unabhängigkeits-krieg, in dem auch tausende deutscher-Pennsylvania Einwanderer freiwillig gegen die Engländer kämpften. An der Seite Englands kämpften unfreiwillig 2.353 Franken, aus den Regimentern des Ansbacher Markgrafen. 479 von ihnen mussten ihr Leben für die Freiheit und Unabhängigkeit Amerikas geben. Eine große Anzahl fränkischer Soldaten verspürte nach Kriegsende nicht die geringste Lust, in das alte Elend zurück zu kehren. Deshalb haben sich tatsächlich 679 seitlich in die Büsche geschlagen und sind für immer in Amerika geblieben.

In den deutschen Landen lag das „Alte Reich“ zu jener Zeit gerade in seinen letzten Zuckungen. Welcher Geisteblitz den Johann Christoph N. Reuß durchzuckte, als er zum erstenmal Bamberg gesehen hat, ist nicht überliefert. Wir wissen lediglich, dass er im Jahre 1790 in Bamberg geboren wurde. Über seine Eltern ist nichts bekannt. Verwandt mit dem Auswanderer Johann Christopher Reuß, müssen sie jedenfalls gewesen sein, denn die Vornamen Johann, Christoph und Nikolaus ziehen sich bis heute wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte der Reuß.`

Unser, im Jahre 1790 in Bamberg geborener Johann Christoph N.Reuß ehelichte jedenfalls eine junge Frau namens Barbara Martin. Von der weiß man nur, dass sie 1794 geboren war. Dem Ehepaar wurde am 22. Oktober 1816 in Bamberg ein Söhnlein geschenkt, welchem man selbstverständlich den Namen Johann Nikolaus gegeben hat. Bedauerlicherweise hat der Knabe seinen Vater früh verloren. Der ist am 1. April 1828 in „Bamberg, Bavaria/Germany“ verstorben. Ein besonders gelungener Aprilscherz war das sicherlich nicht, denn wer stirbt schon gern mit 38 Jahren und läßt Frau und Kind zurück?

Wie schon erwähnt, sind die Reuß zweifellos ein sehr wanderfreudiges Geschlecht. Deshalb suchte sich der junge Johann Nikolaus eine Frau aus „Kiel, Schleswig-Holstein/Prussia.“ Die hieß Elizabeth C. Eyser, und war am 13. November 1829 in Kiel geboren. Und wie das Leben eben so spielt Freunde, dem Johann Nikolaus Reuß aus Bamberg seine Mutter vertarb am 7. April 1850 - und ihr Enkelsohn wurde am 20. Juni in Kiel geboren, und auf den Namen Carl Ludwig getauft. Seine Mutter verstarb am 11. März 1911, sein Vater am 22. September in Eutin Schleswig-Holstein.

Damit ist zwar nicht hinreichend geklärt, auf welchen Wegen der Michael Reuß nach Heuchelheim gekommen ist. Vermutlich war er ein naher Verwandter des „Bamberger Reuß.“ Und weil die doch immer noch in Amerika eine große Verwandtschaft hatten, darf man eigentlich sicher sein, dass die junge Barbara Reuß aus Heuchelheim nicht mutterseelen-allein in der „Neuen Welt“ herumgeirrt ist...

 

1856 machte sich der ledige, 25jährige Georg Kohler aus Heuchelheim, auf nach Amerika. Der junge Mann war am 21.1.1831 zur Welt gekommen – und die mag wohl nicht sonderlich rosig für ihn ausgesehen haben. Sein Vater war ein gewisser Friedrich Seyer, seine Mutter die Schäferstochter Elisabetha Kohler aus Aschbach. Im Ur-Kataster von 1812 ist der Paul Kohler auf dem Söldengütlein mit der Nummer 89 in Hohn am Berg eingetragen. Er dürfte vermutlich der Großvater des jungen Auswanderers Georg Kohler gewesen sein. Bis zu seiner Auswanderung mußte sich der uneheliche „Kohlers Schorsch“ als Taglöhner durchs Leben schlagen. „Meine Vorfahren werden es besser gehabt haben“ vermutete der arme Teufel, aber das war ein Trugschluß. Alleine schon aus dem Namen Kohler läßt sich nämlich ableiten, dass diese „feuerigen Männli“ noch ärmer dran waren als er. Und weil wir gerade bei den Aschbier Kohler sind: Die hält jedes Kind für uralt-eingesessen, obwohl das gar nicht stimmt. Der Name taucht nämlich erstmals im Kataster von 1812 auf, und zwar in Hohn am Berg. Dort besaß der erwähnte Paul Kohler ein Söldengütlein. Anno 1847 finden wir weder in Hohn, noch in Aschbach einen Kohler verzeichnet. Man darf getrost davon ausgehen, dass die Kataster-Beamten ihren Job sorgfältiger gemacht haben, als die Schreiber der Auswanderungslisten. Wenn letztere also vermerken, dass die Mutter des 1831 geborenen Georg Kohler eine Aschbacher Schäferstochter sei, dann kann es sich hierbei eigentlich nur um eine junge Frau aus Hohn am Berg gehandelt haben. Hohn gehörte zur Verwaltungsgemeinde Aschbach, aber dafür hat sich der junge Kohlers Schorsch nix kaufen können. Der war einmal in der Großstadt Schlüsselfeld, und seither wollte er hinaus in die große weite Welt. Dieses Verlangen wurde mit jeder neuen Nachricht aus Amerika stärker und stärker. Also da kamen Nachrichten aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die hätten den stärksten Neger vom Hocker gehauen. Alles da drüben in der Neuen Welt war hundertmal größer und schöner, alles war very mutch easier – schrieb der Zipfels Michl aus New York. Und was ein Zipfel schreibt, war ist und bleibt die pure Reality. Deshalb hat wohl der fernwehkranke Schorsch Kohler sein gesamtes Erbteil in eine Schiffspassage investiert, und ist abmarschiert nach Bremen. Dort konnte er den letzten Schluck deutsches Bier zu sich nehmen, und dann begann die qualvolle Reise auf See. An der sind schon die Soldaten des Ansbacher Markrafen halber eingegangen damals, als sie auf Seiten der Engländer gegen die Ami`s kämpfen mussten. Was aber ein echter Steigerwälder Naturbursche ist, der hält alles aus – meinte der junge Kohler, und das war das Letzte was man von ihm gehört hat. Niemand weiß, ob der junge Mann die weite Reise tatsächlich überstand. In den Zähllisten von 1880 ist jedenfalls weder er, noch ein Nachkomme von ihm registriert. Das ist eigentlich schade, denn wir hätten gerne eine Verbindung zu einem Mister Antony Kohler hergestellt. Das ist der älteste Kohler den wir in Pennsylvanien gefunden haben. Er muß ein Mann der ersten Stunde gewesen sein, denn sein Geburtsdatum liegt so um 1698 herum. Er war verheiratet mit einer Marie Barbara, deren Familiennamen unbekannt blieb. Man weiß nur, dass sie um 1725 geboren ist, und am 16.Oktober 1755 in Pennsylvanien einen Johannes George Klinefelder geheiratet hat. Anno 1726 ist in Richmond Berks/ PY auch ein Johannes Kohler geboren. Der ehelichte 1749 eine Anna Maria Haaf Hassin. Diese Lady war im gleichen Ort geboren, und zwar am 27. September 1728. Zeugungskräftig wie die „feuerigen Männli“ nun mal sind, produzierte der Johannes Kohler 10 Kinder. Aus dieser Mannschaft ist schnell eine große Sippe geworden. Da wir jedoch nicht wissen, aus welcher Gegend die Kohlers eingewandert sind, lässt sich eine ähnliche Verbindung wie im Fall Reuß` leider nicht nachvollziehen...

 

1857 im Februar, begab sich die ledige Dienstmagd Helena Gegner aus Hohn am Berg auf ein Segelschiff, mit dem Ziel Amerika. Ob sie sich dort alleine durchschlagen mußte, kann niemand mit Sicherheit sagen. Wir tendieren jedoch zu der Meinung, dass unsere jungen Auswanderinnen in vielen Fällen, irgendeine Bezugsperson in Amerika hatten. Im Ur-Kataster von 1812 wurden die Häuser von Aschbach bis Hohn noch durchgehend nummeriert. Im Söldengut mit der Nummer 90 lebte damals die Witwe des Georg Gegner. Im Kataster aus dem Jahr 1847 werden die Häuser in Hohn separat nummeriert. Auf der Sölde Nummero 9, saß damals der Paul Gegner, und auf dem Söldengut Nummero 32 in Aschbach der Phillip Gegner. Der Paul Gegner in Hohn hatte einen Sohn namens Johann und drei Mädchen, nämlich die Helena, Amalie und Margarethe. Der Auswanderungsliste zufolge sollen nur zwei dieser Mädels ausgewandert sein. Die im Staats-Archiv Bamberg aufbewahrten Unterlagen beweisen jedoch, dass alle drei nach Nordamerika ausgewandert sind. Als erste zunächst die Helena, und die hat mit größter Wahrscheinlichkeit ihre Bezugsperson in Amerika gefunden. Dort lebte nämlich ein gewisser John V. Gegner aus Bavaria. Der war im Jahr 1812 geboren, und dürfte so um 1845/46 in New York angekommen sein. Dort wurde jedenfalls 1846 sein Sohn John geboren. Von welcher Frau ist leider nicht festgehalten, weil der der John V. Gegner in den späteren Zähllisten nur als Witwer geführt wurde. Dass er zweifellos der Johann Gegner aus Hohn am Berg war, ist völlig klar. Im Jahr 1857 traf seine Schwester Helena in New York ein, und begleitete ihn wahrscheinlich auf dem Weg westwärts, nämlich in die Stadt, die zur zweiten Heimat für viele Steigerwälder werden sollte: Columbus Franklin/Ohio. Dort heiratete der John Gegner jr. die 1858 geborene Minna. Deren Eltern stammten aus Sachsen, und dort sollen ja die hübschen Mädchen auf den Bäumen wachsen. Vielleicht hat der John jr. seinen Lebensunterhalt deshalb als Gärtner verdient? In Columbus gibt’s Parkanlagen Freunde, dagegen ist der Aschbier Schlosspark ein Spielplatz für Liliputaner. Also ein guter Gärtner kann sich da austoben bis zum geht nicht mehr. Gut war der junge Gegner sicher, denn wer verstünde mehr von Feld, Wald und Wiese wie ein Naturbursche aus dem Steigerwald? Goddamm, der junge Gegner war doch in new York geboren - aber that max nix, schließlich war sein Vater ja auch noch da. Und die Tante Helena dazu. Fränkische Mädchen wachsen zwar nicht auf den Bäumen, aber so schön wie die Girls aus Sachsen sind sie allemal. Und anpacken können sie auch.

 „Also packen wir es an, es gibt viel zu tun“ säuselte die sächsische Schwägerin, und schielte dabei zum Ehebett hin. In dieser Hinsicht hat der Mister Gegner Junior allerdings keine Ehre für uns fränkischen Männer eingelegt. Ob es jemals funktioniert hat mit seiner Fortpflanzung ist sehr fraglich, denn 1880 bei der Volkszählung zählte er schon 34 Lenze, aber im Kindbett hatte sich noch nichts zählbares eingefunden. Seine Schwester Helena, scheint ihr Glück noch vor der großen Zählorgie anderswo gefunden zu haben, denn im Hause des Johann Gegner jr. wurde nur er, und seine Frau, und der mittlerweile 68jährige Witwer Johann V. Gegner gezählt.

„Also bei aller Liebe my dear Lieblingssohn, du solltest mir schon mindestens einen handfesten Enkel schenken, sonst war doch die ganze Auswanderung für die Katz, to you underständ me, the whole Imidings, the Imigräschn was was fort the Cat“ moserte der John V. Gegner Senjor, und das kann man gut verstehen, denn wenn man in Amerika eine Familien Dynastie aufbauen möchte, braucht man selbst dort einen Stammhalter.

Dass es mit der Gegner-Dynastie doch irgendwie geklappt hat, liegt daran, dass die Gegner halt toughe Boys waren. Wer „in the Heart of the Steyger-Forrest“ aufgewachsen ist, meistert jedes Problem, und wer aus Hohn on the Hill kommt, der fürchtet weder Tod noch Devil: „Goddamm Boys, remember the Time, wo unsere Grandfather hat gefigthtet against the van Pulnitz äh? Remember how we finished the dammned Mulitor äh?

Okay, der „Mulitor“ dieser dammned Hundslump, betrachtete mittlerweile die Radieschen von unten. Es gab no van Pulnitz Justiz anymore from the Bruderkreuz bis up to the Kummelbaechlein by Heuchelheim, but the Time was still very lausy. Am lausigsten in Aschbi. Dort auf dem Söldengut Nummero 32, saß trübsinnig der Eduard Gegner. Der war 1834 geboren, und frisch genug für die Reise nach Übersee: „Ade ihr lieben Leut` euer Eddy fährt heut nach Amerika“ prahlte der Aschbier Kleinbauer – aber ein Gegner prahlt im Prinzip nie. Der macht sich auf nach Albany, und das geht ungefär so:

Also erstmal gehst zum Kaiserbeck und kaufst dir einen Eierweck. Anschließend gehst zum Metzgermeister Jonathan Fleischmann, und holst dir einen Zipfl Fleischwurst. Zwecks Bekämpfung von Durst, Hunger und Fernweh, hockst dich nochertla zum Adlerwirt, und rufst: „he Schorsch Hahn, mein guter Mann, schaff einmal ein Mäßla ran.“

Mit so einer einzigen Maß Bier verschaffst du dir beim Adler Wirt natürlich keinen großen Respekt. Also da musst schon noch a paar Mäßli saufen, nochertla kannst zum Rathäusla laufen – wennst noch kannst. Falls ja, torkelst zur Eingangstür hinein, öffnest die rechte Tür, und wer steht vor dir? Ein großer dürrer Mann. Der hat einen schäbigen schwarzen Anzug an, und du denkst dir Mann oh Mann, seit wann haben wir zwei Bürgermeister hä? Sobald deine Augen wieder klarer werden, reißt du dich am Riemen, und sagst: „Grüß Gott Herr Zipfel...“

„Jesses Gott guter Mann, seh ich aus wie ein Zipfel hä? Ja wissen sie denn nicht wer vor ihnen steht? Ich bin doch der Herr Lehrer, sie stören meinen Unterricht.“

„Nix für Ungut Herr Leerer, hicks, ich bin voll.“

Weilst aber jetzt schon mal da bist im Marktgemeinde-Verwaltungszentrum, drehst dich um, steigst die Treppe hoch, und probierst es an der nächsten Tür: „Grüß Gott Herr königlich bayerischer Marktschreier, hicks, ich bin der Auswanderer, verstehns?“

„Nein mein Sohn, ich unterrichte gerade die Schüler aus Hohn und Aschbach im Fach Religion, weil ich der Herr Pfarrer bin.“

„Ja leck, hicks, ja varreck, äh Verzeihung Herr Pfarrer, sie hier und der Bürgermeister in der Kirche oder wie?“

„Unsinn mein Sohn, der Herr Marktbürgermeister sitzt einen Stock tiefer.“

„Aha sitzt hä, hams ihn eingsperrt hä? Ja Sakra hicks, ja wer macht mir jetztertla meine Dingsda, meine Papiere auf den Stempel, hicks?“

„Der Herr wird`s schon richten mein Sohn, von mir kannst du allenfalls die Absolution erhalten, für die weltlichen Dinge ist die Behörde zuständig.“

„Aha versteh Herr Pfarrer, also nix für ungut“ - und dann versuchst du es endlich an der richtigen Türe. Das ist die dritte, und mehr gibt’s `eh nicht. „Dunnerkeil, dös Schild hob a ich ganz übersehn gehabt. Da stehts doch groß und deutlich: Königlich bayerisches Marktbürgermeisteramt, hicks, Einlaß nur nach Auslaß, hicks, äh nach Aufforderung. Vorher bitte anklopfen.“ Also klopfst du, und wartest auf ein Echo. Es kommt aber keines. Du wartest, wackeltst in den Knien, fasst dir ein Herz und klopft ein zweites Mal. Diesmal aber schon kraftiger. Und was passiert? Das Gleiche wie vorher, nämlich nix. Zefix, hat denn der Herr königlich bayerische Markedender wirklich so viel zu tun hä? Also jetzt pochst du zum dritten Mal – und schon meldet sich eine Stimme: „Ja wer macht denn hier so einen Lärm?“

„Ich bins der Dings hicks, der Ausreißer, äh der Aus...“

„Ja dann kommen`s doch endlich rein, und hörn sie auf so herum zu schrein.“

Also hältst du die Schnautze, öffnest die Türe zum Allerheiligsten, und rufst sofort: „Grüß Gott Herr königlich bayerischer Marktforscher, ich bin der Aussiedler“ – und dann guckst du, und dann denkst du, na nu seit wann haben wir denn eine Markedenderin hä? Odder sind`s gar zwei, die ich da so vor mir sehe? Und dann klingt eine Stimme an dein Ohr, und die säußelt: „Tagchen, ich bin die Kanzleichefin des Herrn königlich bayerischen..“

Und du denkst du bist im falschen Film, weil größer wie ein Kinderzimmer ist das Kabuff ja nicht. Ob das an dem sogenannten „Tunnelblick“ liegt, der einem nach reichlichem Alkohlgenuß heimsuchen soll? „Ah pah, dös Rathauszimmerla is so kla wie es ausschaut, und da hinter der Holzzbarriere da sitzt er doch der Holzkopf, hicks, äh der königlich bayerische ...und du reißt dir den Hut vom Kopf, knallst die Hacken zusammen, legst die Hände an die Hosennaht und rufst deutlich vernehmlich:

„Grüß Gott Herr königlich bayerischer Zipfel, äh Marktbürgermeister, hicks, ich bin der Ausreisser, äh der Gegner.“

„Wer ist ihr Gegner?“

„Ich bin meiner, hicks, ah Quatsch, ich suche einen Gegner in Nef York.“

„Den Joe Louis?“

„Schmarrn, äh Verzeihung Herr bayerischer König, hicks, äh Herr königlich bayerischer Meisterbürger, hicks, Bürgermeister, mein Name ist Gegner, Edward Gegner, hicks, und ich bitte untertänigst um die allergnädigste Genehmigung zwecks Auswanderung nach Amerika.“

„So, so Amerika, ja wie denn, was denn, wo denn, Nordamerika, Südamerika, Lateinamerika?“

„Latein hat mich das Herr Leerer nicht geleert, hicks, und außerdem will ich nach Nef York.“

„Aha, Männhättän hä? Broad Way hä? Oder gar mit die Nutten in Brooklyn herumziehn? Dafür braucht er nicht bis Amerika segeln. Vögeln kann er einfacher und billiger hinter der Frauentormauer in Nürnberg. Also da braucht er nur in die Postkutsche nach Schlüsselfeld, und dann weiter über ...“

„Halt Bürgermeister, halt du königlich bayerischer Suppenkasper, ich will net ins Puff, ich will zum Buffalo Bill, hicks, äh zu die Indianer, hicks die Amerikaner, verstehst dös du Döskopf?“

„Ja freili versteh i di` warum sagst denn dös net gleich, und warum überhaupt so förmlich alter Spezi, ja kennst mi denn heut ganz und gar net, ich bin doch der Metzlers Schorsch. Heiland Sakra hast wieder a wengla zu tief ins Krügla hä?“

„Ja tatsächlich, ja Kreizdunnerkeil, du bist es Schorsch, ja leck mi am Orsch, seit wann bist denn du ein bayerischer König, äh ein königlicher Bayer hä?

Im Prinzip war der Georg Metzler weder das Eine, noch das Andere, sondern ein solider Aschbier. Die waren dratitionell alles Andere, nur keine Bayern. Der Lederhosen Monarchie war es bekanntlich erst 1807 gelungen, die henneberg-fränkische Bastion Aschbach/Hohn zu okkupieren. Fünf Jahre später haben dem Bayern-Kini seine eifrigen Beamten das Aschbacher Ur-Kataster angelegt, und in dem finden wir schon den Jakob Metzler. Der residierte im Tropfhaus Nummero 41. Im nächsten Kataster, anno 1847 finden wir unter der Hausnummer 29 b, den Mauerer Nicolaus Metzler. Aus dem seinen Sohn Georg wurde ein Mauerermeister, und so ganz nebenbei ein Bürgermeister. Diese braven Männer waren damals längtst noch keine angestellten oder beamteten Faulenzer. Die führten ihre Amtsgeschäfte mehr so nebenher, und das war ganz schön schwer. Verwalte doch ersteinmal Jemand so eine illustre Ortsgemeinde mit ganzen 540 Ein-wohnern, von denen über 20% Juden sind. Der Rest teilt sich fast gleichmäßig auf in Katholiken und Protestanten, und von letzteren alleine hausen 16 Familien in Hohn am Berg. Die Juden haben ihren Rabbi, die Katholiken ihren Kuratius, die Protestanten ihren Pfarrer, und jeder will was anderes, aber alle wollen das Gleiche, nämlich eine volle Schüssel. Die kann der Hausherr aber nur dann auf den Tisch stellen, wenn er eine halbwegs einträgliche Landwirtschaft betreibt. In diesen Genuß sind die wenigsten gekommen, weil anno 1848 hat der Bayern Kini den Herren von Pölnitz zwar ihr Patrimonial Gericht weggenomen, mehr aber auch nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass die Pölnitz komfortabel abgefunden worden sind, darf man nicht vergessen, dass ihnen nach wie vor, Wald und Flur vom Bruderkreuz bis Heuchelheim gehörten. Deswegen war viel zu wenig wenig Landwirtschaftsfläche da, und deshalb ernährten sich die Kleinbauern äußerst mühsam. Noch weitaus ärmer waren die Taglöhner dran. Mindestens zehn Familienväter mussten alleine in Aschbach ihren Anhang praktisch „von der Hand im Mund“ ernähren. Mindestens fünf Aschbacher Juden mussten ihre Familien als „Handelsmänner“ sprich Hausierer über Wasser halten. Alle anderen, egal ob Christen oder Juden, waren Söldengütler, und Kleingewerbetreibende. Kein Wunder also, dass es so viele fort getrieben hat, in die Fremde. So wie halt unseren guten Eduard Gegner auch. Der hatte 1823 in Aschbi das Licht der hungernden Welt erblickt, und folglich war er im gestandenen Alter von 34 Jahren, als er in New York vom Segelschiff getorkelt ist. Sein etwas unsicherer Schritt, lag aber keinesfalls am Alkohol, sondern an der üblichen Seekrankheit. Weil aber der Eduard kein Seemann werden wollte, schaute er sich im Staate New York erst nach einer Frau, und dann nach einer Farm um. Die Farm schien damals wichtiger gewesen zu sein, denn von ihr wissen wir, dass sie in Watervliet Albany/ New York lag. Den Namen der Farmerin kennen wir nicht, dafür aber die seiner drei in NY geborenen Kinder: Jenny (* 1860), Louisa (* 1861) und Edward (* 1868). Bei der Volkszählung anno 1880 war der 57jährige Eddy bereits verwitwet. Seine Kinder arbeiteten auf der Farm, und als zünftiger Mann aus dem Lande Bayern, leistete sich der Eddy zwei Preußen als Cowboys, nämlich den 55jährigen Frank Rosa, und den 20jährigen Nicolas Stine.

Eine Generation später rückten die nächsten Gegner aus Bavaria an. Allen voran der 1841 geborene John W. Gegner. Der war auch ein Farmer, und ehelichte die 1847 in Bavaria geborene Eliza. Mit der zeugte er in Oskaloosa, Mahaska/Iowa drei Kinder, nämlich die 1873 geborene Curnie, den 1874 geborenen George, und die 1877 geborene Maggi. Mit den Preußen hat`s der smarte Johnny W. offenbar nicht so sehr gehabt. Deswegen beschäftigte er als Magd die Mrs. A. King. Die war anno 1836 in Bavaria geboren und hatte ein kleines Mädchen namens Mary bei sich. Dieses Kind war 1875 in Oskaloosa zur Welt gekommen, und kurze Zeit später war ihre Mutter auch schon Witwe.

Wie gesagt, ein Gegner kommt selten allein, und deshalb fand sich auch der 1845 in Bavaria geborene Conrad Gegner in Oskaloosa /IA ein. Irgendwie haben es die Gegner mit den Sachsen, denn der gute Conny ehelichte die 1856 in „Saxony“ geborene Lizzi. Die schenkte dem Farmer Conny zwei Buben, nämlich 1876 den John, und 1879 den Henry. Als Magd durfte sich die 1863 in Bavaria geborene Hurway King ihre Dollars verdienen. Bei diesem 17jährigen Mädchen scheint es sich um eine weitere Tochter der Mrs. A. King gehandelt zu haben. Nun ist „King“ ja kein typisch bayerischer Name, weshalb es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder die Familie hieß hierzulande König, oder aber der verstorbene Mister King hatte das Mädchen als seine Stieftochter angenommen.

 

Der nächste Farmer in Colerein, Hamilton/Ohio war der 1847 in Bavaria geborene Matthäus (Matthew) Gegner. Der heiratete die Halbamerikanerin Mary. Die war 1852 in Ohio geboren, ihr Vater stammte aus Hannover, ihre Mutter aus Ohio. Mit ihr zeugte der „Matthew“ zwei Söhne und zwei Töchter, nämlich: 1873 die Edna, 1875 den Frederik, 1873 den Charles, und 1879 die Margarethe. Als Kesselflicker durfte sich der 44jährige Frederick Wilhelm Plece aus der Schweiz sein Geld auf der Farm verdienen, und als Magd die 20jährige Hannah Snyder aus Irland.

 

So um 1873 herum erfolgte ein erneuter Ruf von Oskaloosa, Mahaska/Iowa nach Bavaria. Der erreichte auch prompt den 1851 geborenen George Gegner. Der schiffte sofort übers Meer und wurde zur Abwechslung mal kein Farmer, und auch kein Gärtner, sondern Schrotthändler. Als solcher lebte er mit seiner 1856 in Bavaria geborenen Frau Maggie, und dem 1873 in Oskaloosa geborenem Sohn William, anscheinend glücklich und zufrieden.

Unsere 1857 aus Hohn am Berg ausgewanderte Dienstmagd Helena Gegner dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit ihren Lebensunterhalt zunächst auf der Farm eines der vorgenannten Onkels und Tanten verdient haben. Es ist anzunehmen, dass sie vor 1880 geheiratet hat, und deshalb lässt sich ihr Name in den Zähllisten nicht finden...

 

1857 im Wonnemonat Mai war es mit der Warterei auf eine Auswanderungs-Genehmigung für die Justinia Margaretha Dallner aus Heuchelheim endlich vorbei. Die Eltern dieser 23jährigen Frau, waren der Weber Leonhard Dallner und seine Frau Margaretha. Im Aschbacher Ur-Kataster von 1812 wird der Kaspar Dallner als Gütler auf der Sölde Nummero 36 geführt. 1847 ist der Friedrich Dallner als Hammerschmied registriert. Die Heuchelheimer Dallner hatten folglich Verwandtschaft, und deswegen könnte für die Justina Margaretha das Gleiche zutreffen wie für die vorgenannte Helena Gegner. Sie wird höchstwahrscheinlich eine Bezugsperson in Amerika besessen haben, und das könnte in diesem Fall der George Dallner gewesen sein. Von dem weiß man allerdings nur, dass er 1830 in Fair Field, Jefferson/Iowa geboren war. Daraus lässt sich ableiten, dass seine Eltern schon vor diesem Zeitpunkt ausgewandert waren. Jedenfalls hat der George Dallner in Jefferson/IA die, ebenfalls dort anno 1834 dort geborene, Sophia Smith geheiratet. Am 26.Juni 1856 schenkte die Sophia ihrem Georgy ein Zwillings-päarchen, nämlich den kleinen Georgy jr. und die Christine. Es könnte also durchaus sein, dass die „Tante Sophia“ ihre Nichte Justina Margaretha als Gouvernante nach Iowa geholt hat? Falls ja, dann hat sie ihren Job prima erledigt, denn die Dallners sind in Amerika immer noch gut vertreten...

 

1857 im Oktober trat der 23jährige, katholische Schneidergeselle Jakob Rheinmüller aus Aschbach die stürmische Seereise nach Amerika an. Warum die Bürokraten ausgerechnet beim jungen Rheinmüller die Religionszugehörigkeit vermerkten, ist nicht bekannt. Vielleicht weil sein Reisedatum sehr unglücklich gewählt war. Im Oktober/November fegen schwere Herbststürme über das Meer, und da kann es schon sehr hilfreich sein, wenn man fest im Glauben ist. Die Margaretha Rheinmüller hatte ihren Sohn Jakob ledig zur Welt gebracht, und hat sicherlich auch so manches Stoßgebet zum Himmel geschickt. Ob dem jungen Mann die Reise geglückt ist, weiß man nicht. Man weiß lediglich, dass im Aschbacher Kataster von 1812 der Michael Rheinmüller als Eigentümer des Tropf-häuschens mit der Nr. 37 verzeichnet ist. Dieses Haus in der „Federwisch-Gasse“ war späterhin das Domizil vom Valentin Römer – besser bekannt unter dem Namen „Hutzel-Dada.“ Im Kataster von 1847 findet sich schon kein Rheinmüller mehr. Es könnte demnach durchaus sein, dass ein Bruder der Margaretha Rheinmüller das Haus verkauft hat, und nach Amerika ausgewandert ist. Dort entdeckten wir einen 1828 in Germany geborenen Wilhelm Rheinmüller. Der könnte rein vom Alter her, ein Onkel des jungen Auswanderers Jakob Rheinmüller gewesen sein. Mit Sicherheit wissen wir jedoch lediglich, dass der Willhelm seine 1838 in New York geborene Frau Mary heiratete. Der ihre Eltern waren schon in der Stadt am Hudson River geboren. Ihren Schwiegersohn Willy zog es jedoch mehr so nach Ohio hin. Deshalb ließ er sich in Norwalk, Hutton/Ohio nieder, und dort ist auch seine Tochter Ida im Jahr 1857 zur Welt gekommen. Mehr ist leider über die Rheinmüller`s nicht verzeichnet...

 

1858 zog es auch die „ledigen und herrenlosen“ Schwestern Amalie und Margaretha Gegner aus Hohn am Berg nach Amerika. Das Wort „herrenlos“ dürfen wir praktisch mit „arbeitslos“ übersetzen. Auf den Farmen ihrer Onkels in New Jersey, Iowa und Ohio hat es sicherlich Arbeit in Hülle und Fülle gegeben...

 

1858 im Juli wagte sich auch die ledige, 29jährige Barbara Gernet, uneheliche Tochter der Margaretha Gernet aus Aschbach, aufs Schiff. Dass die Männer am anderen Ufer Schlange gestanden haben für das Aschbacher Dorfmädchen, ist schwer vorstellbar. Und das nicht nur, weil die Barbara kein Teenager mehr war. Auch nicht, weil ihre Mutter Margaretha sie ledig zur Welt gebracht hatte. Der Barbara ihr Handicap dürften zweifellos ihre eigenen fünf unehelichen Kinder gewesen sein. Tja Freunde, welcher reiche Ami wartet schon auf eine arme Dorfschönheit mit fünf Kindern? Von denen war das älteste gerademahl 8 Jahre alt, und das jüngste lediglich „etliche Monate.“ Oh weh, oh weh, mit einer Hand voll solch kleiner Würmchen die Strapazen und Gefahren auf einem „Seelenverkäufer“ zu riskieren, soll schon etwas heißen. Es ist nicht bekannt, ob diese erbarmungswürdige Auswanderfamilie die Reise überstanden hat. Ganz zu schweigen davon, wer eigentlich die Überfahrt finanzierte? Die Familie Gernet ist in den Katastern nicht zu finden, und das bedeutet zweifelsfrei, dass sie nicht zu den Besitzenden gehörte. Tja Freunde, so schnell ändern sich die Zeiten, denn 1790 war der Leonhard Gernet noch als Wirth, Beck und Bürgermeister tätig. So wie es aussieht könnte die gute Barbara zwei Brüder gehabt haben, die vor ihr nach Amerika ausgewandert sind. In Columbia-Pennsylvania lebten nämlich die Brüder S.G. und H.C. Gernet. Beide waren Farmer, und beide gaben an, dass ihre Eltern in Pennsylvanien geboren seien.

Bliebe also nur noch zu hoffen, dass ein naher Verwandter lange vorher nach Pennsylvania ausgewandert ist, und diese zwei US Boys gezeugt hat? Fataler Weise ist die bemitleidenswerte Barbara Gernet in den Zähllisten nicht registriert, obwohl sie zum Zeitpunkt der Zählung erst 51 Jahre alt gewesen wäre. Noch tragischer erscheint es, dass selbst ihre Söhne Lorenz und Georg nirgendwo auftauchen, obwohl sie doch anno 1880 lediglich 30 und 22 Jahre alt gewesen wären. Das lässt nichts Gutes ahnen...

 

 

1858 im Juli, begann mit der Auswanderung der Amalia Meyer * ein neues Kapitel der Aschbacher-Auswanderergeschichte. Der Ort, einschließlich Hohn am Berg beherbergte, entsprechend der Statistik von 1852, insgesamt 540 Einwohner. Davon waren über die Hälfte Katholiken, knapp Zweihundert Protestanten, und 115 Juden. Das bedeutete einen jüdischen Bevölkerungsanteil von über 21 Prozent. Dass es hier 85 Jahre später keinen einzigen Juden mehr geben könnte, hat niemand auch nur im Geringsten ahnen können. Die jüdischen Mitnachbarn waren längst in das Gemeinwesen integriert, und deshalb hatte die Auswanderung der Amalia Meyer sicherlich kein politisches Motiv. Bei dieser jungen Frau handelte es sich um die ledige, 20jährige Tochter der Witwe Sara Maier, wohnhaft Aschbach Heimgasse 9a. Im Kataster von 1847 finden wir die „Maiers“ nicht. Wohl aber den Handelsmann Lippmann Meyer (Mayer). Der war Eigentümer des Anwesens Nummero 39, das später die Bezeichnung „Heimgasse 9“ erhielt. Die Privattauche des Lippmann Meyer wurde 1860 von der jüdischen Kultusgemeinde zum „Frauenbad“ erweitert, und diente den jüdischen Mitbürgern bis 1913 als allgemeine Mikwe.

In Aschbach, wie im ganzen Land war bekannt, dass die jüdischen Frauen äußerst hübsch waren, und über einen ausgeprägten Familiensinn verfügten. Diese Vorzüge haben so manchen Einheimischen Christen verleitet, eine Jüdin zu heiraten. Die Enkel mussten es ausbaden, denn diese völlig normalen Ehen wurden im „Dritten Reich“ übernacht zu „Mischehen“ verdammt. Wenn es nicht so tragisch wäre, müsste man sagen, diese Geschichte ist einfach kurios. Man stelle sich doch bloß einmal folgendes vor: Da heiratet heutzutage ein junger Mann eine hübsche Türkin, Jugoslawin oder Asiatin. Gerade die Kinder aus solchen Mischehen sehen meistens besonders goldig aus. Käme nun aber der oft zitierte „kleine Hitler“ an die Macht, was geschähe dann? Die unseligen „Rassen-gestze“ würden angewandt. Die Ehe müsste geschieden werden, die Mutter und Kinder hätten das Schlimmste zu befürchten. Nicht weil sie Ausländer waren, denn das waren unsere Juden ja auch nicht. Nein Freunde, die Familie wäre dem Tod geweiht, nur weil sie keiner christlichen Religion angehörte. Nun behauptet die christliche Kirche allerdings von sich selbst, dass ihre Religion auf Nächstenliebe aufgebaut sei. Es wäre müßig all die heiligen Päpste und Bischöfe im Himmel fragen zu wollen, ob das grausame Abschlachten von Abermillionen „Heiden“ in früheren Zeiten wirklich ein Indiz für „Nächstenliebe“ war? Um die Wahrheit heraus zu finden, muss man jedoch nicht bis ins finstere Mittelalter zurückgehen. Es würde genügen, wenn wir den Heiligen Vater fragen könnten, weshalb der Vatikan nicht alles Menschenmögliche getan hat, den „Holocaust“ zu verhindern?

Für solch unangenehme Fragesteller hat der Heilige Vater keine Sprechstunde in seinem Terminkalender eingeplant. Das ist auch wiederum verständlich Freude, denn das un-vorstellbare Vermögen des Vatikans will professionell gemanagt und verwaltet werden. Die Kardinalfrage des Überlebens armer Juden im Dritten Reich war lange Zeit das nötige Kleingeld und ein Reisepass. Über beides hat der Vatikan im Übermaß verfügt. Ein legerer Griff in die überquellende Kirchenkasse, hätte unzählige Menschenleben gerettet. Ein vom Vatikan ausgestellter Diplomaten-Pass hätte Wunder gewirkt. Beispielsweise so, wie beim Erzbischof Paul Kasimir Marzinkus – besser bekannt als der „Bankier Gottes.“ Dieser größte Mafiosi des vergangenen Jahrhunderts, hat mit seinen Komplizen aus dem Vatikan und der italo-amerikanischen Rauschgift Mafia, eine Reihe von Banken um mehr als eine Milliarde US Dollar betrogen. Dafür wurde er von einem Mailänder Gericht zu einer empfindlichen Gefängnisstrafe verurteilt. Den Heiligen Vater Johannes Paul II. hat das nur gelangweilt. Der ernannte in seiner göttlichen Allmacht den Schwerverbrecher Marzinkus zum vatikanischen Regierungspräsidenten, segnete ihn mit einem himmlischen Diplomaten-Pass – und das war’s.

Für die junge Jüdin Amalia Meyer war das Kapitel Vatikan und Europa glücklicherweise schon im Sommer 1858 beendet. Sie ist ausgewandert in`s gelobte Land, und das hieß damals nicht Israel, sondern Vereinigte Staaten von Nordamerika...

 

1858 im August bestieg auch der ledige, 27jährige Schuhmacher-Geselle Michael Joseph Förster aus Aschbach, einen „Seelenverkäufer.“ Im Kataster von 1847 wird unter der Hausnummer 66b der Schuhmacher Johann Förster geführt. Besonders reich konnte so ein „Schuhflicker“ micht werden, denn die meisten Dörfler reparierten ihre rustikalen Knobelbecher selber. Es verwundert deshalb auch nicht sonderlich, dass der „Försters Jackl“ sich als letzter Nachtwächter Aschbachs sein kärgliches Brot verdienen mußte. Dieser Job wurde von der Gemeinde 1915/16, wegrationalisiert, weil das Dorf doch hell genug beleuchtet war. Zwar nur mit Petroleumlampen, aber das genügte. Abends um 10.00 Uhr wurden sowieso die Gehsteige hochgeklappt, obwohl sie gar nicht vorhanden waren. Um 2.00 Uhr nachts wurde die „Straßenbeleuchtung“ gelöscht, und dann war Ruhe im Karton. Um den Auswanderer Joseph Foerster ist es auch schnell ruhig geworden, denn obwohl er bei der Volkszählung erst 51 Jahre alt gewesen wäre, finden wir keine Spur mehr von ihm...

 

1858 ebenfalls im August begab sich die ledige Margaretha Schuster aus Ziegelsambach mit ihrem 1 ½ jährigen Töchterchen Kunigunda, auf die weite Reise nach Amerika. Die Schuster gehören zu den alteingesessenen „Sambiern.“ Einer ihrer Nachkommen, der Richard Schuster hat sich mit dem Verfasser in Aschbach noch die Schulbank geteilt. Das war eine prima Sache so kurz nach dem II. Weltkrieg, denn der „Busch-Hartl junior“ brachte reichlich belegte Pausebrote mit, und erwies sich als äußerst freigiebig. Naturgemäß ist in alter Zeit zwischen Aschbach und den umliegenden Ortschaften viel hin-und her geheiratet worden, und deshalb finden wir auch schon im Kataster von 1812 die Elisabetha Schuster als Bewohnerin des halben Tropfhauses mit der Nummero 73. Anno 1847 lebte im Haus mit der Nummer 29a die Witwe des Johann Schmidt, Maria geborene Schuster. Ob diese Familie auch in Nürnberg Verwandte hatte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Zu wünschen wäre es der Immigrantin Barbara Schuster jedenfalls gewesen, denn ein gewisser John Schuster, geboren um 1800 in „Nurenberg, Provinz of Bavaria“ hat einen Sohn namens John Schuster gezeugt. Der Name der Mutter ist leider nicht überliefert. Es ist nur festgehalten, dass dieser John Schuster jr. am 17. August 1826 in „Nurenberg“ zur Welt kam. Geheiratet hat der junge Mann am 27. Februar 1849 in Phillipsburg/Pennsylvania die Catherine Elizabeth Isenhoot. Diese Lady hatte am 5. Dezember 1827 in „Oberness, Oberfranken, Country of Bavaria/Germany“ das Licht der Welt erblickt. Also das bedeutet eigentlich, dass der John Schuster jr. sich auch in unserer Gegend umgesehen hat. Weshalb er nicht im schönen Frankenland geblieben ist, kann man nicht mehr feststellen. Jedenfalls scheint es ihm in Pennsylvanien auch nicht besonders gefallen zu haben, denn seine drei Söhne wurden in Pomeray Meigs/Ohio geboren. Als erster am 14. Juni 1850 der John Peter, danach „ungefähr 1852“ der Frances, und „ungefähr 1854“ der Aaron. Es könnte also sein, dass die Margaretha Schuster nicht auf sich allein gestellt war in Amerika ...

 

1859 begab sich die ledige, 25jährige Barbara Zipfel aus Aschbach, mit ihrer 2jährigen unehelichen Tochter Margaretha auf ein Segelschiff nach Amerika. Wie uns die Bürokraten berichten, handelte es sich bei der Barbara um die uneheliche Tochter der Taglöhnerin Maria Anna Zipfel aus Aschbach. Es ist aber weder im Kataster von 1812, noch von 1847 eine Aschbacher Familie Zipfel verzeichnet. Man darf deshalb getrost annehmen, dass die Taglöhnerin Maria Anna Zipfel zwar ihr kärgliches Brot bei den Aschbacher Bauern verdient hat, aber eigentlich zur Familie des Heuchlemer Schlaumeiers Michael Zipfel gehörte. Der war bekanntlich 1808 geboren, und insofern könnte die Anna Maria durchaus eine Schwester von ihm gewesen sein. Darauf deutet auch hin, dass die Mädchennamen Anna und Maria sich bei den Zipfel in Amerika mehrfach wiederholen...

 

1860 im September, gelangte die „ledige und elternlose“ Elisabetha Sponsel mit ihren 5jährigen Sohn Johann Jakob auf ein Segelschiff. Die Auswanderungslisten berichten, dasss sie die Tochter des Hammerschmieds Christoph Sponsel war. Im Urkataster von 1812 wird der Johann Wolfgang Sponsel als Hammerschmied geführt. 1847 wird dort bereits der Friedrich Dallner registriert. Besonders lange waren die Sponsel also nicht hier tätig. Wo diese Familie überhaupt hergekommen – und wo sie hingegangen ist, verraten uns die hiesigen Unterlagen nicht. Deshalb erscheint es interessant, was die genealogischen Experten der „Heiligen der letzten Tage“ (Mormonen) über die ober-fränkische Familie Sponsel herausgefunden haben. Entsprechend der Mormonen-Unterlagen, wurde um 1774 in Colmreuth Oberfranken/Bavaria ein Georg Sponsel geboren. Dessen Frau hieß Anna, stammte ebenfalls aus Colmreuth, und gebar dort um 1770 den Johann Sponsel. Der könnte also durchaus der Vater des Aschbacher Hammerschmieds Johann Wolfgang Sponsel gewesen sein. Wenn wir die weiteren Unterlagen an-nähernd richtig deuten, dann hatte der Meister Johann Wolfgang zwei Brüder, nämlich den 1824 geborenen Christopher und den 1827 geborenen Nick (Nikolaus). Beide wanderten nach Amerika aus, und zwar der Christopher mit seiner Frau Elisabeth, der Nick mit seiner Frau Federica. Der Ältere ließ sich in Ohio als Farmer nieder, und zeugte 8 Kinder. Der Jüngere machte es sich als Farmer in Jefferson/Indiana bequem – und die Nachkommen der beiden Sponsel Brothers leben heute noch glücklich und zufrieden in Amerika. Hoffen wir, dass es der Elisabetha Sponsel ebenso ergangen ist...

 

1860 im Februar begab sich die ledige Anna Margaretha Porlein mit ihrer 11jährigen Tochter Katharina Barbara auf ein Segelschiff nach Amerika. Besonders glücklich war dieser Reisetermin auch nicht gewählt, denn auch die Frühjahrsstürme haben schon so manches Schiff auf den Grund des Meeres geschickt. Aber selbst wer mit heiler Haut in Amerika von Bord gehen konnte, war nach solchen Torturen mehr tot wie lebendig. Die Sterberate während der Überfahrt betrug durchschnittlich 10 Prozent, in besonders schlimmen Fällen kam es auch vor, dass nur noch die Hälfte der Passagiere die Küste New York erblickt hat. Es ist deshalb mehr als verwunderlich, dass so viele Mütter ihren Kleinkindern dieses Risiko zugemutet haben. Verständlich wird das Ganze nur, wenn man sich die Situation der ledigen Mütter hierzulande vorstellt. Diesen bedauernwerten Geschöpfen ihr karges Leben war eine einzige Katastrophe. Von der Dorfgemeinschaft verachtet, vom Pfarrer als „Hurre“ tituliert, und vom Kindsvater voll ausgeschmiert. Da war nämlich nix von wegen Alimente und Kindergeld, und Sozialhilfe und so. Gar nix. Wer nicht betteln gehen wollte, mußte sich als Taglöhnerin verdingen, und oft genug hat so ein Bauernrammel diese Situation auch noch rücksichtslos ausgenutzt. Alsdann hatte die „liederliche und nichtsnutzige Hurre“ noch einen hungrigen Bankert mehr am Hals, und deshalb war es wohl besser rechtzeitig die Flucht nach Vorne anzutreten. So mag auch die Anna Margaretha Porlein gedacht haben. Die entstammte einer der angesehen, alteingesessenen Familien. Schon im Ur-Kataster anno 1812 wir der Balthasar Porrlein als Bewohner des halben Tropfhauses Nr. 57 registriert. Dazu der Valentin Porrlein auf dem Söldengut Nr. 21, und der Matthäus Porrlein auf dem Söldengut Nr. 33. Im Kataster von 1847 finden wir den Söldner Johann Porlein auf der Sölde Nr. 20, sowie den Bauern Balthasar Porrlein und den Georg Friedrich Porrlein im Anwesen Haus Nummer 31. Über den Balthasar -auch Johannes Balthasar genannt- lohnt es sich näher zu berichten, denn dieser brave Mann hatte ja als kleiner Bub die leibhaftige Marktwerdung Aschbachs erlebt. Dieses Wunder muß den kleinen Balthasar so nachhaltig beeindruckt haben, dass er später hin nix anderes als „Marktbürgermeister“ werden wollte. Dieser Wunsch war durchaus verständlich, denn endlich durfte sich doch die freie Marktgemeinde Aschbach frei und unabhängig selbst verwalten. Zumindest theoretisch. Praktisch hatten die Freiherrn von Pölnitz dagegen allerhand einzuwenden. Am nachdrücklichsten ihr schurkischer Patrimonial-Gerichjtshalter Molitor. Tja Leute, das mit der Aschbacher Selbstverwaltung war nix als ein schöner Traum. Besser gesagt, ein einziger Alptraum. Ob Aschbach hennebergisch, oder bayrisch war, bis 1848 änderte sich an den mittelalterlichen Gepflogenheiten nichts. Bis dahin mussten Aschbacher und Hohner schön sauber ihren „Blut und Obst, Groß und Klein, Haus und Hofzehnt“ pünktlich und regelmäßig bei den Herren vom Kaulberg abliefern. An kleineren Amtsgeschäftchen, die allenfalls unter das Gemeindliche Ruggericht fielen, gab es natürlich jede Menge zu beraten, und zu meistern. Im September 1848 wurde den Freiherren von Poelnitz ihr Patriomonalgericht I. Klasse bekanntlich an des Landgericht Burgebracht verwiesen, und damit endete auch die lange Ära der „Molitore.“ Das dörfliche „Ruggericht“ blieb natürlich bestehen, denn ohne eine „Gemeindeordnung“ würde es in jedem Dorf bald drunter und drüber gehen. Der Bürgermeister Porlein, scheint seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit erledigt zu haben, und zwar volle 18 Jahre hindurch. Deswegen widmeten ihm die Schreiber der Sterbe-Matrikel anno 1853 auch einen prächtigen Nachruf. Der lautet: „Am 9. Januar ist verstorben Johannes Balthasar Porlein, Bauer, Metzger und Weber, 18 Jahre hindurch gewesener Ortsvorsteher, zuletzt Altsitzer, evangelisch, 79 Jahre, 4 Monate, 20 Tage. Todesursache: Altersschwäche, Aschbach Hs. Nr. 31.“

Dass der Herr Ortsvorsteher vier Jahre vor seinem Tod ziemlich ärgerlich war, als ihm seine Tochter Anna Margaretha die Sache mit dem „ledigen Kind“ beichten mußte, versteht sich von selbst. Ledige Kinder sind heute noch nicht das allerbeste Aushängeschild für eine Mutter – aber früher war`s halt ganz schlimm. Unsere Herren Pfarrer haben bekanntlich die ledigen Mutter als „Hurren“ abgestempelt, und welcher Bürgermeister ist schon stolz darauf wenn meine seine Tochter ebenso bezeichnet? Elf Jahre nach der Geburt, acht Jahre nach dem Tod ihres Vaters, fasste sich die Anna Margaretha Porlein ein Herz, nahm ihre Tochter an die Hand und machte sich auf ins Ami-Land. Dazu vermerken die Auswanderungsbehörden: „Wahrscheinlich reisten beide dem Vater nach Nordamerika nach.“ Wie dieser geheißen hat, sagt uns niemand, und deshalb verläuft die Spur der Anna Margaretha Porlein im Sand...

 

1861 heißt es in der Aschbacher Auswanderungs-Liste lapidar: „Leyendecker M. Vater Jakob, Hauptstraße 4.“ Aus diesen dürren Worten, wird wohl nicht einmal der Sherlock Holmes etwas vernünftiges kompinieren können. Der „M.Leyendecker und sein Vater Jacob“ sind in Aschbach aufgetaucht wie Phantome, und genauso spurlos wieder verschwunden. Ihre Namen sind in keinem Kataster zu finden. Nichts desto trotz, haben wir einige Leyendecker in Amerika ausgegraben. Der älteste davon ist der Johannes Phillip Leyendecker, geboren um 1735, verheiratet mit Maria Rosina Ludwig. Der einzige Sohn dieses Ehepaars, Johannes Phillip Leyendecker jr. ist 1758 schon in Berks County/Pennsylvania geboren.

Ein 1834 in „Prussia“ geborener, verwitweter Musik Professor mit Namen Leyendecker lebte bei der Volkszählung in New York.

Ein Carl Leyendecker ist 1846 in Fredricksburg/Texas geboren. Er war verheiratet mit der Bertha, geb. Schuhmacher, der Ehe enstammt die Tochter Emma.

Ein Arthur Leyendecker, geboren 1886, lebte mit seiner Frau Annie, geb. Brune in Columbus, Colerado/Texas, und zeugte dort 10 kleine Texaner.

Und dann gab es da noch den Phillip Leyendecker in Derbach, Wirges, Nassau/Germany. Der war um 1765 geboren. Um 1784 vermählte er sich mit der etwa ein Jahr jüngeren Anna Maria, geb. Paulus. Die schenkte ihm vier Kinder: Am 4.12.1785 den Christian, am 6.7.1788 die Catherina, am 19.4.1791 den Johann, und am 8.7.1794 die Maria Leyendecker.

Der Johann Leyendecker heiratete am 19.4.1871 die am 10.9.1798 geborene Elisabeth Georg., und die schenkte ihm 6 Kinder, nämlich: am 23.12.1819 die Maria, am 21.1. 1824 die Katherina, am 22.10.1826 den Johann, am 14.8.1929 die Anna Maria, am 27.10.die Maria Magdalena, und am 30.9.1836 den Jakob Leyendecker.

Klingt ganz so, als hätten wir mit dem Jacob Leyendecker aus Derbach/Nassau den Vater des Auswanderers M. Leyendecker gefunden. Der hätte dann bei seiner Auswanderung allerdings kaum älter als 6 Jahre sein können. Okay Freunde, es gibt ja einige Beispiele dafür, dass Kleinkinder und sogar Säuglinge mit nach Amerika genommen wurden. Der jüngste, uns bekannte Alleinreisende aus Aschbach war ein 13 jähriger Junge. So alt wurde der Jakob Leyendecker nicht einmal, denn er verstarb im Alter von nur 3 ½ Monaten, am 15.1.1837 in Dernbach.

Interessant allerdings, ist die Wiederholung der Vornamen bei den Dernbacher und den Pennsylvanier Leyendecker`:

Johannes Phillip um 1735 Pennsylvania, Johannes Philipp jr. 1758 Pennsylvania,

Phillip 1765 Dernbach/Nassau, Johann 1791 Dernbach/Nassau, Johann 1826 Dernbach/Nassau. 

Das lässt darauf schließen, dass die Dernbacher und die Pennsylvanier Leyendecker eng miteinander verwandt waren. In welcher Beziehung allerdings unsere beiden Aschbacher Leyendecker zu ihnen standen, wird wohl nie mehr geklärt werden...

 

 

1861 hatte der Peter Heppel aus Rambach allen Grund, die Kurve zu kratzen. Also alles was recht ist, dieser Phyromane hat doch tatsächlich „die Mühle abgebrannt, und ist davon gegangen.“ Aus welchem Grund dieser Übeltäter den Feuerteufel gespielt hat, weiß man nicht. Vielleicht war er stinkesauer auf den staubigen Müller, zwecks zu geringer Löhnung? Vielleicht hatte er eine Mehlstaub-Allergie, oder vielleicht wollte er die freiwillige Feuerwehr auf eine Probe stellen? Man wird seine Beweggründe nie mehr feststellen können – und seinen Fluchtweg auch nicht. Falls es dem Spitzbuben gelungen sein sollte, heimlich auf ein Schiff nach Amerika zu gelangen, dann wäre Chicago die richtige Adresse für ihn gewesen. Dort treiben ja die Bösen seit altersher ihr Unwesen. Die größten Söhne dieser Stadt waren später die Gangster Al Capone, und Kardinal John Patrick Cody. Diese Belzebuben müssen eine Menge gelernt haben von unserem Feuerteufel aus Rambach. Ersterer hat einige hudert Leute kalt gemacht, der andere hat 50 Millionen Dollar Kirchensteuern unterschlagen, seiner Mäträsse Helen Wilson prächtige Geschenke gemacht: Häuser, Straßenkreuzer, und eine Million Dollar in bar.

Absolut klar ist es allerdings nicht, dass unser „Rabier“ Brandstifter tatsächlich den Weg nach Chicago gefunden hat. Die Möglichkeit jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, denn dort lebte um die gleiche Zeit ein Kunstschreiner namens Johann (John) Heppel. Der ward anno 1835 in „Germany“ geboren, und ehelichte seine 8 Jahre ältere, ebenfalls in Germany geborene, Martha. Die schenkte im die Kinder Henry (*1853), Lizzie (* 1859) und Emelie (*1865). Vom Brandstifter persönlich erfahren wir anlässlich der Volkszählung leider nichts, aber wer es fertigt bringt die Rambacher Mühle einzuäschern, kann bestimmt auch seine Spuren in Chicago gut verwischen....

 

1867 machte sich die ledige Sara Fleischmann * aus Aschbach auf die Reise nach Amerika. Dieses Madla stammte aus einem Judenhaus. Es gab allerdings auch die Fleischmann`s aus Ziegelsambach. Die sind schon anno 1715 erwähnt, und erst im 19. Jahrhundert nach Wüstenbuch umgezogen. Als brave Katholiken, versteht sich, aber das hat nix zu sagen. Juden haben sich im Laufe ihrer langen und leidvollen Geschichte des Öfteren auch zum Katholizismus „bekehren“ lassen. Nicht zuletzt deshalb, hat es bei uns eine katholische, und eine jüdische Fleischmann-Sippe gegeben. Die Sahra allerdings, war eine reine Jüdin. Ihr Vater war der jüdische Schächter Jonathan Fleischmann, und dem begegnen wir erstmals im Kataster von 1847. Damals betrieb er seine Metzgerei im Haus mit der Nummer 42. Seine Tochter Sarah trieb es im Juni 1867 Richtung Amerika. Dass sie dort auf nahe Verwandte getroffen ist, darf mit einiger Sicherheit angenommen werden, denn in Washington D.C. lebte der Konditor Karl (Charles) Fleischmann. Der war 1845 in Bavaria geboren. Seine Frau hieß Mathilda, und die war 1853 in Württemberg zur Welt gekommen. 1875 wurde dem Paar der Sohn Harry geschenkt, und vielleicht war die Sahra gar seine Tante?

 

1868 im Sommer schipperte der ledige Paul Zwanziger aus Aschbach übers weite Meer. Seine Akte ist sehr mager, denn sie sagt uns nur: Wohnhaft gewesen Schlüsselfelder Weg Nr. 4, Vater Konrad Zwanziger. Antrag auf Auswanderung 11.7.1868.

Zu den Ärmsten haben die Zwanziger nicht gehört, denn im Kataster von 1818 sitzt der Ernst Zwanziger immerhin schon auf dem Söldengut mit der Nummer 31. Von 1833-1849 amtierte in Aschbach der Pfarrer Johann Heinrich Zwanziger, und im Kataster von 1847 ist der Konrad Zwanziger als Bauer auf der Haus Nr. 30 registriert. Richtige Bauern waren ja die Wenigsten damals. Deshalb hat sich der Paul Zwanziger die Schiffspassage wahrscheinlich nicht so mühsam vom Mund absparen müssen, wie die meisten Anderen. So wie es aussieht, war er in Amerika auch nicht ohne hilfreiche Verwandte, denn es gab in Douglas Bremer/Iowa einen Farmer namens Michael Zwanziger. Der war 1805 in Bavaria geboren. Daneben gab es in St. Louis/Missouri einen Ingeneuer Leon J. Zwanziger. Der war 1821 in „Bavaria“ geboren. Seine Frau Eliza war ebenfalls in Bayern zur Welt gekommen, und zwar im Jahr 1832. Auch der älteste Sohn Charles Zwanziger hatte das Licht der Welt noch in Bavaria erblickt, und zwar im Jahr 1860. Seine Schwester Leonora hingegen, wurde 1864 in St. Louis geboren, und die kleine Mathilda auch (*1875). Das heißt, dass der Mister Leon J. Zwanziger nicht lange vor dem Paul Zwanziger ausgewandert ist. Die Vermutung, dass er ein naher Verwandter unseres Aschbacher Auswanderes war, ist ziemlich naheliegend...

 

 

1868 im Sommer, zog es auch die ledige Bauerntochter Margaretha Güntter aus Aschbach, nach Amerika. Laut Auswanderungsliste, waren ihre Eltern der Konrad und die Wilhelmine, geborene Igel. Im Kataster von 1847 finden wir weder eine Familie Güntter, noch einen Igel - lediglich die Elisabeth Haas, aber die hat ja damit nix zu tun. Die Güntter`s scheinen jedenfalls ziemlich spät nach Aschbach gekommen – und auch nicht lange dageblieben sein. Was aus der 20jährigen Margaretha in Amerika geworden ist, lässt sich nicht weiter verfolgen...

 

1868 im Juni, erhielt auch der ledige Wagnergeselle Michael Scheer aus Aschbach, die Genehmigung zur Auswanderung. Der junge Mann war am 4. November 1842 geboren. Seine Eltern waren der Mauerer Martin Scheer und seine Frau Margaretha, geborene Strohöfer. Dieser Name ist mittlerweile in ganz Europa bekannt. Ganz besonders unter den Truckern, denn die fühlen sich im Toni Strohöfer seiner gigantischen Raststätte in Geiselwind geborgen wie in Abrahams Schoß. Anno 1847 ist unter der Hausnummer 66a der Mauerergeselle Johann Martin Scheer registriert. Was mit seinem Filius Michael in Amerika passiert ist, weiß man nicht. Bei der Volkszählung wäre er erst 38 Jahre alt gewesen – aber seinen Namen kann man in keiner Zählliste lesen...

 

1868 begab sich auch die ledige, Barbara Förster aus Aschbach auf die weite Reise. Die Barbara war am 30. August 1844 geboren, ihre Eltern waren der Schuhmachermeister Johann Förster und seine Frau Ursula, geborene Adam. Über den Bruder der jungen Försterin, den Michael Joseph Foerster haben wir ja schon berichtet. Der war 10 Jahre vorher ausgewandert, und es sieht ganz so aus, als hätte er seine Schwester nachgeholt. Es ist allerdings fraglich, ob er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch gelebt hat? Falls ja, dann bestimmt nicht als reicher Mann, denn seine Schwester ist auf sehr ungewöhnliche Weise nach Amerika gekommen. Die hat nämlich der Bäckergeselle „Nikolaus Schoppelrei kostenfrei mitgenommen.“ Allen Respkt kann man da nur sagen, und sich insgeheim fragen „ja wo hat denn der Bäckergeselle das viele Geld hergehabt?“ Also mal ehrlich Freunde, so eine Reise nach Amerika, kostet heute ja nur noch ein Trinkgeld, in der Relation zu den damaligen Einkommensverhältnissen. Und trotzdem, wer von uns würde einfach seiner Nachbarin den Flug so mir nix die nix spendieren? Wir vermuten deshalb dass der schlaue Bäckersgeselle ernstere Absichten hatte.

 

1868 am 14. Juni erhielt der ledige Bäckergeselle Johann Nikolaus Schoppelrei aus Aschbach, die Genehmigung zwecks Auswanderung. Die Eltern des 29jährigen, großzügigen Bäckergesellen, waren der Konditor und Kaufmann Lorenz und seine Frau Anna Maria, geborene Töpfer, Aschbach Hauptstraße 15. Im Kataster von 1847 finden wir unter der Hausnummer 16, den Konditor und Kaufmann Jola Schoppelrei. Dem sein Enkel war also nun voll dabei, in Amerika eine Bäckerei zu etablieren. Da kann es nicht von Nachteil sein, wenn man gleich eine tüchtige Frau aus dem Steigerwald mitbringt – mag sich der clevere Schoppelrei gedacht haben, und hat als erstes einmal seinen Namen amerikanischen Verhältnissen angepasst. Aus dem Schoppelrei wurde sogleich ein Schoppelrey – und das war nicht der erste in the USÄ. Dort lebte nämlich mitten in Manhattan/New York, die Witwe Margaret Schoppelrey. Die war 1805 in Bayern geboren, und recht viel mehr weiß man nicht von ihr. Die dürftigen Unterlagen besagen lediglich, dass um 1840 ein George Schoppelrey in Manhattan geboren wurde. Der war verheiratet mit einer Elisa, und die gebar ihm am 26. Okrober 1866 den George William und am 24. März 1871 den George Schoppelrey. Ob und wie die mit unserem spendablen Bäcker-gesellen aus Aschbach verwandt waren, kann niemand mit Sicherheit sagen...

 

 

1881 am 7. März, erhielt auch der ledige Jakob Adam aus Aschbach seine Aus-wanderungs-Genehmigung. Der war am 26.6.1857 geboren. Als seine Eltern werden der Landwirt Johann Adam, und seine Frau Barbara, geborene Geier genannt. In den Katastern bis 1847 ist noch keine Familie Adam erwähnt, und im Einwohnerbuch von 1929 gibt es sie schon nicht mehr. Das bedeutet wohl, dass die Adam nur ein kurzes Gastspiel in Aschbach gegeben haben. 1868 taucht der Name Adam im Zusammenhang mit der Barbara Förster auf. Deren Mutter war die Ursula Adam. Was aus dem 24jährigen Jakob Adam geworden ist, können wir unmöglich feststellen, denn als er amerikanischen Boden betreten hat, war die Volkszählung bereits angeschlossen. Eine Meldepflicht gibt es kekanntlich in Amerika nicht, und deshalb ist es schlichtweg unmöglich näheres über diesen jungen Mann in Erfahrung zu bringen...

 

1882 am 23.Mai, hatte der Georg Vogel Aschbach bereits verlassen. Von ihm weiß man praktisch soviel wie nichts. Lediglich, dass er in der Hauptstraße Nr. 1 gewohnt hatte. Weder sein Alter, noch seine Eltern sind irgendwo festgehalten – und eine Familie Vogel ist auch weder in den Katastern, noch im Einwohnerbuch zu finden. Deswegen muß für ihn das Gleiche gelten, wie für den vorerwähnten Jakob Adam...

 

1883 waren die Dampfschiffe längst in Mode, und mit einem solchen dampfte wohl der Jakob Oppenheimer * übers Meer. Dieser Jüngling war am 3. Februar 1870 in Aschbach geboren, und sein Vater war kein geringerer als der Bürgermeister Benjamin Oppenheimer, wohnhaft Aschbach Haus Nummer 54. Im Kataster von 1847 ist noch kein Haus-und Grundbesitz der Familie Oppenheimer eingetragen. Das Katasterbuch ist abgezeichnet von Heinrich von Poellnitz, trägt aber eine Randnotitz in der die Namen Jakob Oppenheimer, Josef und Heinrich von Peolnitz erwähnt sind. Kurze Zeit später sind die Oppenheimer zu großem Besitz und Ansehen gelangt.

 Der älteste, uns bekannte Oppenheimer, nannte sich Manassas, und der war 1822 in „Bavaria“ geboren. Bei der Volkszählung 1880 finden wir ihn als Händler im Ruhestand wieder, und zwar in Washington D.C.; Dort lebte er mit seiner Frau Hanna, die 1827 in Baden geboren war. Das Paar hatte 2 Söhne und 4 Töchter. Der älteste Sohn war der Simon, und der ward 1855 schon in Washington D.C. geboren. Als Agent für Nähmaschinen, konnte der Simon bestimmt gute Dollars verdienen. Sein Bruder Gustave wurde 1857 geboren, und arbeitete als Handlungsgehilfe in einem Lagerhaus. Die drei Schwestern blieben im Haus, und das waren die Ida (*1868), Ellen (*1862) und die Rebecca (*1869).

Daneben gab es eine zweite Familie Oppenheimer in Washington D.C. und die war sogar einige Jahre früher eingewandert. Ihr Familienoberhaupt hieß Leopold Oppenheimer. Der war 1827 in Baden geboren, und mit der 2 Jahre jüngeren Ella verheiratet. Die schenkte ihm 4 Söhne und 3 Töchter. Der älteste Sohn wurde schon 1851 in Washington D.C. geboren, und auf den Namen Samuel getauft. Das Familienoberhaupt war Zigarrenhändler, sein Sohn Samuel Generalvertreter. Der zweitälteste Sohn kam 1854 zur Welt und auf den Namen Henry getauft. Er war ebenfalls Generalvertreter. Der dritte Sohn hörte auf den Namen Isaac und war von Beruf Baumwoll-Makler. Die Tochter Carrie kam 1860 zur Welt, die Jennie 1863, und 1864 sah der kleine Joseph das Licht der Welt. 1867 wurde das Nesthäkchen Bertha geboren. Im Haushalt lebte auch das damals 23jährige Dienstmädchen Kate Barkley aus Irland.

Zu einem der beiden vorgenannten Onkels in Washington D.C. wurde also der 13 jährige Kaufmannslehrling Jakob Oppenheimer im Herbst 1883 geschickt. Damals war die Volkszählung längst abgeschlossen, so dass wir nicht nachprüfen können, in welchem Haushalt er wirklich aufgenommen worden ist.

Eine dritte Familie Oppenheimer wanderte nach Friemond Sandusky/Ohio aus. Ihr Oberhaupt war der am 16. September 1835 in Bessingen bei Darmstadt geborene Simon H. Oppenheimer. Der heiratete am 22. August 1865 in Fremont die Rosalie, geborene Gusdorf. Die Rosalie war am 21. September 1842 in Worms zur Welt gekommen. Die Kinder aus dieser Ehe wurden Louis (*27.9.1866), Cora (*6.2.1870) und Edward (*22.1.1873) genannt.

In Aschbach lebte zur gleichen Zeit wie der Bürgermeister Benjamin Oppenheimer, auch das Ehepaar Löb und Jeanette Oppenheimer. Ihnen gehörte das umfangreiche Anwesen am Schlüsselfelderweg 3. Das war der ideale Platz für einen Viehhändler, und ein solcher war der Löb Oppenheimer. Ein sehr erfolgreicher dazu, denn die Vieh-und Pferdehandlung Oppenheimer war bald im ganzen Steigerwald ein Begriff. Dass über den deutschen Juden kein guter Stern stand, muss der Löb Oppenheimer irgendwie geahnt haben, denn er schickte seine beiden Söhne nach Amerika:

1886 im Oktober machte sich der am 12.1.1872 geborene Jakob Oppenheimer auf die Reise zu seinen Verwandten in Washington D.C.

!892 am 3. Dezember, erhielt auch der am 18.2.1876 geborene Salomon Oppenheimer seine Auswanderungs-Genehmigung. An den Geburtsdaten lässt sich ablesen, dass die beiden Jungs gerademal 14 und 16 Jahre alt waren, als sie ihren Heimatort Aschbach auf Nimmerwiedersehen verließen.

Zwei weitere Oppenheimer, die durchaus mit den Aschbachern verwandt sein konnten, wanderten ebenfalls nach Amerika aus: Als erster der Adam John II. Oppenheimer. Der war am 17.11.1870 als Sohn des Adam John I. Oppenheimer (*1844) geboren. Sein Auswanderungsziel hieß Fort Madison/Iowa. Dort heiratete er die Anna Krautz, und verschied am 16. November 1939.

Der Andere nannte sich Julius Oppenheimer, und der war 1880 geboren. Ihn zog es nach New York, wo er 1903 die Ella Friedmann ehelichte. Die schenkte im die Söhne: Julius Robert (*22.4.1904) und Frank Friedmann Oppenheimer (12.98.1912).

Unser Löb Oppenheimer aus Aschbach verzog kurz nachdem seine beiden Buben glücklich in Amerika gelandet waren, nach Mülhausen. Auf diese Weise gelangte das Anwesen Schlüsselfelder Weg 3, an den Metzger und Viehhändler Leopold Oppenheimer (*30.11.1880), und seine Frau Fanny, geborene Marx (*6.11.1887). In diesem Haushalt lebten auch dem Hausherren seine Schwestern Hanna (*17.2.1867) und Jeanette (*13.8.1882), sowie die Kinder: Jrma (*23.2.1923) und Justin (*10.10.1928). Keinen der vorgenannten war eine Flucht nach Amerika vergönnt. Sie alle wurden 1942 im KZ ermordet...

 

1889 im Frühjahr verließ der ledige Metzgerlehrling Sigmund Mayer * aus Aschbach seine Heimat mit dem Ziel New York. Der junge Bursche war am 10. August 1872 geboren, und folglich knappe 17 Jahre alt. Seine Eltern sind unter den Namen Jakob Mayer, und Zilli, geborene Hahn registriert. So wie die Auswanderungsliste berichtet, ernährte sich die Familie vom Kurzwarenhandel, und wohnte in der Kirchgasse 5. Sie ist allerdings in den Katastern eben so wenig zu finden, wie im Einwohnerbuch von 1929. Man darf deshalb annehmen, dass diese Familie nur kurz in Aschbach lebte, und dass ihrem Sohn in Amerika ein glückliches Leben beschieden war...

 

1893 am 7.Juli erhielt auch der 14jährige Kaufmannslehrling Joseph Seemann * aus Aschbach seine Auswanderungs-Genehmigung. Seine Eltern waren der Handelsmann Joseph Seemann und Elise, geborene Roman, wohnhaft Aschbach Seestraße 12. Dessen Vater war offenbar der im Kataster von 1847 unter der Hausnummer 43b eingetragene Viehhändler Joseph Seemann. Im Einwohnerbuch von 1929 finden wir gleich drei Seemänner wieder, nämlich den Gustav Seemann, Viehhandlung, Hs. Nr. 44, den Josef Seemann, Viehhandlung Hs. Nr. 41, und den Josef Seemann, Viehhändler und Gemeinde-rat, Hs. Nr. 39. Als Auswanderungsziel hat der junge Joseph Seemann Albany/New York angegeben. Dorthin hat es ja so um 1860 herum schon den „Farmer“ Eduard Gegner verschlagen, und deshalb können wir nur hoffen, dass es der junge Joseph Seemann auch zu Wohlstand gebracht hat....

Mit ihm enden die offiziellen Auswanderungslisten. Dass von den Behörden der Eine oder Andere übersehen wurde, zeigt uns am deutlichsten der Josef Dorbert. Der war am 5.Januar 1873 in Aschbach zur Welt gekommen. Erst zwei Jahre vorher, hatte sich sein Vater Leonhard hier niedergelassen, und bald darauf das evangelische Pfarr-Schulhaus erworben. In diesem, anno 1746 vom Marquart Carl Christoph Anton von Poelnitz „neu-erbauten“ Schulhaus, nebst Wohnung für den Kantor, etablierte dem Leonhard Dorbert sein Sohn Ludwig die allseits bekannte Konditorei und Kolonialwarenhandlung DORBERT. Sein Bruder Josef (*5.1.1873) hingegen, etablierte sich in Amerika. Es ist nicht bekannt, in welchem Jahr der junge Mann Aschbach verlassen hat. Es darf jedoch als sicher angenommen werden, dass er in Amerika auf Verwandtschaft gestossen ist, denn wo anders als in Franklin Columbus/Ohio hätte ein George Dorbert wohnen sollen? Dem sein Geburtsdatum ist leider nicht überliefert, man weiß nur, dass er 1846 in Franklin Columbus/Ohio die Margaretha Lauk geheiratet hat. Ein Jahr später erblickte der Sohn George das Licht Ohio`s, und aus diesem strammen Burschen wurde ein Hufschmied. Der heiratete die 1858 in „Prussia“ geborene Sophia. Die schenkte ihrem George die Kinder: Albert (*1872), Flora (*1873) und Lillie (*1880).

Der jüngere Sohn des George Dorbert wohnte ebenfalls in Franklin Columbus/Ohio, und das war der 1851 geborene John Dorbert. Der war von Beruf Zigarrenmacher, und mit der 1852 in „Prussia“ geborenen Henrietta verheiratet. Die schenkte ihm die Kinder: Emma (*1874), Mary (*1877) und Joseph (*1880)

In Baltimoore/Maryland lebten zwei weitere Gebrüder Dorbert, nämlich die Familie des Haushaltswaren-Händlers Frank Dorbert. Der war 1835 in Bayern geboren, und verheiratet mit der Kunigunda, die 1845 ebenfalls in Bayern geboren war. Die Kinder aus dieser Ehe wurden sämtlich in Baltimoore geboren: George(*1864), Sebastian (*1869), Barbara (*1975) und Frank (*1878).

Der Bruder George Dorbert war1842 in Bayern geboren, ebenso wie seine gleichaltrige Frau Kunigunda. Auch er war Haushaltswaren-Händler, und zu seinem Haushalt gehörten die Kinder: Kunigunda (*1865), Maggie (*1876)und Casper (*1878). Dazu der 26jährige, deutschstämmige Angestellte Louis G.Geisler.

Von unserem Josef Dorbert aus Aschbach hören wir letztmalig im Jahr 1898 etwas. Diese Nachricht stammt aus Stonebruck, und kein Mensch weiß, wo er das suchen soll auf der Landkarte. Das ist aber nicht weiter tragisch Freunde, denn Glück gebracht hat das Nest unserem Auswanderer nicht. Der ist nämlich dort am 23.7.1898 verstorben. Das heißt, älter wie 25 Jahre ist der junge Mann nicht geworden. Mit ihm enden nun aber unsere Auswanderunslisten.

Oder auch nicht? Nicht ganz Freunde, denn es gab noch einige weitere Amerika-Fahrer, von denen aber nur äußerst spärliche Aufzeichnungen gibt. Vergessen sollen sie trotzdem nicht werden. Von den Geschwistern Christoph Engert (22.7.1848) und Katharina Engert weiß man lediglich, das sie nach Amerika ausgwandert sind.

Auch die Barbara Christel (*24.2.1867), Tochter des Jacob Christel und seiner Frau Elisabetha, geborene Weichselbaum, ist nach USA ausgewandert. Ihre Heimatadresse lautete: Aschbach Heimgasse (Federwischgass`) Nummero 3. Das bedeutet schlichtweg, die Auswanderin war eine Tochter vom Huf-und Wagenschmied Christel.

In der Zeit nach dem I. Weltkrieg hat erneut eine Auswanderungswelle eingesetzt. Mann weiß, dass der Heinrich Metzler (*30.12.1903) seinen Heimatort verlassen hat in Richtung Florida. Ebenso seine Schwester Betty (*18.4.1912) die sich mit ihrem Ehemann in New York ansiedelte. Bei der Volkszählung anno 1880 lebte der 31jährige Charles Metzler als Farm Arbeiter in Santa Clara/California. Seine 30jährige Ehefrau Anna, stammte wie er aus „Germany.“ Das Paar hatte zwei kleine Söhne: Carl und Freddie. Der ältere war 1 Jahr alt, der kleine 2 Monate. Ob unsere Aschbacher Metzler mit denen aus Californien verwandt waren, lässt sich nicht mit Sicherheit klären.

In vielen Fällen ist der Kontakt zwischen zwischen Auswanderern und Daheimgebliebenen abgerissen. Deshalb wissen wir von der Margaretha Stütz (*3.11.1901), Tochter des Johann Stütz und seiner Frau Katharina aus Ziegelsambach, nur, dass sie nach USA ausgewandert ist...

 

Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß - § 106 UrhG

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Leseprobe


von Taupenas zu Doppernas


"Die Nacht in der die Kosaken kamen"


„Zwei Grenadiere Napoleons, die sich am letzten Tag der Schlacht bei Leipzig nach Frankreich durchschlagen wollten, hatten sich in ihrem winterlichen Unterschlupf in unserem Dorf in Franken eben eingerichtet, als sie im Februar 1814, aufgeregt ins Schloß gelaufen kamen. So aufgeregt, dass meine Urgroßmutter Josephine die beiden weder deutsch noch französisch verstand: “Kosaken nachts ! Sauveznous !“

Die Josephine, die mit zwanzig Jahren so verständig wie beherzt, las aber Schrecken und Not auf den Gesichtern der Grenadiere und begriff. Der Dorbert und der Daupernas, so hießen sie, erlebten zwar täglich, dass die Bayern - obwohl seit Leipzig Gegner Frankreichs - hier keinen Franzosen aufspießten. Sie fürchteten aber „Alte Napoleonische“, Todfeinde Russlands seit Moskau, mussten sich gerade bei Kosaken auf allerhand gefasst machen….Kosaken sollten durch Bamberg zum Rhein marschieren?

Als Tochter eines der Guillotine entronnenen Royalisten hat die Urgroßmutter für „Soldadestka des Generals Bonaparte“ wenig übrig. Doch ihrer Landsleute muss sie sich annehmen. Wie aber ? Im Dorf kannten die Franzosen jedes Kind. Sie mussten weg. Kurzentschlossen schickte die Urgroßmutter sie nach Wüstenbuch, ins abgelegenste Dorf im Gutsbereich. Die Grenadiers stapften im Schnee davon. Ohne „A Dieu“ ohne „Vive l’ Empereur !“ Josephine stand vor größeren Problemen. Wie sorgte man vor gegen die avisierten Kosaken? Die in ihrem eigenen Land ärger hausen sollten als französische Revolutionsarmeen in Franken?

Josephine berief einen kleinen Kriegsrat handfester Männer. Im Haus sah’s damit schlecht aus. Josephines ältester Schwager Constantin, der einzige Mann daheim, war Invalide. Sein in Russland durchschossener Arm fieberte tagaus tagein. Dass er noch zwanzig Jahre an der Blessur laborierte, verdankte er dem Feldscher, der ihn zuletzt traktiert hatte: „Herr Lieutenant können sich daheim selbst kurieren: diese Stricknadel mit den aufgereihten Holzküglein bitte täglich öfters durch den Schußkanal ganz durchstoßen, drehen und rollen, dann setzt sich innen kein Eiter an!“ So konnte Consatntin seiner Schwägerin nur eine einzige Hilfe leisten: Er übernahm die zwei alten Damen im Hause, Schwestern seines Großvaters, hochfürstlichen Landoberjägermeisters. Die „Fräulein“, wie die Tanten korrekt hießen, waren ein mühsames Überbleibsel aus dem heiteren Rokoko, dessen Ende sie immer noch prophezeiten - und schoben es auf ihre Art hinaus, indem sie zum Beispiel tagelang mit dem Kammermädchen debattierten, warum ihre blumenbesetzten Hoch-perücken - obwohl mit Flohpfeffer eingerieben, nachts auf der offenen Galerie über Puppen gezogen und morgens mit Fliederduft besprengt - immer ranzig stanken? Ob vielleicht deshalb manchmal auch Mäuse daran knabberten? Als die Fräulein erfuhren, was sich soeben hier in Aschbach um sie herum begab, protestierten sie sofort in einem rosafarbenen Bilett: „Sie zuallererst müssten in Sicherheit gebracht werden!“ Constantin geleitete die Zeternden galant in ihre Gemächer und sperrte jede für sich ein.

Unterdessen hatten sich in der Halle doch Handfeste eingefunden. Der Rendant, ein Jäger, der Gärtner, Bauern die grimmig die Schultern zuckten. Das Dorf habe seit der letzten Brandschatzung kein Vieh mehr, Mehl und Fett nicht für eine Woche. Lohne es, das Bisserl zu verstecken? Man kann es ebenso den Kosaken hinschmeißen, wie den nächsten Fouragieren für miserable kaiserliche Papierfetzen, aus Paris oder Wien. Männer die zu einem Dienst gepresst werden könnten, gäb’s keine. Frauen und Kinder würden sie gerne aufs Schloß bringen… Daheim aber wollte man alles offen lassen, damit wenigstens keine Türen demoliert würden.

Josephine fand alles praktikabel. Die Frauen und Kinder sollten gleich kommen! Nur über Vorkehrungen die man treffen könne, waren Josephine und Consatntin anderer Meinung als die Bauern. Alles einfach so stehen zu lassen, hatten die Handfesten nicht im Sinn. Stallungen und Speicher, auch im Gut längst leer, könnten offen bleiben? Vielleicht auch der Torbau, wo die Ritterschaft vor 50 Jahren zuletzt getagt hatte. Das alte Schloß aber „dies Veste Haus von Grund auf neu errichtet 1656“ wie über dem Portal eingemeißelt steht - das ließe sich schon wieder etwas „vester“ machen meinte der Rendant. Verrammeln ?

Josephine saß in der Halle auf der obersten Stufe und sinnierte. Was können die Russen eigentlich wollen? Würden sie blindwütend das Haus stürmen? Nach dem blutrünstigen und feurbrünstigen Geschrei „Guerre aux Chateaux!“ das genug Franzosen eben noch im Mund geführt? Davon wussten die Russen doch nichts! Kosaken waren Kaiserliche, die mit Bayern jetzt verbündet… Waren sie etwa hinter den Grenadieren her? Aus dem Haus können Soldaten nichts brauchen. Der Tanten geschnörkelte Sesselchen können sie so wenig mitschleppen, wie ihren neuen Sekretär; nur gut, dass die Messingbeschläge mit dem lorbeergezierten „N“ abgemacht sind. Ihr Collier mit den bunten Steinen, die Tabatiere und was sonst leicht in einen Felltornister rutscht, ist längst fortgeschafft.

Constantin hockte sich neben die Schwägerin, dachte kopfschüttelnd ihre Sorgen mit: „Du kennst Soldaten nicht! Sie wollen vor allem besser essen und mehr zu trinken. Kriegt der Soldat nichts, grad wo er meint es muss was da sein, so wird geplündert und ohne besonderen Anlass setzt man dir den Roten Hahn aufs Dach. Kosakische Freunde sind damit schneller zur Hand wie verkappte Jakobiner! Gott im Himmel, lass bloß Niemand einen Brand reinwerfen! Das viele Holz im Fachwerk und im Turm - Löschen ? Wie denn mit unseren zwölf strohgepflochtenen Eimern, wenn am Hofbrunnen die Kosaken stehen ?

Josephine fasste sich zuerst wieder „Constantin leg Du Dich jetzt hin und putz Deine Wunde durch! Dein Arm glüht wieder. Ich kümmere mich weiter. Vielleicht fällt mir was Gescheites ein“

An der Verbarrikadierung ist nichts zu bemängeln. Der schwere Balken, der hinter dem Haupteingang links in der Mauer steckt und quer über die Tür rechts einzuschieben ist, sitzt gut drin. An den anderen Haustüren sind die verbundenen Riegel nach drei Seiten exakt eingeschnappt. Nur die blauen Fensterläden gefallen der Josephine wenig. Die Eisenstäbe, die die Jalousiebrettchen steuern, scheppern. Besser gesichert, brettervernagelt, sind jene einstmaligen Schießscharten, die Gott sei Dank nicht voreilig modernisiert wurden, also noch nützlich sind, wenn’s nochmals brenzlig würde.

Unter der Durchfahrt erlebt die Großmutter die beste Überraschung, die einer Hausfrau in ihrer Lage begegnen kann: Am eichenen Türstock hängt ein kapitaler Rehbock, vergessen im Getümmel. Nichts könnte zur Stunde mehr ermutigen! Die Vorräte reichen mit Einquartierung keine Woche, wenn sich nicht noch Essbares im Keller findet. Josephines Talglicht flackert über die in Fels gehauenen Stufen hinunter, reflektiert aus dem Gewölbe, wie metallisch - von einer neuen, höchst bedeutungsvollen Überraschung: Da liegt ja die große ovale Kupferwanne, die so lang vermisste! Im Sandboden, akkurat über drei Fässlein gestülpt. Wer sich da sein Depot etabliert hat, wird sich herausstellen. Jetzt im Kerzenschein, vor dem erfreulichen Stilleben, fällt der Josephine das „Gescheite“ ein, worüber sie die ganze Zeit nachgedacht. Die stärksten Männer müssen die Wanne hinaufwuchten, über die Freitreppe schleppen. Das kupferne Ungetüm, ein Schaff, sechs Fuß lang und drei hoch, im Vorhof auf Steine setzen. Die Männer verschnaufen noch, da bringen die Weiberleut hübsche Fässchen, versiegelte Korbflaschen, hohe vierkantige Zinnkannen. Und die Josephine entleert die Behälter in die Wanne, unter wehmütigen Blicken der Männer. Würzburger Wein, Dünnbier, noch mehr Wein, Zwetschgenwasser, Honigwein, Franzbranntwein! „Umrühren!“ befahl die Josephine vergnügt. Der Köchin letzter Pfeffer ging dahin, auch die gezuckerten Walnüsse in Essig. Die Hausfrau rührte wild mit dem Holzlöffel von der Waschküche. “Wir sind pressiert, es dunkelt!“ Die Tanten schickten in silbernen Flakons Ameisenspiritus und Kastanienaufguß, rissen sich ihre letzten „ Mittel“ von der Seele. Die Wanne war bis zum Rand voll, gut zweihundert Seidl. Josephine probierte mit dem Finger das abscheuliche Gemisch. „Assez! Jetzt Feuer drunter! Kosaken müssen vor allem fröhlich gestimmt werden! Dann kriegen wir sie schon“

Begierig ihm zu berichten, fand Josephine ihren Schwager im Bildersaal. Er wusste bereits von ihrem Tun, schien verstimmt. „Auf Deine Sorte Glühwein werden die Russen sehr übel reagieren“…Warum fragte die Schwägerin, sitzt Du mit Deinem Fieber in dem eisigen Saal? Der wie mir eingetrichtert wurde, nie betreten wird? Immer reserviert für den Abt von Ebrach, falls er zu Besuch kommt!“ „Der kommt aber heut nicht, wenn überhaupt noch je einer kommt! Von meiner Stube aus kann ich sehen, was im Vorhof passiert. Ich hab was anders vorbereitet“ lenkte Constantin nun ab.“ Meine Reiterpistolen“ Was ist damit?, ereiferte Josephine sich neu. Consatntin nimmt die Pistolen aus den Halftern, gibt eine Josephine. Sie vermag den klobigen Messingknauf kaum zu halten.“Gib sie dem Fischmeister“ sagt Constantin. „Die andere mir! War für Josephine selbstverständlich.“ Kannst mir schon trauen! Ich inszeniere kein Duell mit Bayerns neuesten Freunden!

Bei Einbruch der Nacht war jeder auf seinem Platz. Frauen und Kinder saßen innen im Altbau. Die Männer starrten durch die Jalousien in den dunklen Hof. Um den Kessel war im Schnee eine Lache entstanden.

Gegen neun Uhr trabten die Kosaken durchs Dorf herauf. Vielleicht hundert Mann. Kavallerie des Zaren? Mit den Pferden wie verwachsen, mit Lanzen aus Bambus, kurzen Säbeln und viel Pelz um. So sollten Kosaken aussehn! Schnell ritten sie durch den Hof, sprangen im Garten aus den Sätteln. Ein Trupp kam zu Fuß zurück, näherte sich vorsichtig dem sonderbaren länglichen Kessel da über der Glut. Mutigere beschnüffelten die dampfende Brühe, hatten schon einen Hornbecher zur Hand, waren von dem höllischen Gesöff sichtlich angetan. Immer mehr Reiter drängten sich um die Wanne; Pferdehalter schimpften, ob man ihnen denn nichts ließe? Und alle tranken unvorstellbar, schwatzten und begannen zu tanzen. Im Schnee. Nach kurzer Weile setzten sich die ersten Gestalten die um ihr Gleichgewicht bemüht, auf die Hofmauer, auf die Freitreppe. Die Hausbewohner fanden auf das Gelage vor den Fenstern keinen Reim; sie warteten, es geschah nichts. Ein Kosak suchte sich ein drockenes Ruheplätzchen. Ein anderer schöpfte aus der letzten Neige. Als die meisten Reiter friedlich dösten, lösten sich im Haus die Wächter ab.

Da, um Mitternacht wurde der Klopfer am Portal angeschlagen. Josephine, unten im blauen Zimmer der Haustür am Nächsten, staunte, dass es nicht wie sonst durch zwei Stockwerke dröhnte. Da pochte es noch dezenter an ihrem Fenster. Im Schimmer einer Laterne zwängte sich eine Säbelspitze unter den Fensterladen und eine höfliche Stimme bettelte „Monsier? Madame?“ Josephine öffnete das Fenster, sprach durch die Jalousie französisch, lachte zweimal! Schloss das Fenster wieder. - Ein Jäger im Oberstock, der alles gehört hatte, wunderte sich nicht, als Josephine jetzt bei ihm erschien, griff sich aber an den Kopf, als sie bloß sagte: „Die Kosaken ziehen gleich ab! Wir bleiben aber en vedette, bis es dämmert“

Weiß Gott, der Kosak war die Treppe hinunter, seine erstaunlich nüchternen Männer saßen schon zu Pferd - und fort waren sie.

Die Gutsküche war noch nie so voll Menschen gewesen wie an jenem Wintermorgen, als Angst und Schrecken mit den Kosaken gewichen waren. Die hatten so schön gesungen auf dem Weg nach Würzburg, dass das Dorf vor Sonnenaufgang auf den Beinen war. Wer sich verkrochen und wer gewacht hatte, kam in die die große Gutsküche, gottfroh, die Nacht hinter sich zu haben. Von dem Zaubertrank wusste man schon. Seine Mischung, von Josephines nächtlichen Gehilfen verplaudert, wurde mit Phantasie angereichert. Jeder brannte darauf zu hören, wie die Ur-großmutter mit den Russen fertig geworden war? - Josephine ist jedoch bereits mit einem solennenen Morgenschmaus beschäftigt, den sie eigenhändig bereitet. Vier große Häfen „Brüh“ mit schimmeligem Brot und gefrorenen Kartoffeln - zu Rehbraten! Sie freut sich, dass im Dorf kein Huhn und kein Fenster draufgegangen ist, dass die Tanten ihre geliebte Gartenterasse schon inspiziert haben, an den steinerner Puten kein Finger fehlt und in der Muschelkrotte kein Perlmutteerstückerl.

Jetzt fiel Josephines Auge auf die kleine Rettel, ihr Wassermädl, wie sie eben einen halbvermummten Mann anschmachtete. Sie erkannte ihn, als er sie mit einem Kompliment ehrte.“ Oh Grenadier Dorbert, schon retour?“ staunte seine Beschützerin. „Et le Camerade?“ „ Daupenas später“ bekam sie zur Antwort.

Josephine machte Augen. Wie lange braucht man nach Wüstenbuch, mit Holzschuhen, nachts im Schnee? Waren die Napoleonischen etwa gar nicht dort gewesen, hatten hier auf reine Luft gewartet? Sie wird auch das rauskriegen. Aber nun will sie berichten, was nachts los war:

„Zum Ende - gut hab ich nicht mehr viel beigetragen. Unser Punsch war ja raus! Der Kosak der anklopfte, ihr Capitain, war ein Kavalier. Bedankte sich für den guten Empfang und sagte, er hätt’ nur noch eine Bitte: Ob er von dem herrlichen Getränk nicht noch bekommen könnte. Alle seien nüchtern. Er wolle nachts noch weiter. Erbitte also nur ein Fässchen für unterwegs. Sowas märchenhaftes habe keiner von ihnen je in seinem Leben gehabt! Der Capitain habe sie so selig angestrahlt, dass es ihr wirklich leid war, keinen Schluck zurückbehalten zu haben. Bei der wundertätigen Muttergottes von Kasan habe sie alles beschwören müssen.

In dem folgenden Gewirr von Jubel und Fragen kam Herr Constantin schlecht zu Wort: „Vive Josephine! Hättest Du vielleicht doch noch einen Tropfen „Dankopfer“ für die Penaten? Aber die Urgroßmutter, todmüd, hatte für den Schwager nur den Befehl, sofort die Wunde wieder durchzuputzen …“ und danken kannst Dei’m Schutzengel!“

Josephine hat die Episode beschworen. Zeugen sind keine mehr vorzuweisen. Die Kupfer-wanne, in der die Rettl, das Wassermädl von 1814 mich noch geschrubbt hat, endete 100 Jahre nach der Kosakennacht in einer Kriegs-Kupfersammelstelle. Die Grenadiere ruhen seit 150 Jahren auf dem Dorffriedhof, mit Kindern und Enkeln; nahe Josephine und Constantin. Die „Beschließerin Rettl“ fand sich dort erst um 1900 ein - nach des Messners Geheiß: „Was zamm gehört, bleibt beinand!“ - neben der Urgroßmutter.


Edition Goldener Falke ©

Nachdruck gemäß § 106 UrhG

AUCH AUSZUGSWEISE - VERBOTEN -

OVERKILL- Never have there been so many lies in a true story.

Prolog

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How exactly the drugs are composed cannot be found out for the customer, which means that the effect cannot be estimated. In addition, particularly colorful packaging should hide the danger posed by legal highs. Chemical analyzes show: Almost all products contain substances that fall under the Narcotics Act. They work like cannabis, ecstasy or cocaine, only many times stronger. While cannabis use only stimulates a few receptors in the body, all synthetic substances are stimulated. The consequences are devastating: There are panic attacks, delusions and circulatory breakdowns. The consumption of these herbal mixtures is increasingly fatal. Within a few years, the number of legal high deaths in Germany has increased almost tenfold!

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Accept help through targeted measures - or perish miserably?

Ted Kammerer

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